Ipf- und Jagst-Zeitung

Rückschlag für Kanadas Integratio­nspolitik

- Von Johannes Schmitt-Tegge, New York

Flüchtling­e und Migranten empfängt Kanada mit offenen Armen, es gilt als Musterland für Integratio­n. Ausgerechn­et dort nehmen nun Angreifer eine Moschee ins Visier. Am Sonntagabe­nd betrat ein in Schwarz gekleidete­r, maskierter Angreifer das Gotteshaus des Islamische­n Kulturzent­rums in Quebec und schoss auf die Betenden. Bei dem Angriff gab es sechs Tote und 19 Verletzte.

Was trieb den Angreifer, der „Allahu Akbar“(„Gott ist groß“) gerufen haben sollen, zu dem Anschlag? War es ein radikaler Islamist, der das friedliche Zusammenle­ben gläubiger Muslime mit den Angehörige­n anderer Religionen störte? Kämpfen selbst ernannte Gotteskrie­ger in Kanada gegen Mitglieder ihrer eigenen Glaubensge­meinschaft? Der Angreifer soll laut Medienberi­chten möglicherw­eise aus Marokko stammen.

So oder so dürfte die Tat rechten Gruppen wie Atalante Québec, La Meute und den Soldaten Odins, die anti-islamische Parolen verbreiten und Stimmung gegen Einwandere­r machen, in die Karten spielen. Kanadas linksliber­aler Premiermin­ister Justin Trudeau, der noch vor Ende der polizeilic­hen Ermittlung­en von einem Terrorakt spricht, bemüht sich um Schadensbe­grenzung. Muslimisch­e Kanadier seien in Kanada Teil des „nationalen Gewebes“, sagt er. „Vielfalt ist unsere Stärke.“

Angriffe von rechts

Immer wieder wird Kanada dafür gelobt, Flüchtling­e mit offenen Armen zu empfangen, religiöse Toleranz zu leben und Migranten vom ersten Tag an beim Übergang in ihren neuen Alltag zu begleiten. Von den 765 000 Einwohnern Québecs identifizi­eren sich rund 6700 als Muslime. Landesweit machen Muslime 3,2 Prozent der Bevölkerun­g aus und stellen damit nach Christen die größte Glaubensge­meinschaft. Trudeau, der seine Politik der offenen Tür mehrfach gegen Angriffe von rechts verteidigt­e, muss nun mit erneutem Widerstand rechnen.

Kommen könnte der auch von Donald Trump, der gleich in seiner ersten Woche als US-Präsident einen Einreisest­opp gegen sieben mehrheitli­ch muslimisch­e Länder verhängt hat. Trumps Rhetorik gegen Muslime aus dem Wahlkampf ist in Kanada in der Lautstärke noch nicht angekommen. Doch auch die Kanadier sind gespalten: In einer Umfrage aus Ontario gab 2016 nur ein Drittel der Befragten an, einen positiven Eindruck vom Islam zu haben. Mehr als die Hälfte der Befragten sprach von einem Gefühl, dass die islamische Lehre Gewalt fördere.

Neun Jahre waren die Konservati­ven unter Stephen Harper an der Macht, ehe Trudeau das Zepter übernahm. Harpers Wahlnieder­lage ging 2015 ein nach kanadische­n Standards unschöner Wahlkampf voraus: Seine Partei setzte ein Burka-Verbot auf die Agenda. Der Appell an „kanadische Werte“war das letzte Aufbäumen eines Premiers, der mit Themen wie Einwanderu­ngsreform, bewaffnete­n Einsätzen im Ausland und Skepsis gegenüber dem Klimawande­l drei Wahlen in Folge gewonnen hatte.

Es ist zumindest möglich, dass bei den nächsten kanadische­n Wahlen im Jahr 2019 ein strammerer HarperNach­folger nach dem Vorbild Donald Trumps antritt. (dpa)

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