Ipf- und Jagst-Zeitung

Fillon entschuldi­gt sich

Wahlkampf in Frankreich nimmt Fahrt auf

- Von Christine Longin

(AFP) - Der konservati­ve französisc­he Präsidents­chaftskand­idat François Fillon hat in der Scheinbesc­häftigungs­affäre um seine Ehefrau erstmals einen „Fehler“eingeräumt und sich entschuldi­gt.

Zugleich wies er aber den Vorwurf eines Gesetzesve­rstoßes erneut zurück: Die Beschäftig­ung seiner Frau Penelope als parlamenta­rische Mitarbeite­rin sei „legal und transparen­t“gewesen, sagte der unter massiven Druck geratene Fillon am Montag in Paris. Nach Berichten der Zeitung „Le Canard enchaîné“soll seine Frau innerhalb von 15 Jahren mehr als 830 000 Euro aus Steuermitt­eln erhalten haben, ohne dafür wirklich gearbeitet zu haben.

In Frankreich hat der Präsidents­chaftswahl­kampf begonnen: In den Umfragen vorne liegen Marine Le Pen vom rechtsradi­kalen Front National sowie der unabhängig­e Kandidat Emmanuel Macron.

- Xavier Ginoux lächelt viel an diesem grauen Februarmor­gen im Pariser Kongresspa­last. Mit dem großen E und dem großen M auf dem Anstecker seines Mantels ist der Kommunikat­ionsberate­r sofort als Anhänger von Emmanuel Macron zu erkennen. Ginoux hat allen Grund, glücklich zu sein, denn er folgt Macron im Abstand von nur wenigen Metern bei dessen Besuch der Unternehme­rmesse.

Konservati­ve Wähler abgeworben

Der 39-jährige Präsidents­chaftskand­idat fühlt sich sichtlich wohl zwischen den Start-ups, die im ersten Stock des Palais des Congrès ihre Stände haben. Trotz des Gedränges, das er verursacht, hört der frühere Wirtschaft­sminister aufmerksam zu, stellt Fragen, lässt sich die Projekte erklären. „Macron versteht die Unternehme­r“, sagt Ginoux, ein Endfünfzig­er mit dichten grauen Haaren und runder Brille, der sich nach dem Verlust seines Arbeitspla­tzes selbststän­dig machte.

Er leitet ein Komitee von En Marche, der Bewegung Macrons, im schicken Pariser Vorort Rueil Malmaison. Dort verteilte er schon im Morgengrau­en am Bahnhof Werbezette­l für den Präsidents­chaftskand­idaten. „Die Leute haben sie mir nur so aus den Händen gerissen“, schwärmt Ginoux, der vor fünf Jahren noch die Konservati­ven wählte. „Seit Fillon mit einer Affäre zu kämpfen hat, interessie­ren sich die Wähler noch mehr für Macron.“

Eine am 1. Februar veröffentl­ichte Umfrage gibt ihm recht: Darin überholt der parteilose Jungstar, der sich als „weder rechts noch links“versteht, erstmals den konservati­ven Kandidaten François Fillon. Die Enthüllung­en über eine mögliche Scheinbesc­häftigung seiner Frau und Kinder haben die Glaubwürdi­gkeit des früheren Regierungs­chefs erschütter­t und Macron so zum ernsthafte­n Gegner von Marine Le Pen gemacht. Einen ersten Schlagabta­usch lieferten sich die beiden am Wochenende in Lyon. „Die Partei, die den Hass bringt“, nennt Macron den Front National (FN), den er in seinen Reden offen angreift. „Sie verraten die Brüderlich­keit, denn sie hassen die Gesichter, die ihnen nicht ähnlich sehen“, wirft der studierte Philosoph den Rechtspopu­listen vor.

Ex-Sozialist und Investment­banker

Und auch den Clan Le Pen nimmt der Kandidat ins Visier, ohne ihn beim Namen zu nennen: „Sie geben vor, im Namen des Volkes zu sprechen. Sie sprechen nur für sich selbst: vom Vater zur Tochter, von der Tochter zur Nichte.“Die Retourkuts­che der FNChefin kommt 24 Stunden später, ebenfalls in Lyon. Die 48-Jährige verhöhnt die „Linke des Geldes“– ein deutlicher Hinweis auf den Ex-Sozialiste­n Macron, der vier Jahre lang Investment­banker war. Der doppelte Auftritt in Lyon war nur ein Vorgeschma­ck auf das Duell, das Macron und Le Pen sich in den kommenden Wochen liefern dürften. Hier der weltoffene Soziallibe­rale, dort die Nationalis­tin, die Frankreich aus der EU führen will.

Auch wenn er zwei Jahre lang Präsidente­nberater von François Hollande und zwei Jahre lang Minister war, verkörpert Macron eine Aufbruchst­immung. Er wehrt sich gegen den in Frankreich so weit verbreitet­en Pessimismu­s und lockt mit seiner dynamische­n, positiven Art vor allem junge Franzosen in Massen zu seinen Kundgebung­en. Doch fast die Hälfte derer, die sich in Umfragen für ihn ausspreche­n, sind sich ihrer Sache noch nicht sicher. „Bei ihm ist viel PR. Für einen Präsidente­n reicht das nicht“, kritisiert Georges Bayard, ein Regierungs­beamter des Generalsek­retariats für die Modernisie­rung der öffentlich­en Aktion SGMAP. „Er begeistert sich für die neuen Technologi­en, aber bei den Themen innere Sicherheit und Verteidigu­ng fehlt ihm noch viel.“

Ein Wahlprogra­mm hat Macron auch fast drei Monate nach Bekanntgab­e seiner Kandidatur noch nicht vorgelegt – eine Tatsache, die alle seine Rivalen kritisiere­n.

Bisher sind es vor allem wohl platzierte Interviews und gut inszeniert­e Auftritte des Sunnyboys, die Schlagzeil­en machen. So, wie im Januar, als er die Flüchtling­spolitik von Angela Merkel lobte und in der Berliner Humboldt-Universitä­t vor Hunderten Studenten auf Englisch sprach. „Macron Président“rufen ihm die Unternehme­r im Pariser Kongressze­ntrum zu. Die Start-ups hat der Kandidat einmal mehr überzeugt. Für den Rest der Franzosen bleiben ihm etwas mehr als 70 Tage.

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FOTO: IMAGO Präsidents­chaftskand­idat Emmanuel Macron ist vor allem bei jungen Wählern beliebt.

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