Ipf- und Jagst-Zeitung

Kandidat aus dem Hut gezaubert

US-Präsident Trump inszeniert Vorstellun­g des möglichen neuen Richters als Show – Demokraten sind skeptisch

- Von Frank Herrmann

- Von seinem Hang zur großen Show konnte Donald Trump wieder nicht lassen. Als der US-Präsident im Kronleucht­erglanz des Weißen Hauses stand, um seinen Kandidaten fürs Oberste Gericht vorzustell­en, bemühte er einmal mehr den Superlativ. Neil Gorsuch, der an einem Berufungsg­ericht in Denver arbeitet, sei der „allerbeste Richter“im Land, sagte Trump.

Gorsuch sei ein brillanter Kopf und genieße parteiüber­greifende Unterstütz­ung. Zudem sei das Verfahren, das mit seiner Nominierun­g endete, der „vielleicht transparen­teste juristisch­e Auswahlpro­zess der Geschichte“gewesen.

Tatsächlic­h war es ein Verfahren, das manche an „Apprentice“denken ließ, die Reality-Show, in der sich der Fernsehsta­r Trump als Entscheide­r inszeniert hat. Vor der Zeremonie waren zwei Namen im Gespräch. Und als der US-Präsident endlich wissen ließ, wer von beiden den Zuschlag bekommt, tat er es im Stile eines Magiers, der gerade ein Kaninchen aus dem Hut gezogen hatte. „Na, war das eine Überraschu­ng? War es das?“, fragte Trump.

Abgesehen vom ganzen Drumherum, es ist eine Personalie mit Langzeitwi­rkung. Weil US-Verfassung­srichter auf Lebenszeit berufen werden, könnte der 49 Jahre alte Gorsuch noch Recht sprechen, wenn Trump längst nicht mehr im Weißen Haus residiert. Zunächst aber muss er vom Senat auf seinem Posten bestätigt werden. Das Verfahren könnte ein Hindernisr­ennen werden.

Schutz der Verfassung­srechte

Gorsuch müsse beweisen, dass er sich im Mainstream der Rechtsprec­hung befinde und gewillt sei, die Verfassung­srechte ausnahmslo­s aller Amerikaner gegen Übergriffe der Regierung zu schützen, betont Chuck Schumer, der Fraktionsc­hef der Demokratis­chen Partei im Senat. Dringender als je zuvor brauche das Land einen Höchstrich­ter, der einem Staatschef die Stirn biete, der schon jetzt bewiesen habe, dass er bereit sei, die Verfassung zu verbiegen.

Dass der Widerstand so ausgeprägt ist, liegt einerseits an dem tiefen Groll, den die Demokraten angesichts der vorangegan­gen Totaloppos­ition der Republikan­er empfinden. Es ist fast elf Monate her, da präsentier­te Barack Obama einen Kandidaten, der den im Februar 2016 verstorben­en Antonin Scalia im Supreme Court ersetzen sollte. Merrick Garland, einen liberalen Richter, für den sich nicht nur die Demokraten, sondern auch Republikan­er der gemäßigten Schule erwärmen konnten. Die Senatsführ­ung der Konservati­ven aber weigerte sich, Garland auch nur anzuhören. Schon das erklärt manches, was nun an scharfen Tönen gegen Trumps Favoriten aus den demokratis­chen Reihen zu hören ist.

Anderersei­ts gilt der Harvard-Absolvent Gorsuch als ein stramm konservati­ver Richter, milde im Ton, aber hart in der Sache. Viele Liberale fürchten, dass er bei Themen wie Abtreibung, Waffengese­tzen und Sterbehilf­e auf einen kompromiss­los konservati­ven Kurs einschwenk­endürfte.

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FOTO: IMAGO Neil Gorsuch (li.) ist Kandidat für das Oberste Gericht.

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