Rückschlag für Kanadas Integrationspolitik
Flüchtlinge und Migranten empfängt Kanada mit offenen Armen, es gilt als Musterland für Integration. Ausgerechnet dort nehmen nun Angreifer eine Moschee ins Visier. Am Sonntagabend betrat ein in Schwarz gekleideter, maskierter Angreifer das Gotteshaus des Islamischen Kulturzentrums in Quebec und schoss auf die Betenden. Bei dem Angriff gab es sechs Tote und 19 Verletzte.
Was trieb den Angreifer, der „Allahu Akbar“(„Gott ist groß“) gerufen haben sollen, zu dem Anschlag? War es ein radikaler Islamist, der das friedliche Zusammenleben gläubiger Muslime mit den Angehörigen anderer Religionen störte? Kämpfen selbst ernannte Gotteskrieger in Kanada gegen Mitglieder ihrer eigenen Glaubensgemeinschaft? Der Angreifer soll laut Medienberichten möglicherweise aus Marokko stammen.
So oder so dürfte die Tat rechten Gruppen wie Atalante Québec, La Meute und den Soldaten Odins, die anti-islamische Parolen verbreiten und Stimmung gegen Einwanderer machen, in die Karten spielen. Kanadas linksliberaler Premierminister Justin Trudeau, der noch vor Ende der polizeilichen Ermittlungen von einem Terrorakt spricht, bemüht sich um Schadensbegrenzung. Muslimische Kanadier seien in Kanada Teil des „nationalen Gewebes“, sagt er. „Vielfalt ist unsere Stärke.“
Angriffe von rechts
Immer wieder wird Kanada dafür gelobt, Flüchtlinge mit offenen Armen zu empfangen, religiöse Toleranz zu leben und Migranten vom ersten Tag an beim Übergang in ihren neuen Alltag zu begleiten. Von den 765 000 Einwohnern Québecs identifizieren sich rund 6700 als Muslime. Landesweit machen Muslime 3,2 Prozent der Bevölkerung aus und stellen damit nach Christen die größte Glaubensgemeinschaft. Trudeau, der seine Politik der offenen Tür mehrfach gegen Angriffe von rechts verteidigte, muss nun mit erneutem Widerstand rechnen.
Kommen könnte der auch von Donald Trump, der gleich in seiner ersten Woche als US-Präsident einen Einreisestopp gegen sieben mehrheitlich muslimische Länder verhängt hat. Trumps Rhetorik gegen Muslime aus dem Wahlkampf ist in Kanada in der Lautstärke noch nicht angekommen. Doch auch die Kanadier sind gespalten: In einer Umfrage aus Ontario gab 2016 nur ein Drittel der Befragten an, einen positiven Eindruck vom Islam zu haben. Mehr als die Hälfte der Befragten sprach von einem Gefühl, dass die islamische Lehre Gewalt fördere.
Neun Jahre waren die Konservativen unter Stephen Harper an der Macht, ehe Trudeau das Zepter übernahm. Harpers Wahlniederlage ging 2015 ein nach kanadischen Standards unschöner Wahlkampf voraus: Seine Partei setzte ein Burka-Verbot auf die Agenda. Der Appell an „kanadische Werte“war das letzte Aufbäumen eines Premiers, der mit Themen wie Einwanderungsreform, bewaffneten Einsätzen im Ausland und Skepsis gegenüber dem Klimawandel drei Wahlen in Folge gewonnen hatte.
Es ist zumindest möglich, dass bei den nächsten kanadischen Wahlen im Jahr 2019 ein strammerer HarperNachfolger nach dem Vorbild Donald Trumps antritt. (dpa)