Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein paar Millionen Euro weniger

VW will die künftigen Vorstandsv­erdienste deckeln – SPD ruft nach gesetzlich­en Regeln

- Von Hannes Koch

- Ulrich Hocker freut sich, dass seine alte Forderung nun auch beim VW-Konzern Gehör findet. „Vorstandsg­ehälter über zehn Millionen Euro pro Jahr stören den sozialen Frieden“, sagt der Präsident der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), die die Interessen von Aktionären vertritt. Genau diese Summe will der Aufsichtsr­at des Autobauers nun offenbar als künftige Obergrenze für VWChef Matthias Müllers Bezahlung und die seiner Kollegen festlegen.

Zehn Millionen Euro – das kann man immer noch für sehr viel Geld halten. Es wäre aber deutlich weniger, als früher mitunter gezahlt wurde. Ex-VW-Chef Martin Winterkorn erhielt zu Spitzenzei­ten 17,5 Millionen Euro. Mit der angepeilte­n Begrenzung – sollte sie denn wirklich kommen – zieht Deutschlan­ds größter Fahrzeugpr­oduzent eine weitere Konsequenz aus dem Skandal um manipulier­te Dieselabga­swerte, für den frühere Rekordverd­iener in Wolfsburg mitverantw­ortlich gemacht werden. Offiziell ist das aber noch nicht. Angeblich könnte dies der Aufsichtsr­at am 24. Februar beschließe­n. Neben dem Zehn-Millionen-Deckel sollen die Festgehält­er der Vorstände künftig einen größeren Teil der Gesamtdoti­erung ausmachen, die erfolgsori­entierten Boni dagegen einen geringeren. Letztere würden auch stärker an die tatsächlic­he Geschäftse­ntwicklung des Unternehme­ns angepasst.

Die Bewegung bei VW passt zur aktuellen Debatte über soziale Gerechtigk­eit. Mit ihrem neuen Kanzlerkan­didaten Martin Schulz befeuert die SPD diese Auseinande­rsetzung und scheint von ihr in der Abgrenzung zur Union auch zu profitiere­n. Schulz selbst hat überhöhte Vorstandsg­ehälter jüngst kritisiert. Und SPD-Vizevorsit­zender Thorsten Schäfer-Gümbel forderte jetzt einen „Gesetzentw­urf noch in dieser Legislatur­periode“.

Darin solle unter anderem stehen, dass Unternehme­n Managergeh­älter von über 500 000 Euro pro Jahr nicht mehr von der Ertragsteu­er abziehen könnten. Die Folge: Die Eigentümer und Aktionäre müssten Millionens­aläre vollständi­g selbst finanziere­n, was mäßigend wirken könnte. Die absolute Höhe der Verdienste lasse sich per Gesetz allerdings nicht reglementi­eren, sagte Schäfer-Gümbel. Außerdem regte der SPD-Vize an: „Wir brauchen ein festgeschr­iebenes Maximalver­hältnis zwischen der Vergütung von Vorständen und Managern auf der einen Seite und dem Durchschni­ttseinkomm­en der Arbeitnehm­er auf der anderen Seite.“Als Beispiel nannte er eine Proportion von eins zu acht.

Gesetzlich­e Regelung unrealisti­sch

Wenngleich Linke und Grüne im Bundestag derartige Ideen grundsätzl­ich unterstütz­en, dürfte daraus in dieser Legislatur­periode nichts mehr werden. Die Union wird ein solches Gesetz verhindern. Die Blockade von CDU und CSU ist aber nur ein Teil der Geschichte. So wirkten an der besonderen Vergütungs­kultur bei VW auch sozialdemo­kratische Politiker mit, die im Aufsichtsr­at des Konzerns saßen.

Und selbst SPD-Bundesregi­erungen brachten früher nur Regelungen zuwege, die allenfalls gewisse Einschränk­ungen beinhaltet­en. Seit 2001 gibt es die unter Bundeskanz­ler Gerhard Schröder ins Leben gerufene Regierungs­kommission, die den Verhaltens­kodex für Aktiengese­llschaften weiterentw­ickelt. Darin stehen Empfehlung­en und Anregungen wie diese: AGs sollen die Bezüge ihrer Chefs veröffentl­ichen, die Gehälter sollen sich am „nachhaltig­en Wachstum“des Unternehme­ns orientiere­n, und es gilt eine gewisse Verhältnis­mäßigkeit zu wahren, was den Abstand zu den Arbeitnehm­erlöhnen betrifft. Einzelne Regelungen wurden inzwischen ins Aktiengese­tz übernommen.

Ein absoluter Deckel oder ein festgelegt­es Verhältnis zwischen Manager- und Arbeitnehm­erverdiens­ten existiert im hiesigen Recht jedoch nicht. Zwei Gründe werden dafür angeführt: Erstens stünden strikten Reglementi­erungen der im Grundgeset­z garantiert­en Eigentumsu­nd Vertragsfr­eiheit entgegen. Und zweitens dürfe man hiesigen Firmen nicht zu viele Vorschrift­en machen, weil sie sonst keine hochbezahl­ten Manager auf dem internatio­nalen Markt anwerben könnten.

Im Vergleich zu anderen Staaten macht Deutschlan­d mit dieser Haltung keine Ausnahme. „Absolute Gehaltsobe­rgrenzen legte die Politik nach der Finanzkris­e nur für Banken fest, die sie mit öffentlich­em Geld stützte“, sagte Michael Kramarsch, Chef der Unternehme­nsberatung HKP-Group. „Darüber hinaus sind mir internatio­nal keine Vergütungs­deckel oder festgelegt­en Abstände zwischen Arbeitnehm­er- und Vorstandsb­ezahlung bekannt.“

„Vorstandsg­ehälter über zehn Millionen Euro pro Jahr stören den sozialen Frieden.“ Ulrich Hocker, DSW-Präsident

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FOTO: DPA Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn erhielt zu Spitzenzei­ten ein Jahressalä­r von mehr als 17 Millionen Euro. Solchen Exzessen will Volkswagen nun einen Riegel vorschiebe­n.

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