Totschlag: 13 Jahre Gefängnis
Landgericht Ellwangen spricht Urteil im Rockerprozess.
- Die Schwurgerichtskammer am Ellwanger Landgericht hat den im Rockerprozess angeklagten Vizepräsidenten der Heidenheimer Black Jackets, Chapter Riverside, wegen Totschlags und versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Er habe, so Vorsitzender Richter Gerhard Ilg in der einstündigen Urteilsbegründung, den Vizepräsidenten der United Tribuns „kaltblütig und mit ruhigem Kalkül“abgeknallt und dessen Bruder schwer verletzt. Nur weil die Opfer die Situation selbst herbeigeführt hätten und daher nicht arglos gewesen seien, so Ilg, lautete das Urteil nicht auf Mord und versuchten Mord. Insofern folgte die Kammer der Beweisführung der Verteidigung. Die Anklage hatte lebenslänglich gefordert.
„Bewusst, gewollt und in direkter Tötungsabsicht“, so Ilg, habe der Angeklagte aus kurzer Entfernung geschossen. Die von Verteidigerin Anke Stiefel-Bechdolf zur Entlastung ihres Mandanten angeführte Notwehrsituation sei widerlegt. „Mein Mandant hatte Angst um Leib und Leben und stand mit dem Rücken zur Wand“, hatte sie in ihrem Plädoyer gesagt. Das sah das Gericht anders. Auch die Einlassung des Angeklagten, er habe eine Bewegung seines Gegenübers und „etwas Silbernes“gesehen, das dieser hervorzog, und dann geschossen, sei eine Schutzbehauptung. Der kontrollierte Rückzug vom Tatort und die Entsorgung des bis heute unauffindbaren Revolvers sprächen für überlegtes Handeln ohne Panik und gegen Notwehr. Die Opfer hätten keine Chance der Gegenwehr gehabt.
Es sei, wie Ilg ausführte, „ganz schön mutig“, sich angesichts dieses blutigen Geschehens darauf zu versteifen, man selbst sei Opfer und nicht Täter. In den Bereich der Spekulation verbannte das Gericht die Argumentation der Verteidigung, es müsse auf Seiten der Tribuns ebenfalls eine Schusswaffe gegeben haben: „Dass man sie nicht gefunden hat, heißt nicht, dass es sie nicht gab“, so Stiefel-Bechdolf in ihrem Plädoyer. „Krieg in Heidenheim, Schüsse am helllichten Tag“– die Zeugen seien völlig überfordert gewesen, der Tatort sei nicht sorgfältig gesichert, Tatzeugen nicht untersucht worden. Dem im Prozess immer wiederkehrenden Gerücht, ein szenekundiger Polizeibeamter hätte Konflikte zwischen den Rockergruppen geschürt, trat Ilg entschieden entgegen. Der Beamte habe vielmehr von weiteren Aktivitäten, die die Feindseligkeit angeheizt hätten, abgeraten.
Die Kammer folgte der Verteidigung auch in ihrer Überzeugung, der Angeklagte habe sich zunächst nicht auf die Auseinandersetzung einlassen wollen: „156 Kilo“, so Ilg im Hinblick auf die massige Figur des getöteten Rockers, „gegen 106 Kilo“des Angeklagten. Schon beim Faustkampf gegen den Tribuns-Präsidenten in einem Heidenheimer Autohaus war er wenige Wochen vor den tödlichen Schüssen unterlegen und musste mit einem Ansehensverlust rechnen, sobald das Video, das den Kampf aufzeichnete, ins Internet gelangte.
Eine Gewaltspirale
An dem von Zeugen aus der Szene immer wieder postulierten „Ehrenkodex“der Rocker, Streit mit einem fairen „Mann gegen Mann“-Kampf zu „klären“, hatte das Gericht erhebliche Zweifel. Diese seien in der sich immer schneller drehenden Gewaltspirale längst nicht mehr gültig gewesen: „Jeder musste mit allem rechnen“, so Gerhard Ilg.
Auffällig und fast erschreckend war nicht nur für das Gericht, dass der Angeklagte während der Verhandlung unbeteiligt wirkte und auch das Urteil zumindest äußerlich unbewegt entgegennahm. „Eine über das durchschnittliche Maß hinausgehende Gefühllosigkeit“, so Ilg. Der Angeklagte zeige weder Mitgefühl für die von ihm getöteten und schwer verletzten Menschen, noch leide er in irgendeiner Form an den Folgen seiner Tat.
Ilg dankte den Hundertschaften der Polizei für ihren „sehr guten“Job während der Verhandlung. Doch es bleibe ein bitterer Nachgeschmack. „Wo sind wir denn angelangt“, sagte er, dass man nur mit einem Riesenaufgebot an Sicherheitskräften den Prozess habe führen können. An die Adresse der im Saal anwesenden Mitglieder der Szene richtete er den Appell, ihre Regularien auf ihre Richtigkeit hin zu überdenken. Dazu gehöre auch, nicht mit der Polizei zu reden, „obwohl jemand totgeschossen wurde.“
Der Haftbefehl bleibt in Vollzug. Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden.