Freundschaftliche Kritik in Warschau
Kanzlerin Merkel mahnt Polens rechtskonservative Regierung und sucht Gemeinsamkeiten
(dpa/AFP) - Versöhnliche Töne auf beiden Seiten: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in Warschau Polens rechtskonservative Regierung zwar zur Wahrung der Rechte der Opposition, Justiz, Gewerkschaften und Medien aufgerufen. Zugleich warb sie am Dienstag bei Ministerpräsidentin Beata Szydlo trotz der Probleme im deutsch-polnischen Verhältnis für enge Beziehungen sowie den Zusammenhalt der 27 EUStaaten nach dem angekündigten Austritt Großbritanniens. Szydlo, die kurz nach ihrem Amtsantritt Merkels Flüchtlingspolitik noch scharf kritisiert hatte, versicherte ihr: „Wir werden sehr eng zusammenarbeiten.“Mit dem Brexit verliert Polens streitbare Regierung ihren nach eigenen Angaben wichtigsten EU-Partner und muss sich, davon sind Experten überzeugt, um ein besseres Verhältnis zu Deutschland bemühen.
Merkel und Szydlo sprachen sich gemeinsam für die Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen Russland aus. Sie könnten nur gelockert werden, wenn es Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine gebe. Dort kommt es derzeit wieder zu blutigen Kämpfen. Polen fühlt sich seitdem wieder durch Russland bedroht. US-Präsident Donald Trump hatte eine Debatte über eine Lockerung der Sanktionen eröffnet.
Deutsche Politiker hatten Merkel aufgerufen, Demokratieverstöße der polnischen Regierung zu kritisieren. Merkel erinnerte dann in Warschau in einer „sehr persönlichen“Erklärung an ihr Leben in der DDR ohne unabhängige Justiz und Medien. Merkel betonte aber auch, sie sei froh, dass Polen die Fragen der EUKommission in punkto Rechtsstaatlichkeit beantworten werde. Die Kommission führt ein Verfahren gegen Warschau wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit. Kritiker sagen, mit Reformen habe die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS das Verfassungsgericht sowie öffentlich-rechtliche Medien unter ihre Kontrolle gebracht.
Merkel, die sich auch mit Vertretern der Opposition traf, sprach zudem mit PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, der kein Regierungsamt innehat, aber als Polens mächtigster Mann gilt. Kaczynski hatte im Vorfeld Kritik an Merkel geäußert.