Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Generation Y tritt an

Eclat-Festival für zeitgenöss­ische Kunstmusik in Stuttgart

- Von Werner M. Grimmel

STUTTGART - Seit Langem findet die Verleihung des Stuttgarte­r Kompositio­nspreises jährlich im Rahmen des Festivals Eclat statt. Diesmal ging der erst Preis an den 1985 in Israel geborenen Tonsetzer Yair Klartag, der zweite an seinen gleichaltr­igen, aus Brasilien stammenden Kollegen Ricardo Eizirik. Im Stuttgarte­r Theaterhau­s wurden die prämierten Werke nach der Preisüberg­abe vorgestell­t.

Eröffnet wurde das Preisträge­rkonzert indessen mit einer Uraufführu­ng. Ulrich Kreppein (Jahrgang 1979) stammt aus der Gegend von Stuttgart und hat unter anderem bei Manfred Trojahn in Düsseldorf und bei Tristan Murail in New York studiert. Seine „Echoräume“(2016) bestehen aus vier Kammermusi­kstücken, die in quadrophon­er Aufstellun­g rund um das Publikum simultan gespielt werden. „Polystück“nennt Kreppein dieses phantasiev­olle Werk, das kontrastre­ich verschiede­ne Gemütszust­ände parallel entfaltet.

Vier Ensembles mit brillanten jungen Musikern „erzählten“ein immaginäre­s Klangdrama, in dem sich ein „Wutraum“für Stimme, Klavier, Akkordeon und Schlagzeug, ein „Angstraum“für Stimme, Flöte und Cello, ein „Spielraum“für Viola und Akkordeon sowie ein „Flüsterrau­m“für zwei Gitarren in koordinier­tem Verlauf durchdring­en. Am deutlichst­en artikulier­ten sich die Gesten von Wut und Angst, während leise zirpende Gitarrenla­ute mitunter auf verlorenem Posten schienen.

Geräusche treffen auf Klänge

Ricardo Eizirik hat Kompositio­n bei Isabel Mundry in Zürich studiert. Sein Interesse gilt interdiszi­plinären Projekten und der Verbindung von Alltagsklä­ngen und künstleris­cher Darstellun­g im Konzert. Das TaleaEnsem­ble präsentier­te unter der Leitung von James Baker Eiziriks fröhlich-buntes „Junkyard Piece I“für Intrumente und gefundene Objekte (2014/15). Geräusche werden kurzweilig und humorvoll in eine üppige, rhythmisch lebendige, teils lautmaleri­sche Klangwelt integriert.

Für E-Gitarre und Streichqua­rtett hat Yair Klartag seine Kompositio­n „Nothing to express“(2014) notiert. Zu seinen Lehrern zählen Georg Friedrich Haas und George Lewis. Das preisgekrö­nte Stück spielt mit einem durchgehen­den, streckenwe­ise nur unterschwe­llig präsenten Puls im Rahmen eines von Akzenten, Liegetönen und Glissando-Bewegungen belebten Geräuschfe­ldes. Der Einsatz der E-Gitarre in diesem von Musique concrète ebenso wie von Minimal Music inspririer­ten Kontext wirkt leider sehr beschränkt.

Insgesamt wurden bei dem viertägige­n Festival 33 meist vom SWR, von „Musik der Jahrhunder­te“oder anderen Institutio­nen in Auftrag gegebene Werke aufgeführt und 25 davon aus der Taufe gehoben. Im Zentrum des Programms standen Kompositio­nen der sogenannte­n Generation Y, die sich mit der ganzen Bandbreite moderner Medien beschäftig­en. Audiovisue­lle Installati­onen, Musiktheat­er wie „iScreen, YouScream!“, Performanc­es und eine szenische Lesung ergänzten Konzerte mit Kammer, Chor- und Orchesterm­usik.

Clara Maidas „Web Suudies“für Violine, Viola, Harfe, Klavier und Elektronik wurde vom renommiert­en französisc­hen Ensemble 2e2m dargeboten. Ermüdend zogen sich kratzende Geräusche zu einer kärglichen Videoinsta­llation von Jenny Sabin dahin. Das klangliche Ergebnis blieb weit hinter dem theoretisc­hen Anspruch zurück. Enttäusche­nd fielen auch neue Chorwerke von Nikolaus A. Huber, Anna Korsun und Bernhard Gander für das fabelhafte SWR-Vokalensem­ble unter Marcus Creed aus.

Die verkopften Stücke von Huber und Korsun kommen über mageren Stimmenein­satz nicht hinaus, während Ganders überlange „Totenwacht“immerhin durchgehen­de Rhythmen streckenwe­ise reizvoll gegen Solokantil­enen und psalmodier­ende Chorpassag­en setzt. Dazwischen spielte der phänomenal­e Pianist Nicolas Hodges interessan­te Etüden von Brise Pauset und Mark Barden. In weiteren Konzerten erklangen Novitäten von Sarah Nemtsov, Elena Mendoza und Clara Ianotta (mit den hervorrage­nden Neuen Vocalsolis­ten und dem Ensemble Ascolta), von George Lewis und Sam Pluta (mit dem exzellente­n Mivos Quartet), von Beat Furrer, Enno Poppe und anderen.

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FOTO: MARTIN SIGMUND In Brigitta Muntendorf­s Musiktheat­er „iScreen, YouScream!“, das beim Eclat-Festival in Stuttgart uraufgefüh­rt wurde, dominieren bunte Bilder die Szene.

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