Die Stunde der Außenseiter
In Frankreich startet der Präsidentschaftswahlkampf – Sein Ausgang ist so offen wie nie
- „Die Wahl, bei der alles passieren kann“, titelte die Zeitung „Le Figaro“am Montag. Nach den Vorwahlen der Sozialisten stehen die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im April und Mai fest. Doch wer in den Elysée-Palast einziehen wird, darüber wollen die Meinungsforscher keine Voraussagen treffen.
Zu sehr wurde das politische Casting zuletzt durcheinandergewirbelt. Nach dem überraschenden Ausscheiden von Alain Juppé und Nicolas Sarkozy bei den Vorwahlen der Konservativen verzichtete François Hollande bei den Sozialisten auf eine Kandidatur. Statt des als Favoriten gehandelten Regierungschefs Manuel Valls hob die Regierungspartei am Sonntag den linken Außenseiter Benoît Hamon auf den Schild.
So wie François Fillon bei den Konservativen hatte Hamon bei den Sozialisten die „Primaires“mit einem Programm gewonnen, das klare Kante zeigte. „Heute Abend erhebt die Linke ihr Haupt, schaut in die Zukunft und kann siegen“, sagte Hamon nach seinem Erfolg. Es war seine Art, mit Hollande abzurechnen, dem er vorwarf, die Ideale der Linken verraten zu haben. Doch der Satz war auch eine Ohrfeige für alle, die genau für jenen Regierungskurs gestimmt hatten, den Valls verkörperte.
Keine Chancen auf Erfolg
Mit seinem linken Programm gewann Hamon die Vorwahlen zwar mit 59 Prozent, liegt für die Wahlen aber aussichtslos hinten. Immerhin überholt er laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage den Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der mit einem ähnlichen Programm antritt. Erfolgreicher als die anderen beiden Kandidaten des linken Spektrums ist der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der mit einem sozialliberalen Kurs die Wähler der Mitte anziehen will.
Er hat viel aufgeholt und liegt praktisch gleichauf mit Fillon. Durch enttäuschte Wähler des sozialistischen Reformflügels um Valls könnte Macron weiteren Zulauf bekommen. Man könne „von einem Abstand sprechen, der nur noch hauchdünn ist“, sagt der Meinungsforscher Emmanuel Rivière.
Die Finanzstaatsanwaltschaft hat Vorermittlungen gegen den früheren Regierungschef Fillon begonnen, der seine Frau als Parlamentsassistentin beschäftigte und sie 500 000 Euro verdienen ließ. Die Justiz muss nun klären, ob Penelope Fillon tatsächlich einen Vollzeitjob im Parlament hatte. Fillon kündigte im Fall eines formellen Ermittlungsverfahrens den Verzicht auf die Kandidatur an. Seine Popularität brach mit „Penelopegate“ein: 61 Prozent der Franzosen haben eine schlechte Meinung von ihm.
Am Sonntag versuchte der 62-Jährige mit einer Großkundgebung in Paris, den Blick auf den Wahlkampf zu lenken. In seiner Rede griff Fillon Macron an, der mit einem wirtschaftsliberalen Programm wirbt. „Macron ist der Prototyp der Eliten, die die Realität unseres Landes nicht kennen“, sagte der Kandidat über den 39-jährigen Ex-Banker, der sich als „weder rechts noch links“versteht. Als einziger Kandidat macht der frühere Wirtschaftsminister offen Wahlkampf mit Europa und bekennt sich zur Globalisierung.
Ein Programm, das gegen die nationalistischen Parolen des Front National (FN) gerichtet ist – „eine Partei, die die Republik beschmutzt.“FN-Chefin Marine Le Pen führt derzeit mit rund 25 Prozent die Umfragen für die erste Runde der Präsidentschaftswahl an. Die Stichwahl dürfte die EU-Gegnerin dann allerdings gegen jeden der anderen möglichen Kandidaten verlieren.