Im Reich der schlafenden Nachtjäger
Warum der vermauerte Tunnel der ehemaligen „Schättere“auf jeden Fall zu bleiben muss
- Am 30. September 1972 ist Schluss gewesen. Über sieben Jahrzehnte lang hatte die Härtsfeld-Bahn Millionen an Fahrgästen und Gütern von Aalen aufs Härtsfeld oder sogar bis ins 55 Bahn-Kilometer entfernte Dillingen transportiert. Seit fast 55 Jahren ist die „Schättere“damit Geschichte. Die Gleise wurden abgebaut, später der Tunnel zugemauert. Derart geschützt ist er seit vielen Jahren eines der wichtigen Fledermausquartiere in Ostwürttemberg für bis zu acht nachgewiesene und streng geschützte Arten geworden.
Im Sommer. Aber auch vor allem jetzt, wenn die Tiere dort kopfüber ihren Winterschlaf verbringen. Eine Tunnelöffnung für Radfahrer und Wanderer, wie in der vergangenen Zeit immer wieder diskutiert, ist für die Arbeitsgemeinschaft (AG) Fledermausschutz Baden-Württemberg Region Ostwürttemberg schon aus Gesetzesgründen völlig ausgeschlossen.
Bahnkilometer sieben, gerechnet ab dem einstigen Härtsfeld-Bahnhof Aalen, östlich der kurvigen Waldhäuser Straße von Unterkochen nach Brastelburg: Hier erschien ab 31. Oktober 1901 die dampfende Schmalspurlok wieder nach 96 Metern Tunnellänge. Markus und Wolfgang Schmid (beide sind nicht verwandt, aber beide aktiv in der AG) haben eine mobile Metalleiter mitgebracht. Es geht einige Meter hoch, dann durch das normalerweise verschlossene Eisenfenster und dann wieder über eine fest montierte Leiter wieder einige Meter runter.
Optimale Bedingungen
Nur ganz wenige Aalener haben den vermauerten Tunnel betreten, die beiden Fledermausexperten kontrollieren hier regelmäßig den Fledermausbestand. Es ist stockdunkel und bis auf die Schritte absolut still, nur zwei Taschenlampen spenden etwas Licht. Damit beleuchten die beiden genau jeden Quadratmeter, auch die angebrachten Hohlblock-„Höhlen“, die Ritzen und Nischen. Nach ein paar Metern leuchtet Wolfgang Schmid auf ein Thermo- und Hygrometer. Acht Grad herrschen hier und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit, im Sommer werden es bis zu 92 Prozent. Optimale Bedingungen also für die „Jäger der Nacht“.
Und die tauchen nun auf im Licht der Taschenlampen, schlafend und völlig regungslos. So wie ein „Cluster“aus „Großen Mausohren“. Die hängen nämlich gerne frei an Wänden und Decken und bilden, vor allem wenn es dem Frühling zugeht, immer größere solcher „Klumpen“– aus bis zu 30, 40 Tieren.
Nach einigen Schritten taucht das berühmte Licht am Ende des Tunnels auf. Es stammt aus einem kleinen Fenster im Westportal, hier fliegen die Tiere hinein, um zu überwintern. Auch bei Temperaturen bis 21 Grad Minus wie im Januar sind sie hier sicher. Deshalb ist der Tunnel auch ein optimales Refugium, erklärt Wolfgang Schmid.
„Der Tunnel gehört zu den Top fünf Überwinterungsquartieren für das Große Mausohr in Ostwürttemberg“, erklärt Markus Schmid. Aber nicht nur das. Im Sommer ist er ein sogenanntes „Schwärmquartier“, in Spätsommernächten, erklären die beiden Fledermausexperten, erkunden Hunderte Tiere den Tunnel und die umliegenden Felsspalten. Für die AG Fledermausschutz ist klar: Eine Öffnung des Tunnels ist ausgeschlossen und „nicht machbar“. Im Winter wäre er nicht mehr frostsicher, eine Eisentür würde nie so dicht schließen wie die Vermauerung. Im Sommer würden die Tiere durch Beleuchtung und Besucherverkehr erheblich gestört – der Tunnel wäre als Fledermausquartier zerstört, auch weil das Mikroklima „kippen“würde.
Nachdem der Tunnel genau untersucht wurde, steht fest: 31 Fledermäuse, darunter 22 Große Mausohren, sechs Braune Langohren, je eine Wasser-, Bechstein und Fransenfledermaus, wurden gezählt, eine liegt tot am Boden, wohl erst seit einigen Stunden. Es wurden im Winter aber auch schon weit über 50 Tiere gezählt.
Zugang haben nur die Kobolde
Nicht nur der Tunnel an sich ist Fledermausquartier. Möglicherweise geht es hier noch weiter in den Fels hinein, dehnen sich Höhlen aus, die nur den „fliegenden Kobolden“zugänglich sind. Denn nachdem ab August 1900 mit dem Bau der auch „Wallenhau-Tunnel“oder „Kocherburg-Tunnel“genannten Bahn-Röhre begonnen worden war, entdeckte man laut einem Dokument von damals eine „stattliche Höhle“, die aus Sicherheitsgründen verfüllt wurde. Auch um den Bereich der Tunneleingänge gibt es drei kleinere Höhlen mit nachgewiesenen FledermausVorkommen. Auch die sind den streng geschützten Nachtjägern vorbehalten.