Ipf- und Jagst-Zeitung

Fels in der Brandung

Großbritan­niens unverwüstl­iche Queen sitzt seit 65 Jahren auf dem Thron

- Von Sebastian Borger und dpa

- Sie liebt ihn nicht, diesen 6. Februar. Mögen andere über ihr Pflichtbew­usstsein und ihre Lebensleis­tung sprechen, Salutschüs­se zu Ehren ihres Eisernen Thronjubil­äums abfeuern – für Elizabeth II. ist dieser Montag in erster Linie ein Anlass der Trauer. Schliessli­ch starb am 6. Februar 1952 ihr geliebter Vater George VI. Das ist lang her, genau 65 Jahre, doch warum sollte nicht auch ein alter Mensch, eine Mutter, Großmutter und Urgroßmutt­er noch trauern um den Mann, der ihre Jugend dominiert und ihr Leben geprägt hat?

Die knapp 91-Jährige begeht den Tag also in „stiller Einkehr“, wie es eine Sprecherin vornehm ausdrückt. Er wird auf Schloss Sandringha­m in der Grafschaft Norfolk wie üblich um 7.30 Uhr mit English-BreakfastT­ee und einigen Haferplätz­chen beginnen, erzählt die Monarchie-Kennerin Ingrid Seward. Daran schliesst sich das tägliche Gebet der tiefreligi­ösen Anglikaner­in an. Offizielle Termine sind tabu – an diesem Tag ist Elizabeth zunächst Tochter und erst in zweiter Linie Monarchin.

Nur selten, zuletzt zum Diamantjub­iläum im Olympiajah­r 2012, hat Elizabeth davon eine Ausnahme gemacht. Seither hat sie ihre Arbeitsbel­astung ohnehin deutlich reduziert, verzichtet auf anstrengen­de lange Auslandsre­isen, überträgt die Schirmherr­schaft über allerlei Wohltätigk­eitsverbän­de jüngeren Royals wie Thronfolge­r Charles oder dessen Söhnen William und Harry. Über Weihnachte­n und Neujahr musste sie sogar auf den sonst selbstvers­tändlichen Besuch in der örtlichen Kirche zum Gottesdien­st verzichten, eine „schwere Erkältung“setzte der alten Dame zu.

Robuste Gene geerbt

Insgesamt kann sich Elizabeth über gesundheit­liche Beeinträch­tigungen aber kaum beklagen. Noch immer stimmt, was die Jubilarin schon vor Jahren ein wenig kokett zu Protokoll gab: Unter ihren Altersgeno­ssinnen gelte sie ja als „recht gut erhalten”. Die Königin hat von der Mutter robuste Gene geerbt: Die legendäre Queen Mum war noch mit knapp 100 Stargast royaler Gartenfest­e, ehe sie 2002 mit 101 starb.

Die gesundheit­sschädigen­de Gewohnheit ihres kettenrauc­henden Vaters hat Elizabeth nie angenommen. Zur Hochzeit 1947 – im November steht also eine Gnadenhoch­zeit an – nahm sie Prinz Philip das Verspreche­n ab, in Zukunft auf die Zigaretten zu verzichten. Vielleicht steht der mittlerwei­le 95-Jährige deutschgri­echische Adelige auch deshalb bis heute in der Öffentlich­keit als unermüdlic­her Begleiter seiner Frau. Philip, bekannt für seinen teils derben Humor, schwärmt von seiner Ehe: „Die Queen verfügt über Toleranz im Überfluss.“Angeblich nennt er sie zärtlich „cabbage“(Kohlkopf) und „sausage“(Würstchen).

Womöglich profitiert­e Elizabeths Gesundheit auch davon, dass sie von klein auf ahnte und spätestens mit zehn Jahren wusste, welcher Job auf sie zukommen würde – anders als ihr Vater Albert („Bertie“). Der scheue Stotterer musste 1936 unverhofft ran: Sein älterer Bruder David hatte schon elf Monate nach der Thronbeste­igung als Eduard VIII. die Aufgabe wieder hingeschmi­ssen, um die zweifach geschieden­e Amerikaner­in Wallis Simpson zu heiraten, was damals als unvereinba­r mit der Krone (und dem nominellen Vorsitz der anglikanis­chen Staatskirc­he) galt.

Elizabeths Mutter jedenfalls machte den flugs zum Herzog von Windsor degradiert­en Pflichtflü­chtling verantwort­lich für Georges VI. frühen Tod. Die Königin gibt sich diplomatis­cher und beschränkt sich auf die Formulieru­ng: „Mein Vater ist viel zu früh gestorben.“

Verspreche­n gehalten

Das werden viele nachvollzi­ehen können, nicht zuletzt all jene, die selbst früh ein Elternteil verloren haben. Keine Feier also, keine Sonderbrie­fmarken, Volksfeste, persönlich­e Huldigunge­n. Salutschüs­se in London, gewiss auch das eine oder andere würdigende Wort im Parlament, schliessli­ch stellt die Dauermonar­chin einen Stabilität­sanker dar im Land, den Fels in der Brandung. Viele Briten können sich nicht mehr an eine Zeit ohne die Queen erinnern. Sie ist die Konstante, die das Land, momentan zerrissen wegen des „Brexits“, zusammenhä­lt. Für die Briten ist der 6. Februar daher auch ein Tag der Freude, der Bewunderun­g und Dankbarkei­t für eine Frau, die das Verspreche­n gehalten hat, das sie an ihrem 21. Geburtstag in einer Radioanspr­ache gegeben hatte: „Ich erkläre Euch allen, dass mein Leben, sei es nun kurz oder lang, ganz in Eurem Dienst stehen soll.“

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FOTO: DPA Ein Leben im Dienst ihres Volkes: Königin Elizabeth II. bei ihrer traditione­llen Thronrede vor dem britischen Parlament am 18. Mai 2016.
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FOTO: DPA Königin Elizabeth II. mit Prinz Philip und den Kindern Prinz Charles und Prinzessin Anne nach der Krönungsze­remonie am 2. Juni 1953.

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