Betrunkene Wachsoldaten filmten sadistische Aufnahmerituale
Video liegt der Staatsanwaltschaft vor – Grüne wollen Sondersitzung des Verteidigungsausschusses – Vorfälle 2014 nicht ernst genommen
- Mit aller Härte will das Verteidigungsministerium gegen die Missstände in der Pfullendorfer StauferKaserne vorgehen. Die Vorkommnisse im Ausbildungszentrum „Spezielle Operationen“seien „völlig inakzeptabel“und würden konsequent aufgeklärt, sagte ein Sprecher am Montag in Berlin. Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) werde in dieser Woche mit den Inspekteuren der Teilstreitkräfte sprechen. Generalinspekteur Volker Wieker wolle sich in Pfullendorf unterrichten lassen. Danach sei geplant, den Verteidigungsausschuss zu unterrichten.
Derweil fordern die Grünen eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses vor dem nächsten regulären Treffen in zwei Wochen: „Wir wollen auch als Parlament die Verfehlungen in Pfullendorf, aber ebenso den Umgang des Verteidigungsministeriums mit diesen entsetzlichen Vorgängen schnell aufklären und auf einer verlässlichen Faktengrundlage Konsequenzen diskutieren“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger. Der Bundestagspräsident müsse darüber entscheiden.
Nach derzeitigem Stand handelt es sich um drei zeitlich und räumlich voneinander unabhängige Fälle, die die Bundeswehr und in mindestens einem Fall die Justiz aufarbeiten. 2014 hatte sich eine Soldatin ans Ministerium gewandt und das frauenfeindliche Klima im Ausbildungszentrum beklagt. Wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag sagte, sei eine Kommission vor Ort zum Schluss gekommen, dass es sich um eine subjektive Wahrnehmung der Soldatin handele. Im Licht der neuen Fälle sähe dies anders aus, räumte der Sprecher ein.
Im Sommer 2016 beschwerte sich eine Soldatin im Rang eines Leutnants, die als Ausbilderin eingesetzt werden sollte, bei Vorgesetzten, später auch beim Wehrbeauftragten und im Ministerium, über Lehrinhalte im Ausbildungszentrum. Die Soldatin soll beschrieben haben, dass sich Kameraden im „Combat First Responder“-Lehrgang vor den Kameraden nackt ausziehen mussten. „Vorgesetzte filmten mit, angeblich zu Ausbildungszwecken“. Auch von medizinisch unsinnigen, sexuell motivierten Übungen sei die Rede. Danach habe sich die vorgesetzte Dienststelle die Lehrpläne der Einzelkämpfer der Gebirgsjäger- oder Fallschirmjäger angesehen und geändert.
Lerninhalte wurden verändert
Zu diesen Vorgängen liegt der zuständigen Staatsanwaltschaft Hechingen noch keine Anzeige vor, wie eine Sprecherin am Montag sagte. Ihr sei auch nicht bekannt, ob sich die Bundeswehr oder Betroffene noch an die Justiz wenden werden. Sieben „Combat First Responder“-Ausbilder wurden versetzt, die Lehrinhalte seien geprüft und verändert worden, sagte eine Sprecherin des Ausbildungskommandos in Pfullendorf.
Im Nachgang, so wurde am Montag in Berlin bekannt, gab es Mobbing-Fälle gegen die Soldatin, die sich an den Wehrbeauftragten gewandt hatte. Die Frau ist bis heute in Pfullendorf tätig. Generalinspekteur Volker Wieker habe persönlich mit der Soldatin gesprochen und versicherte ihr, dass sie sich keine Sorgen über ihren weiteren militärischen Werdegang machen solle. Ein Zwischenbericht des Heeres zu diesem Fall wird in wenigen Tagen erwartet.
Schließlich erreichte erst Anfang letzter Woche das Verteidigungsministerium die Nachricht, unter betrunkenen Wachsoldaten gebe es sadistische Aufnahmerituale. Die Entlassung von sieben Soldaten und zwei Versetzungen waren die Folge.
Der Staatsanwaltschaft Hechingen liegt nach Angaben einer Sprecherin seit dem vergangenen Dienstag die Anzeige der Bundeswehr wegen sadistischer Rituale unter Wachsoldaten vor: „Auf einem Video sind die Soldaten angezogen und gefesselt, mit einem Beutel über dem Kopf“, beschrieb die Sprecherin, „die Soldaten werden nass gespritzt.“Die Polizei werde jetzt ermitteln.