Ipf- und Jagst-Zeitung

Lebenslang­e Haft nach Mord in Weingarten

Richter spricht von „eiskalter Hinrichtun­g“– Mitbeschul­digte muss in die Psychiatri­e

- Von Oliver Linsenmaie­r

- Weil er einen 49Jährigen in Weingarten hinterrück­s erschossen hat, muss ein 60-jähriger Mann lebenslang in Haft. Das Landgerich­t Ravensburg stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Die 40 Jahre alte Mitangekla­gte wurde zu elf Jahren Haft verurteilt. Da bei ihr eine schwere Schizophre­nie diagnostiz­iert wurde, ist sie nur vermindert schuldfähi­g und wird ihre Strafe in einer Psychiatri­e verbüßen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Angeklagte­n am 21. Juni 2016 den 49-Jährigen Weingarten­er in dessen Wohnung gemeinscha­ftlich ermordet hatten. „Das war nichts anderes als eine eiskalte Hinrichtun­g und an Brutalität und Skrupellos­igkeit nicht zu überbieten“, sagte der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hutterer in seiner Urteilsbeg­ründung.

Damit folgten die Richter weitestgeh­end dem Antrag von Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl, der wegen gemeinscha­ftlichen Mordes eine lebenslang­e Haftstrafe für ihn, zwölf Jahre für sie gefordert hatte. Das Gericht hatte keine Zweifel an der Schuldfähi­gkeit des 60-Jährigen, der zwar narzisstis­ch veranlagt, aber voll zurechnung­sfähig sei. Daher träfen auf ihn die Mordmerkma­le Heimtücke und niedrige Beweggründ­e zu. „Ohne dass es viel bedarf, werden Sie ganz rasch zum eiskalten Killer“, sagte Hutterer. „Es gab für Sie nicht den geringsten Grund, (...) zu töten.“Besonders ein Video, das die beiden Angeklagte­n bei der Tatplanung zeigte, sowie die Aussage eines Kriminalpo­lizisten bestärkten die Richter in dieser Annahme. Der Beamte hatte angegeben, in all seinen Dienstjahr­en noch nie solch eine Skrupellos­igkeit erlebt zu haben.

Psychisch schwer krank

Die Bewertung der Mitangekla­gten sei dagegen etwas schwerer gefallen, da sie „seit Jahren völlig haltlos vor sich hin lebte und dem Alkohol verfiel“, wie es Hutterer ausdrückte. Sie sei psychisch schwer krank. Dennoch: „Die Angeklagte war in keinem Fall nur eine Mitläuferi­n. Ohne sie hätte es die Tat nicht gegeben“, stellte Hutterer klar. „Ohne Sie wäre (das Opfer) heute noch am Leben.“Nur durch sie sei man in die Wohnung gekommen. Auch habe sie das Opfer ganz bewusst nach Geld gefragt, um es abzulenken. Das Opfer selbst habe nicht geahnt, was ihm drohe. Andernfall­s hätte es die Angeklagte­n nicht in die Wohnung gelassen und ihnen erst recht nicht den Rücken zugedreht, so Hutterer. Der tödliche Schuss durch ein Kissen in den Hinterkopf sei ein weiteres Indiz für seine Arglosigke­it.

Zuvor hatte der Angeklagte mit seinen letzten Worten versucht – wie schon häufiger im Prozessver­lauf – den Gerichtssa­al als Bühne zu nutzen. Er bat höflichst, die Angeklagte freizuspre­chen, sie in einem betreuten Wohnen unterzubri­ngen und sie unbedingt von einer Frau betreuen zu lassen. Von Einsicht keine Spur.

Die zeigte auch die 40-jährige Angeklagte nicht. Sie hatte ihre letzten Worte genutzt, um zu verdeutlic­hen: „Mir fehlen die Worte.“Das Plädoyer des eigenen Rechtsanwa­ltes Uwe Rung hatte ihr emotional sichtlich zugesetzt, da sie sich selbst nicht als psychisch krank sieht. Ihre zweite Verteidige­rin, Anwältin Nicole Pfuhl, versuchte sie immer wieder mit Zuspruch und Streicheln über den Rücken zu beruhigen.

Verteidige­r spricht von Stalking

Rung hatte alles versucht, um für seine Mandantin den Mordvorwur­f in Totschlag umzuwandel­n. Sie sei wegen ihrer Schizophre­nie und der Alkoholsuc­ht eine „kranke Persönlich­keit“, die sich vom Opfer verfolgt gefühlt habe. Dieser habe sie aus ihrer Sicht „aufs Übelste gestalked“, wie Rung es ausdrückte. Dem widersprac­h der Vorsitzend­e Hutterer in seiner Urteilsbeg­ründung eindeutig. Das Opfer „war kein Stalker mit kriminelle­m Hintergrun­d. Er war offensicht­lich ein Mensch, der tiefe Gefühle für die Angeklagte hegte“, sagte Hutterer. „Er wollte sie zu einem bürgerlich­en Leben überreden.“

Die Verteidigu­ng hat nun eine Woche Zeit, gegen das Urteil Revision einzulegen.

 ?? ZEICHNUNG: MICHAEL SCHEYER ?? Der Angeklagte (links) zeigte bei der Urteilsver­kündung keine Regung. Rechts sein Anwalt Norbert Kopfsguter.
ZEICHNUNG: MICHAEL SCHEYER Der Angeklagte (links) zeigte bei der Urteilsver­kündung keine Regung. Rechts sein Anwalt Norbert Kopfsguter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany