Hetzer nutzen Tod eines Obdachlosen aus
Soziale Medien: Trauer und Bestürzung um den mutmaßlich erfrorenen 42-Jährigen – Eine Art Lager im „Hasennest“
- Die traurige Nachricht zum Tod eines Obdachlosen hat eine Welle der Bestürzung ausgelöst. In einer kalten Januarnacht in Aalen ist der 42-Jährige vermutlich erfroren, wie unsere Zeitung zu Beginn der Woche erfahren hatte. Rund 25 000 Facebook-Nutzer und Menschen aus der Region verfolgten innerhalb kürzester Zeit die Berichterstattung der „Aalener Nachrichten“in den sozialen Medien. Viele von ihnen drückten ihre Trauer aus. Andere reagierten jedoch entrüstet und wütend, dass in unserem Land heutzutage jemand erfrieren kann und durch das etablierte Netz aus Caritas, Wohnungslosenund Sozialhilfe sowie kommunalen Angeboten fallen könne.
Aus dem sozialen Netz kommen aber auch verteidigende Worte: „Wer sich in Deutschland nicht helfen lässt, hat es so gewählt. Bevor ihr jetzt wieder lospoltert, solltet ihr euch erkundigen. Es gibt in Aalen sowie in Gmünd extra Anlaufstellen für Wohnungslose. Dort stehen Sozialarbeiter bereit, um Anträge für Gelder auszufüllen, die jedem bedürftigen Bürger in unserem Land zustehen“, antwortet Bärbel A. den anderen Nutzern auf der Facebookseite unserer Zeitung.
Ein Großteil der aufgebrachten Kommentatoren nutzt den Tod des Obdachlosen aus, um ohne Umschweife auf die Landeserstaufnahmestelle loszugehen und unverhohlen gegen Flüchtlinge zu hetzen. „Was seid ihr nur alle für traurige Individuen, die völlig ohne Hintergrundwissen den Tod eines Menschen ausnutzen, um gegen andere zu hetzen. Bestimmt hätte der arme obdachlose Mann bei jedem von euch klingeln können und wäre mit offenen Armen empfangen worden“, zeigt sich Nikolas S. erschrocken. Das Wort „Doppelmoral“fällt häufig in den hitzigen, teils seitenlangen Diskussionen. Denn nur die wenigsten, die aktuell die schwere KritikKeule schwingen, würden in ihrem Alltag Wohnungslose in unserer Region unterstützen.
„Ruhe in Frieden, Unbekannter“
Doch es geht auch ohne Hetze, zeigt Conny L. „Das zu lesen, ist einfach so etwas von traurig. Entsetzlich –und das in der heutigen Zeit. Ruhe in Frieden lieber Unbekannter. Ich hoffe du bist an einem schöneren und friedlichen Ort.“Doch vereinzelt bleibt auch sachliche Kritik wie von Manuela V. hängen: „Naja, soviel zu dem Thema, dass in Deutschland keiner unter der Brücke schlafen muss!“
Der tot aufgefundene Obdachlose sei zu Lebzeiten polizeilich bekannt gewesen als jemand, der auf der Straße lebt, sagt Polizeisprecher Bernhard Kohn den „Aalener Nachrichten“auf eine weitere Anfrage. Der Polizei lägen auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass er behördlich in eine Unterkunft für Obdachlose eingewiesen war. Im Aalener Gebiet „Hasennest“, wo sich unter anderem die Stadtwerke, ein Baumarkt und ein Einkaufscenter befinden und wo er am 25. Januar tot aufgefunden worden war, habe er sich offenbar, so Kohn weiter, abseits der Augen der Öffentlichkeit an einer uneinsehbaren Stelle eine Art Lager eingerichtet, in dem er sich wohl bereits seit einiger Zeit aufgehalten habe. Und wo er sich möglicherweise auch vor den Unbilden der Witterung sicher gefühlt habe, wie der Polizeisprecher meint.
Kohn verweist aber auch darauf, dass die letztendliche Todesursache nicht eindeutig feststehe und auch nicht mehr ermittelt werde, weil keinerlei Hinweise auf ein Fremdverschulden am Tod des Mannes vorlägen. Was bedeute, dass nicht sicher sei, dass der Obdachlose erfroren sei. Er könnte auch aufgrund seiner Lebensumstände und seiner körperlichen Konstitution gestorben sein. Rein nach Augenschein beim Auffinden seiner Leiche habe er sich jedenfalls in einem Zustand befunden, „der keineswegs als gesund bezeichnet werden kann“, wie es Kohn formuliert.
Hausverbot bei der Caritas
Der Leiter der Aalener Caritas-Obdachlosenhilfe, Wolfgang Lohner, erklärt auf eine weitere Nachfrage, der Mann sei einem Mitarbeiter von ihm doch bekannt gewesen und habe in der Caritas-Unterkunft in der Braunenstraße Hausverbot gehabt, weil er in der Vergangenheit mehrfach gegen die Hausordnung verstoßen habe. Ein Hausverbot werde dann ausgesprochen, wenn jemand wiederholt zum Beispiel tätlich werde, randaliere oder gegen das Verbot des Konsums von Alkohol und Drogen im Haus verstoße. Vor jedem Hausverbot gebe es aber mindestens einmal die „gelbe Karte“.