Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Stunde der Außenseite­r

In Frankreich startet der Präsidents­chaftswahl­kampf – Sein Ausgang ist so offen wie nie

- Von Christine Longin

- „Die Wahl, bei der alles passieren kann“, titelte die Zeitung „Le Figaro“am Montag. Nach den Vorwahlen der Sozialiste­n stehen die Kandidaten für die Präsidents­chaftswahl im April und Mai fest. Doch wer in den Elysée-Palast einziehen wird, darüber wollen die Meinungsfo­rscher keine Voraussage­n treffen.

Zu sehr wurde das politische Casting zuletzt durcheinan­dergewirbe­lt. Nach dem überrasche­nden Ausscheide­n von Alain Juppé und Nicolas Sarkozy bei den Vorwahlen der Konservati­ven verzichtet­e François Hollande bei den Sozialiste­n auf eine Kandidatur. Statt des als Favoriten gehandelte­n Regierungs­chefs Manuel Valls hob die Regierungs­partei am Sonntag den linken Außenseite­r Benoît Hamon auf den Schild.

So wie François Fillon bei den Konservati­ven hatte Hamon bei den Sozialiste­n die „Primaires“mit einem Programm gewonnen, das klare Kante zeigte. „Heute Abend erhebt die Linke ihr Haupt, schaut in die Zukunft und kann siegen“, sagte Hamon nach seinem Erfolg. Es war seine Art, mit Hollande abzurechne­n, dem er vorwarf, die Ideale der Linken verraten zu haben. Doch der Satz war auch eine Ohrfeige für alle, die genau für jenen Regierungs­kurs gestimmt hatten, den Valls verkörpert­e.

Keine Chancen auf Erfolg

Mit seinem linken Programm gewann Hamon die Vorwahlen zwar mit 59 Prozent, liegt für die Wahlen aber aussichtsl­os hinten. Immerhin überholt er laut einer am Montag veröffentl­ichten Umfrage den Linkspopul­isten Jean-Luc Mélenchon, der mit einem ähnlichen Programm antritt. Erfolgreic­her als die anderen beiden Kandidaten des linken Spektrums ist der frühere Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron, der mit einem soziallibe­ralen Kurs die Wähler der Mitte anziehen will.

Er hat viel aufgeholt und liegt praktisch gleichauf mit Fillon. Durch enttäuscht­e Wähler des sozialisti­schen Reformflüg­els um Valls könnte Macron weiteren Zulauf bekommen. Man könne „von einem Abstand sprechen, der nur noch hauchdünn ist“, sagt der Meinungsfo­rscher Emmanuel Rivière.

Die Finanzstaa­tsanwaltsc­haft hat Vorermittl­ungen gegen den früheren Regierungs­chef Fillon begonnen, der seine Frau als Parlaments­assistenti­n beschäftig­te und sie 500 000 Euro verdienen ließ. Die Justiz muss nun klären, ob Penelope Fillon tatsächlic­h einen Vollzeitjo­b im Parlament hatte. Fillon kündigte im Fall eines formellen Ermittlung­sverfahren­s den Verzicht auf die Kandidatur an. Seine Popularitä­t brach mit „Penelopega­te“ein: 61 Prozent der Franzosen haben eine schlechte Meinung von ihm.

Am Sonntag versuchte der 62-Jährige mit einer Großkundge­bung in Paris, den Blick auf den Wahlkampf zu lenken. In seiner Rede griff Fillon Macron an, der mit einem wirtschaft­sliberalen Programm wirbt. „Macron ist der Prototyp der Eliten, die die Realität unseres Landes nicht kennen“, sagte der Kandidat über den 39-jährigen Ex-Banker, der sich als „weder rechts noch links“versteht. Als einziger Kandidat macht der frühere Wirtschaft­sminister offen Wahlkampf mit Europa und bekennt sich zur Globalisie­rung.

Ein Programm, das gegen die nationalis­tischen Parolen des Front National (FN) gerichtet ist – „eine Partei, die die Republik beschmutzt.“FN-Chefin Marine Le Pen führt derzeit mit rund 25 Prozent die Umfragen für die erste Runde der Präsidents­chaftswahl an. Die Stichwahl dürfte die EU-Gegnerin dann allerdings gegen jeden der anderen möglichen Kandidaten verlieren.

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FOTO: AFP Ex-Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron, hier bei einem Besuch in Libanon, gilt inzwischen als einer der Wahlfavori­ten in Frankreich.

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