US-Boykott keine Lösung für Mexiko
Trumps Drohungen provozieren harte Reaktionen – doch die sind kontraproduktiv
- Das Verhältnis zwischen den USA und dem Nachbarland Mexiko ist angespannt. Um sich der Mauerbau-Drohungen von Präsident Donald Trump und seiner Kampagne „America first“zu erwehren, gibt es in Mexiko die Forderung nach einem Boykott von amerikanischen Produkten und Firmen. Doch viele Mexikaner haben Zweifel am Sinn solcher Maßnahmen – weil sie das Land selbst treffen würden.
Wer derzeit durch die virtuelle Realität surft, bekommt den Eindruck, Mexiko stehe kurz davor, die US-Unternehmen zum Teufel zu jagen: Hinter Hasthags wie #AdiosStarbucks, #AdiosMcDonalds oder #AdiosWalmart versammelt sich die Internet-Community. Manche Kampagnen wirken dabei ungewollt komisch: „Adiós Whiskey, Hallo Mezcal“, Adiós New York, Hallo MexikoStadt“, „Adiós Kentucky Fried Chicken, Hallo Hühnchen in Schokoladensoße“, heißt es da. Die Aufforderung zum Boykott von US-Produkten wird dabei von einem Aufruf begleitet, vor allem mexikanische Produkte zu kaufen. „México primero“soll Trumps „America first“entgegenwirken.
Im wirklichen Leben ist es wie so oft in Mexiko: Während das Internet die Revolution ausruft, geht draußen alles seinen gewohnten Gang. In den Filialen großer US-Fastfood-Tempel, Bürobedarf- und Caféhaus-Ketten, Supermärkte und Banken ist von Boykott nirgends etwas zu sehen.
Elsa Prado, die gerade mit ihren beiden Söhnen die Filiale einer USFastfood-Kette in Mexiko-Stadt verlassen hat, findet diese Idee nicht gut: „Hier arbeiten doch Mexikaner in den US-Betrieben. Die würden dann ihren Job verlieren“. Natürlich ist Prado sauer auf Donald Trump und ärgert sich über die Beleidigungen und Drohungen des Rabauken im Weißen Haus gegen ihr Land und ihre Landsleute: „Aber das lösen wir doch nicht mit Boykott, beide Länder brauchen sich doch gegenseitig“.
Ein paar Ecken weiter sitzen junge Leute auf der Terrasse einer Starbucks-Filiale, neben sich einen Kaffee, die Laptops aufgeklappt. Auch hier will man vom Boykott gegen USGeschäfte, zu dem in sozialen Netzwerken und Fernsehtalkshows aufgerufen wird, nichts wissen. „Wir sollten das lieber als Chance nutzen und uns woanders hinwenden. Nach Süden oder nach Europa“, sagt der Anwalt Claudio Flores und spielt dabei auf die übergroße Abhängigkeit der mexikanischen Wirtschaft von den USA an. 80 Prozent aller Exporte des Landes gehen in den Norden.
Darauf weist auch José María Zas, Chef des „American Chamber Mexico“(Amcham), hin. „30 Prozent der formellen Arbeitsplätze stellen die 1400 US-Unternehmen“, sagt der Leiter der US-mexikanischen Handelskammer. Den Großteil der ausländischen Direktinvestitionen trügen Firmen aus den Vereinigten Staaten bei. Im vorvergangenen Jahr kamen 17 der 32 Milliarden Dollar, die an Foreign Direct Investments (FDI) nach Mexiko flossen, aus den USA.
Ohne diese Investitionen würde sich die Arbeitslosigkeit vor allem in den Grenzstädten drastisch erhöhen. Orte wie Tijuana, Ciudad Juárez und Nuevo Laredo leben vom Handel mit den USA. Waren und Dienstleistungen für eine Million Dollar tauschen beide Länder pro Minute aus. 35 Prozent der Arbeitsplätze in Mexiko hängen direkt am Außenhandel. US-Betriebe entlang der 3200 Kilometer langen Grenze gehören zu den wichtigsten Arbeitgebern. Wenn dort keine Kühlschränke mehr montiert, keine Armaturenbretter mehr zusammengebaut und keine Jeans mehr genäht werden würden, würde die mexikanische Wirtschaft in die Knie gehen.
Nicht auf das Niveau herablassen
Inzwischen mehren sich die Stimmen, die diese Boykott-Kampagne für fehlgeleitet halten. „Die Attacken Trumps haben dazu geführt, dass sich ein Teil der öffentlichen Meinung in unsere Nationalflagge einwickeln will“, kritisiert der Autor Jorge Zepeda Patterson. „Auf den schwachsinnigen Nationalismus Trumps mit einem mexikanischen Nationalismus zu reagieren, bedeutet uns in den Fuß zu schießen“. Wenn man den Protektionismus der US-Regierung mit einem Boykott zu beantworten suche, „lassen wir uns auf das Niveau des extravaganten Bewohners des Weißen Haus herab“, warnt Zepeda Patterson.
„Hier arbeiten doch Mexikaner in den US-Betrieben. Die würden dann ihren Job verlieren.“ Die Mexikanerin Elsa Prado schildert das Problem, das ein Boykott mit sich bringen würde.