Drohnen In Kaufbeuren werden die Risiken der Fluggeräte gezeigt.
Expertentagung in Kaufbeuren beschäftigt sich mit den Gefahren durch zivile Mini-Fluggeräte
- Harter Aufprall für die kleine Drohne: Das zivile MiniFluggerät schlägt geradewegs neben der Start- und Landebahn des Fliegerhorstes Kaufbeuren auf – natürlich nicht grundlos. Hinter dem Absturz steckt ein Apparat, der wie ein übergroßes Megafon aussieht. Er sendet elektromagnetische Wellen durch den trüben Wintertag. Sie sollen gezielt die Drohne treffen. Alles, was Elektronik beinhaltet, funktioniert dann nicht mehr. Wie zu sehen war, hat die Freiluft-Demonstration während einer Drohnen-Tagung geklappt. Einschränkend muss gesagt werden: aber nur knapp! Bis auf 25 Meter hatte sich das surrende Fluggerät der Elektromagnet-Kanone genähert. Für eine mögliche Abwehr ist die Drohne verflixt nahe herangekommen. „Mit mehr Tempo wäre sie durchgebrochen“, sagt ein Experte für solche Technologien, der zuschaut. „Da ist noch Luft nach oben.“
Die Demonstration auf dem Ostallgäuer Flugfeld zeigt damit eine Art neuen Rüstungswettbewerb. Dies klingt zwar hart, es geht aber darum, dass Drohnen für jedermann immer besser werden. Sicherheitskräfte befürchten längst den Griff diverser Schurken nach dieser Technik. Die heimliche Luftüberwachung der sonnenbadenden Nachbarin per Drohne mit Kamera klingt bei den möglichen Szenarien noch harmlos. Anders dagegen folgende Vorstellung: So kann ein etwa 500 Euro teures, modernes Gerät über eine Distanz von zwei, drei Kilometern bis zu zwei Kilogramm Last tragen. Besteht sie aus Sprengstoff, ist dies beispielsweise für den Massenmord in einem voll besetzten Stadion mehr als genug. Solche Szenarien sind der Grund, weshalb eilends an einer zunehmend hochgerüsteten Abwehr gearbeitet wird. Und genau wegen dieses Themas sind am Montag 120 Fachleute zum Tagen ins Kaufbeurer Offizierskasino gekommen: Militärs, Polizisten sowie Vertreter von Unternehmen, die sich mit DrohnenAbwehrtechniken beschäftigen. Dass dies ausgerechnet auf dem örtlichen Fliegerhorst geschieht, ist kein Zufall. Der Luftwaffen-Standort soll bis 2022 aufgegeben werden. Die regionale Politik sucht deshalb nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für das riesige Gelände. So wird eventuell die komplette Ausbildung der deutschen Flugsicherung nach Kaufbeuren verlagert. In diesem Zusammenhang liebäugelt Oberbürgermeister Stefan Bosse mit der Idee, die geplante Ausbildung für den Umgang mit Drohnen auch auf den Fliegerhorst zu holen.
Israel ist führend
Den Anspruch, das Thema losgetreten zu haben, proklamiert Bernhard Pohl für sich, ein weiterer örtlicher Politiker, der für die Freien Wähler im Bayerischen Landtag sitzt. Wie er erzählt, sei es ihm während einer parlamentarischen Israelreise auch gelungen, Kontakte zu dortigen Experten herzustellen. Dies hat einen besonderen Charme: Auf dem Gebiet der Drohnen-Technik sind die Israelis seit Langem weltweit führend. Schon Ende der 1990er-Jahre hatten sie zur Überwachung der Palästinensergebiete sowie der seinerzeit noch besetzten Zone im Südlibanon Militärdrohnen eingesetzt. Sobald die Technik es zuließ, wurden sie auch bewaffnet. Mit der fortschreitenden zivilen Entwicklung entdeckten jedoch auch palästinensische Terrorgruppen und die libanesische Hisbollah jene Möglichkeiten, die sich ihnen durch Drohnen erschlossen. Zivil bedeutet in diesem Fall: billig und leicht verfügbar. Israels Sicherheitskräfte mussten sich gegen diese neue Bedrohung rüsten. „Zur Abwehr brauchen wir einen Mix aus verschiedenen Verfahren“, erklärt Michael Azarzar von der Firma Sdema. „Ist die Drohne noch etwa 500 Meter vom Zielobjekt entfernt, haben wir gerade mal eine Reaktionszeit von 30 Sekunden.“
Azarzar beschreibt ein israelisches Standardvorgehen. Es beinhaltet der Reihe nach Geheimdienstarbeit, Beobachten des Objektumfeldes, Ortung, Einsatz von Störsendern und elektromagnetischen Wellen. „Am besten“, sagt er, „ist das Aufspüren des Drohnenpiloten, bevor sein Gerät überhaupt gestartet ist.“Womöglich verrate er sich über Facebook. Ansonsten sei der Standort des Piloten zu orten, sobald er die Fernbedienung aktiviere.
