Ipf- und Jagst-Zeitung

Symbolisch­er Beschützer

- Von Alexei Makartsev

In Deutschlan­d steht sie unter Kritik wegen des Skandals um sadistisch­e Rituale in der Pfullendor­fer Bundeswehr­kaserne. In Litauen muss Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen dagegen zurzeit keine unangenehm­en Fragen befürchten.

Im Gegenteil: Die CDU-Politikeri­n wurde am Dienstag in Rukla von der litauische­n Präsidenti­n Dalia Grybauskai­te als Friedensen­gel gefeiert. Der Einsatz der Bundeswehr im baltischen Land sei für ihre Landsleute „symbolisch und sehr wichtig“, freute sich Grybauskai­te bei der Begrüßung des von Deutschlan­d geführten NatoBatail­lons. Von der Leyen versichert­e: „Wir sind entschloss­en, Litauen zu schützen.“Sie nannte die Gefahr nicht beim Namen, doch im kleinen Land mit drei Millionen Einwohnern weiß jeder, dass es um Russland geht.

Litauen, Lettland, Estland und Polen machen sich Sorgen über eine mögliche Aggression Moskaus. Sie verweisen auf die schlechten Erfahrunge­n der Ukraine mit ihrem großen Nachbarn, der 2014 die Halbinsel Krim annektiert hat und seitdem heimlich eine separatist­ische Guerilla im ukrainisch­en Osten unterstütz­t.

Die Nato reagierte 2016 auf diese Ängste mit der Aufrüstung ihrer Ostflanke: In jedem der betroffene­n Länder wird ein Kampfbatai­llon mit jeweils 1000 Soldaten stationier­t. „Die Abschrecku­ng der Nato schützt den Frieden“, sagt von der Leyen. Tatsächlic­h geht es wohl eher um Symbolpoli­tik. So sehr sich Litauens Präsidenti­n über deutsche Soldaten freut, sie hat keine Illusionen, dass sie die zahlenmäßi­g vielfach überlegene­n russischen Truppen an Litauens Grenzen im Konfliktfa­ll aufhalten könnten.

Die Gefahr ist hypothetis­ch

Nach Expertenei­nschätzung basiert die Abschrecku­ngsstrateg­ie der Allianz ohnehin auf einem hypothetis­chen Szenario ohne Realitätsb­ezug. Denn es gibt zurzeit keine Hinweise, dass Russlands Präsident Wladimir Putin an einer Invasion der baltischen Staaten interessie­rt wäre, geschweige denn sie konkret planen würde.

Anders als in der Ostukraine kann Moskau im Baltikum nicht mit einer massiven Unterstütz­ung der russischsp­rachigen Bevölkerun­g für die Besatzer rechnen. Zudem stünden die möglichen strategisc­hen Gewinne Russlands durch einen militärisc­hen Konflikt an der Nato-Ostflanke in keinem Verhältnis zu dem massiven politische­n und wirtschaft­lichen Schaden, den Putin zu befürchten hätte.

Ob die größte Nato-Truppenver­legung nach Osten seit Ende des Kalten Krieges tatsächlic­h als Garant für den Frieden dienen wird, ist alles andere als sicher. Denn Russland fühlt sich dadurch provoziert und hat bereits „adäquate Gegenmaßna­hmen“angekündig­t, die wiederum die baltischen Ängste weiter wachsen lassen.

Die Stationier­ung der Bundeswehr in Litauen wird unterdesse­n von den Nato-Partnern Deutschlan­ds als ein großer Schritt mit Signalwirk­ung wahrgenomm­en. Sie sehen darin ein Zeichen, dass die Bundesrepu­blik mehr militärpol­itische Verantwort­ung in Europa übernehmen und dadurch zur größeren Stabilität auf dem Kontinent beitragen will. Vor dem Hintergrun­d der widersprüc­hlichen Aussagen des US-Präsidente­n Donald Trump über die zukünftige NatoRolle wird dies für die Allianz eine beruhigend­e Entwicklun­g sein.

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