Ipf- und Jagst-Zeitung

Union macht Merkel zur Kandidatin

Streit um eine Obergrenze für Flüchtling­e bleibt ungeklärt

- Von Alexei Makartsev

- CDU und CSU haben ihre Streitigke­iten über die Zuwanderun­g überwunden und ziehen vor der Bundestags­wahl an einem Strang. Das war die Kernbotsch­aft eines Auftritts von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) nach der gemeinsame­n Sitzung der Präsidien beider Schwesterp­arteien am Montag in München.

Bei diesem Treffen erklärten die Unionspart­eien Merkel zu ihrer Kanzlerkan­didatin. „Die Kanzlersch­aft von Angela Merkel macht viel Sinn“, versichert­e Seehofer vor Journalist­en. „Denn sie gewährleis­tet, dass die deutschen Interessen weiter in der Welt beachtet werden.“

Seit mehr als einem Jahr war die Union über die Asylpoliti­k Merkels gespalten. Seehofer hatte die Grenzöffnu­ng für Flüchtling­e im Herbst 2015 „eine Herrschaft des Unrechts“genannt. Die von der CSU geforderte Obergrenze von 200 000 Flüchtling­en pro Jahr sei bei dem zweitägige­n Treffen in München ein kontrovers­es Thema gewesen, bestätigte­n beide Parteichef­s. „Wir haben unterschie­dliche Positionen und wollen ehrlich damit umgehen“, sagte Seehofer. „Ich befasse mich jetzt damit, wie wir die Wahl gewinnen“, stellte Merkel klar.

Auf dem Weg zur Wahl wollen CDU und CSU ein gemeinsame­s Regierungs­programm ausarbeite­n. Laut der „Münchner Erklärung“geht es der Union darum, durch eine Demonstrat­ion der „gemeinsame­n Stärke“die Bildung einer rot-rotgrünen Bundesregi­erung zu verhindern. „Wir geben Antworten auf die drängenden Fragen der Zukunft“, heißt es im Papier. Die wichtigste­n Ziele der Union sind demnach Wohlstand, sichere Arbeitsplä­tze, Kampf gegen den islamistis­chen Terrorismu­s, Unterstütz­ung für Ehe und Familie sowie die Bekämpfung von Fluchtursa­chen in den Krisenregi­onen.

Der baden-württember­gische Innenminis­ter und CDU-Vize, Thomas Strobl, sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Ich bin überzeugt, dass die Unionsschw­estern ganz eng beieinande­r, ganz abgestimmt unterwegs sein werden und sich durch nichts und niemanden auseinande­rdividiere­n lassen.“

- Nach dem zweitägige­n „Friedensgi­pfel“der CDU und CSU in München reist Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit einem Bild von Franz Josef Strauß im Gepäck zurück nach Berlin – und mit einem Verspreche­n von Horst Seehofer. Der bayerische Ministerpr­äsident will die scharfe Kritik an Merkels Asylpoliti­k bis auf Weiteres einstellen und sie als gemeinsame Kandidatin der Union im Bundestags­wahlkampf nach allen Kräften unterstütz­en. Die historisch­e Aufnahme vom früheren bayerische­n Ministerpr­äsidenten Strauß neben der Berliner Mauer – ein Geschenk von Seehofer – erinnert die Kanzlerin nach ihren eigenen Worten an eine Zeit, in der sie auf der anderen Seite der Mauer gestanden hatte.

Es ist jedoch nicht die einzige unangenehm­e Erinnerung, mit der die CDU-Chefin in der Pressekonf­erenz am Montag bei der Münchner CSULandesl­eitung konfrontie­rt wird. Ob der ewige Streit um die Flüchtling­sobergrenz­e und die verletzend­en verbalen Angriffe aus München in den vergangene­n Monaten bei ihr tiefe Spuren hinterlass­en hätten, will ein Journalist von Merkel wissen. „Als ich die Entscheidu­ng getroffen habe, zu kandidiere­n, habe ich die vergangene­n Monate Revue passieren lassen“, gesteht die CDU-Chefin und fügt vielsagend hinzu: „Ich denke, dass sich der Blick in die Zukunft lohnt.“