Für Menschen, die zivile Drohnen immer noch eher für Kinderspielzeug halten, mag sich dies überzogen anhören. Eine Reihe von Zwischenfällen aus jüngerer bundesdeutscher Vergangenheit zeigt aber die Risiken auf. Erst vor rund zehn Tagen ist eine Drohne auf eine Autobahn bei München gestürzt und verursachte einen Autounfall. Der Olympiaturm der bayerischen Hauptstadt wurde auch von einem solchen Gerät gerammt. Vor zwei Wochen konnte in einem Ruhrgebietsstadion ein Bundesligaspiel wegen eines Drohnenanflugs erst verspätet beginnen.
Dass die Gefahren nicht kleiner werden, zeigt die Entwicklung des zivilen Drohnenmarkts. Im Kaufbeurer Offizierskasino skizziert sie Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium: „In Deutschland steigt das Marktvolumen von gegenwärtig einer halben Milliarde Euro in den nächsten Jahren auf zwölf oder 13 Milliarden Euro.“Thomas Hampel, Inspekteur der bayerischen Polizei, fasst dies in Zahlen der verkauften zivilen Drohnen. So seien vergangenes Jahr rund 400 000 Stück über den Ladentisch gegangen. Für 2020 rechnet er mit 1,2 Millionen verkauften Drohnen. Nebenbei präsentiert Hampel noch Zahlen aus dem freistaatlichen Polizeireport: „In den ersten zehn Monaten 2016 haben wir 61 Fälle einer Behinderung des Flugverkehrs durch Drohnen gehabt. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es nur zwölf solcher Fälle gewesen.“Angesichts solcher Entwicklungen hat sich die Bundespolitik in Zugzwang gesehen. Die Flugobjekte fallen in den Bereich des Verkehrsministeriums. Alexander Dobrindt musste reagieren. Am 18. Januar kam die Drohnen-Verordnung des CSUPolitikers heraus. Sie setzt der Nutzung einen Rahmen (siehe Kasten).
Vielfacher Einsatz
Drohnen können jedoch ebenso nutzbringend eingesetzt werden – etwa für den Transport. Der Internet-Händler Amazon testet das Zustellen von gekauften Büchern über den Luftweg. Jäger benutzen Drohnen, die sie mit Wärmekameras ausgerüstet haben, um Kitze aus mähbereiten Wiesen zu retten. Energiekonzerne lassen Stromtrassen durch die Geräte kontrollieren. Profi-Fotografen setzen Drohnen für Aufnahmen aus anderen Perspektiven ein.
„Drohnentechnik ist eine Zukunftsbranche mit großen Chancen. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt“, meint ein Wirtschaftsvertreter beim Smalltalk in einer Tagungspause. Dies ist kurz vor der praktischen Vorführung auf dem Flugfeld des Kaufbeurer Fliegerhorstes. Dort wird übrigens nicht nur eine Abwehr-Maßnahme gezeigt. Neben elektromagnetischen Wellen kommen auch Frequenzstörer zum Einsatz. Die Drohne fliegt dann unkontrolliert. Einmal saust sie geradeaus Richtung Wald. Ein planloses Aufprallen dürfte aber nicht im Sinne des Erfinders sein. Nach Angaben der Experten existiert aber eine brauchbare Piratensteuerung zur Übernahme von Drohnen noch nicht. Wie hieß es doch zu Anfang: „Da ist noch Luft nach oben.“