Symbolischer Beschützer
In Deutschland steht sie unter Kritik wegen des Skandals um sadistische Rituale in der Pfullendorfer Bundeswehrkaserne. In Litauen muss Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen dagegen zurzeit keine unangenehmen Fragen befürchten.
Im Gegenteil: Die CDU-Politikerin wurde am Dienstag in Rukla von der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite als Friedensengel gefeiert. Der Einsatz der Bundeswehr im baltischen Land sei für ihre Landsleute „symbolisch und sehr wichtig“, freute sich Grybauskaite bei der Begrüßung des von Deutschland geführten NatoBataillons. Von der Leyen versicherte: „Wir sind entschlossen, Litauen zu schützen.“Sie nannte die Gefahr nicht beim Namen, doch im kleinen Land mit drei Millionen Einwohnern weiß jeder, dass es um Russland geht.
Litauen, Lettland, Estland und Polen machen sich Sorgen über eine mögliche Aggression Moskaus. Sie verweisen auf die schlechten Erfahrungen der Ukraine mit ihrem großen Nachbarn, der 2014 die Halbinsel Krim annektiert hat und seitdem heimlich eine separatistische Guerilla im ukrainischen Osten unterstützt.
Die Nato reagierte 2016 auf diese Ängste mit der Aufrüstung ihrer Ostflanke: In jedem der betroffenen Länder wird ein Kampfbataillon mit jeweils 1000 Soldaten stationiert. „Die Abschreckung der Nato schützt den Frieden“, sagt von der Leyen. Tatsächlich geht es wohl eher um Symbolpolitik. So sehr sich Litauens Präsidentin über deutsche Soldaten freut, sie hat keine Illusionen, dass sie die zahlenmäßig vielfach überlegenen russischen Truppen an Litauens Grenzen im Konfliktfall aufhalten könnten.
Die Gefahr ist hypothetisch
Nach Experteneinschätzung basiert die Abschreckungsstrategie der Allianz ohnehin auf einem hypothetischen Szenario ohne Realitätsbezug. Denn es gibt zurzeit keine Hinweise, dass Russlands Präsident Wladimir Putin an einer Invasion der baltischen Staaten interessiert wäre, geschweige denn sie konkret planen würde.
Anders als in der Ostukraine kann Moskau im Baltikum nicht mit einer massiven Unterstützung der russischsprachigen Bevölkerung für die Besatzer rechnen. Zudem stünden die möglichen strategischen Gewinne Russlands durch einen militärischen Konflikt an der Nato-Ostflanke in keinem Verhältnis zu dem massiven politischen und wirtschaftlichen Schaden, den Putin zu befürchten hätte.
Ob die größte Nato-Truppenverlegung nach Osten seit Ende des Kalten Krieges tatsächlich als Garant für den Frieden dienen wird, ist alles andere als sicher. Denn Russland fühlt sich dadurch provoziert und hat bereits „adäquate Gegenmaßnahmen“angekündigt, die wiederum die baltischen Ängste weiter wachsen lassen.
Die Stationierung der Bundeswehr in Litauen wird unterdessen von den Nato-Partnern Deutschlands als ein großer Schritt mit Signalwirkung wahrgenommen. Sie sehen darin ein Zeichen, dass die Bundesrepublik mehr militärpolitische Verantwortung in Europa übernehmen und dadurch zur größeren Stabilität auf dem Kontinent beitragen will. Vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Aussagen des US-Präsidenten Donald Trump über die zukünftige NatoRolle wird dies für die Allianz eine beruhigende Entwicklung sein.