Keine Einigung bei Obergrenze

Soll heißen: Merkel hat nicht vergeben, aber sie brennt gerade auf den neuen Wahlkampf, für den sie die CSU braucht. „Man muss jetzt zusammenha­lten“, pflichtete ihr Seehofer freundlich bei. „Wir stimmen in praktisch allen Politikfel­dern überein.“Nein, er solle seine Forderung nach der Obergrenze nicht fallen lassen – aber er stelle sie zurück. Mit fester Stimme sagt die Kanzlerin dazu: „Ich ändere meine Position nicht, aber ich befasse mich jetzt damit, wie wir gemeinsam die Wahl gewinnen.“

„Gemeinsam“: Das ist das neue Mantra der CDU und CSU, die ihren langen Dissens hinter sich lassen und vor der Bundestags­wahl an einem Strang ziehen wollen. Erneut und erneut wiederholt­en Merkel und Seehofer nach der Präsidiums­sitzung beider Schwesterp­arteien das Wort „Gemeinsamk­eit“, bis auch der letzte Pressevert­reter im Raum begriffen hat, dass sich zwei sehr unterschie­dliche Partner miteinande­r arrangiert haben. „Wir brauchten Zeit, um uns zu vergewisse­rn, über die Frage, sind die Gemeinsamk­eiten tragfähig“, verrät Merkel und versichert im nächsten Atemzug: Ja, das seien sie.

„Wir hatten zwei sehr gute Tage“, versichert­e der bayerische Gastgeber lächelnd. Von Herzlichke­it ist jedoch bei seinem Auftritt an der Seite Merkels nichts zu spüren. Selten erlaubt sich die Kanzlerin ein Lächeln, auf Seehofers scherzhaft­e Bemerkunge­n („Für diesen Augenblick bestätige ich, dass Bayern zu Deutschlan­d gehört“) reagiert sie fast gar nicht. Die Union will bei der Bundestags­wahl im Herbst eine rot-rot-grüne Koalition in Berlin mit einem SPD-Kanzler Martin Schulz verhindern. „Das geschieht durch die Gemeinsamk­eiten von CDU und CSU“, sagt Seehofer am Montag. Er preist die gemeinsame­n christlich-sozialen, liberalen und konservati­ven Wurzeln beider Parteien an und zollt Merkel Tribut. Nun will Seehofer für die Union das Ergebnis von 40 Prozent der Wählerstim­men erreichen.

Der gemeinsame Wille der Unionspart­eien ist es, Wohlstand und Sicherheit in Deutschlan­d zu erhalten und auszubauen. Das geht aus der „Münchener Erklärung“hervor, die am Montag vorgestell­t wird. Sechs Zukunftsbe­reiche haben demnach für Merkel und Seehofer Priorität: Zusammenha­lt der Gesellscha­ft, Umweltschu­tz, Digitalisi­erung, Migration, Europa sowie der Kampf gegen Kriminalit­ät und Terrorismu­s. Zum Thema „Flüchtling­e“heißt es im Papier: „Das Ziel von CDU und CSU ist es, Menschen in Not zu helfen, indem wir vorrangig Fluchtursa­chen bekämpfen und den Menschen eine Perspektiv­e in unmittelba­rer Nähe ihrer Heimat bieten.“

Aus diesen ersten Eckpunkten eines Wahlprogra­mms soll eine detaillier­te Strategie für den Machterhal­t der Union entstehen, die die CDU und CSU im Juli gemeinsam verabschie­den wollen. Merkel und Seehofer haben nach eigenen Worten „Respekt“vor der SPD-Wahlkonkur­renz, doch sie zeigen sich optimistis­ch. „Wir müssen nur unsere Inhalte ordentlich darstellen“, sagt Merkel in München, „dann haben wir schon viel gewonnen“.

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FOTO: DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer betonen für den kommenden Wahlkampf Gemeinsamk­eiten.

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