„Glücklich ist das neue schön“
Ex-Model Kera Rachel Cook über ihre Erfahrungen mit Essstörungen
- Kera Rachel Cook warnt an Schulen vor den Folgen des übertriebenen Schlankheitswahns. Die ehemalige Teilnehmerin von „Germany’s Next Topmodel“, die später als „Plus Size Model“arbeitete, litt selbst mehr als zehn Jahre an Essstörungen. Mit unserem Redakteur Bernhard Hampp hat die 27-Jährige, die am Donnerstag in Neresheim zu erleben ist, über ihren Weg aus der Krankheit und ihren Abschied vom Model-Geschäft gesprochen.
Schön sein und sich gesund ernähren – geht das überhaupt?
Natürlich geht das. Vorausgesetzt, dass man unter „schön sein“nicht Dinge wie aufgespritzte Lippen oder Silikonbrüste versteht. Schön ist, wenn man natürlich ist und es einem gut geht. Glücklich ist das neue schön. Wer glücklich ist, ist von innen heraus schön.
Haben Sie immer so gedacht?
Auf keinen Fall. Als Jugendliche bin ich der Vorstellung nachgelaufen, ich sei nur schön, wenn ich den Models auf den Catwalks gleiche.
Warum glauben gerade junge Mädchen das oft?
Das liegt zum einen daran, dass Werte oft nicht über die Familie, sondern über Medien vermittelt werden. Ich selbst bin mit einer allein erziehenden Mutter aufgewachsen, die wenig Zeit mit mir verbringen konnte. Stattdessen ist man über Fernsehen, Zeitschriften und besonders das Smartphone 24 Stunden lang den immer gleichen Schönheitsidealen ausgesetzt.
Die Medien können also Ursache für eine Essstörung sein?
Je mehr Sendungen wie „Germany’s next Topmodel“und Modezeitschriften ein Mädchen konsumiert, desto anfälliger ist es. Darauf gilt es zu verzichten und auch das Handy einmal ausgeschaltet zu lassen.
Das ist aber schwierig, wenn alle Freundinnen das machen.
Natürlich gibt es einen Gruppendruck. Aber die Eltern müssen vermitteln, dass es in Ordnung ist, da nicht mitzuspielen.
Wie hat sich bei Ihnen die Essstörung geäußert?
Ich hatte eine Form der Bulimie, zwar nicht mit Erbrechen, aber mit Fressan- fällen und dem Versuch, am nächsten Tag gegenzusteuern, unter anderem mit Appetitzüglern und Abführmitteln.
Was ist der Ausweg aus der Essstörung?
Eine Therapie ist unbedingt nötig. In meinem Fall war die ambulante Therapie nicht ausreichend, ich brauchte eine stationäre Therapie. Die Unterstützung von Familie und Freunden ist wichtig, aber vor allem auch der eigene Wille, die Initiative zu ergreifen. Was mir persönlich sehr geholfen hat, war das Buch „Die Frau, die im Mondlicht aß“der US-amerikanischen Psychologin Anita Johnston, das mein Selbstwertgefühl als Frau gestärkt hat.
Was passiert während einer Therapie im Kopf?
Es geht darum, richtig essen zu lernen, mit Hunger und Sättigungsgefühl umzugehen. Bei mir bestand der Weg zunächst darin, nach einem Fressanfall nicht mehr gewaltsam gegenzusteuern. Und ich wurde mir bewusst, warum die Fressanfälle kamen. Es war die Suche nach Liebe, für die Süßigkeiten in meiner Kindheit zu einem Ersatz geworden waren. Es geht darum, dafür andere Wege zu finden.
Welche Fragen stellen Ihnen die Schülerinnen bei Ihren Vorträgen?
Oft wird gefragt, wie man es schafft, sich von diesem Umfeld abzuschotten, das die extrem dünnen Models propagiert. Aber es gibt auch Fragen zu „Germany’s next Topmodel“. Wie ist Heidi Klum? Was ist gestellt und was ist echt an der Sendung?
Und was ist daran echt?
Das ganze Mode-Business ist eine Show, die ja nicht dazu da ist, die Menschen glücklich zu machen, sondern um etwas zu verkaufen – nicht nur die Mode, sondern auch ein Lebensgefühl. Es wird suggeriert: Wer so ist wie die Models und sich so kleidet, ist glücklich. Ein Kleidungsstück wird als Schlüssel zum Glück verkauft. Dass es in Wirklichkeit nicht so ist, wissen wir doch eigentlich alle. „Essstörung! Ein (Ex-)Model erzählt: Hungern war gestern. Warum Gesundheit so viel wichtiger als Schönheit ist“heißt der Vortrag, den Kera Rachel Cook auf Einladung der AOK Ostwürttemberg am Donnerstag, 9. Februar, um 19 Uhr in der Mensa des Schulzentrums hält. Der Eintritt ist frei.