Schmidt verdammt Hendricks-Aktion
Landwirtschaftsminister Schmidt (CSU) über die Plakate von Umweltministerin Hendricks
(dpa/ben) - Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hält an ihrer Bauernregelnkampagne für eine umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft fest. Man werde die Aktion nicht beenden, so ein Sprecher. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) verdammt die Aktion allerdings aufs Schärfste: „Indem man diejenigen, die es tatsächlich betrifft, durch den Kakao zieht, wird nichts besser“, sagte Schmidt im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“.
- Bauernregeln sind eigentlich nichts, worüber man sich im politischen Berlin allzu sehr erregt. Erstens gibt es den Deutschen Wetterdienst, zweitens wächst zwischen Bundestag und Kanzleramt kein Getreide. Doch dann kam Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). „Steh’n im Stall zu viele Kühe, macht die Gülle mächtig Mühe“, dichtet ihr Umweltministerium, oder: „Ohne Blumen auf der Wiese geht’s der Biene richtig miese.“Oder auch: „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“Albern? Schlecht gereimt? Ansichtssache. Für Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) und den Deutschen Bauernverband sind die Sprüchlein aber eine Provokation. Tobias Schmidt hat sich mit Schmidt über die Dichterin im Umweltministerium unterhalten.
Barbara Hendricks will mir ihren „Bauernregeln“die Bürger zum Nachdenken über die Zukunft der Landwirtschaft anregen. Was ist daran verwerflich?
Ich kann nicht erkennen, wie diese Kampagne ein Sachbeitrag zur Zukunft der Landwirtschaft sein soll. Indem man diejenigen, die es tatsächlich betrifft, durch den Kakao zieht, wird nichts besser. Ich kann verstehen, dass viele Menschen auf dem Land sich durch diese Sprüche auf den Schlips getreten fühlen. Im Grunde bedient Frau Hendricks hier das alte Klischee einer zurückgebliebenen Landbevölkerung, die grobschlächtig mit Tieren und Natur umgeht. Dieses Bild ist grober Unfug.
Die Reime machen auf die Probleme von Massentierhaltung und Monokulturen aufmerksam. Ist eine nachhaltigere, grünere Landwirtschaftspolitik nicht auch Ihr Anliegen?
Mein Einsatz für eine zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft steht außer Frage. Wir können aber bitte nicht so tun, als wäre die Landwirtschaft ein einziger Schadensfall. Auch jeder Klimaretter braucht am Ende des Tages etwas zu Essen. Deshalb ist und bleibt die Nahrungsmittelversorgung die Kernaufgabe der Landwirtschaft. Wenn ich etwas bewegen will, muss ich mich aktiv mit den Landwirten auseinandersetzen. Mein Weg sorgt vielleicht für weniger Schlagzeilen, bringt uns in der Sache aber weiter voran, wie beispielsweise bei der erfolgreichen Antibiotikareduzierung oder meinem staatlichen Tierwohllabel.
Sie haben einen Stopp der Kampagne verlangt. Die Umweltministerin ist dazu nicht bereit. Erwarten Sie ein Machtwort der Kanzlerin?
Für mich ist nicht entscheidend, ob diese Nummer bei städtischen Meinungseliten in Berlin als pfiffige Idee wirkt, sondern ob sie die Angesprochenen verletzt. Und genau das ist hier passiert. Ich erwarte, dass man sich vorher Gedanken über Kampagnen macht. Die breite Kritik, auch aus den eigenen Reihen, wie von Niedersachsens Ministerpräsident Weil, sollte zu denken geben. Was helfen teure Plakate mit Schüttelreimen am Flughafen Berlin-Tegel Natur, Umwelt, Tieren und Bauern? Wenn man wirklich einen Beitrag leisten will, dann muss man deutlich machen, dass die gesellschaftlich geforderten immer höheren Ansprüche an die Landwirtschaft auch von uns Verbrauchern bezahlt werden müssen.
Der Eindruck entsteht, Ministerin Hendricks treibe Sie in Sachen Agrar-Reform vor sich her. Was entgegnen Sie?
Ich habe vielmehr den Eindruck, dass die Landwirtschaft dauernd zum Sündenbock gemacht wird, weil auf anderen Feldern wenig vorangeht. Auch das Umweltministerium kann die Augen nicht vor der Realität verschließen: Wir beginnen nicht auf einem weißen Blatt Papier. Jede Entwicklung muss im laufenden Betrieb erfolgen. Die Landwirtschaft lässt sich nicht für ein paar Monate anhalten und umbauen wie ein Fließband. Bei jeder Entscheidung mache ich mir auch Gedanken um die rund viereinhalb Millionen Arbeitsplätze im Agrarsektor. Die Landwirtschaft ist damit der Wirtschaftsmotor und das soziale Rückgrat der ländlichen Räume.
Wie kann den Bauern geholfen werden, wieder mehr Akzeptanz für die Landwirtschaft in Deutschland zu erreichen?
Als Gesellschaft sollten wir mit Respekt die Leistungen der Landwirtschaft anerkennen und als Politik den Entwicklungsprozess weiter unterstützen. Dazu gehört auch, dass wir mehr für die Bildung und das Wissen über Landwirtschaft bei der Stadtbevölkerung tun. Und vor allem müssen wir aufhören, als Oberlehrer aus Berlin-Mitte mit dem erhobenen Zeigefinger die Bauern zu tadeln. Die Landwirtschaft gehört in die Mitte der Gesellschaft – dafür kämpfe ich und zwar im Dialog mit Allen.