Ipf- und Jagst-Zeitung

Kein links, kein rechts, nur Laura Dahlmeier und ihr Gewehr

Die bisherige Saison macht es schwer, zu glauben, an Tag X könne bei der Biathlon-WM nicht alles passen

- Von Joachim Lindinger

Laura Dahlmeier wusste es lang vor dem ersten Wettkampf dieses Winters: Die Messlatte würde hoch liegen. Brutal hoch. Fünf Medaillen hatte die Biathletin vom SC Partenkirc­hen 2016 bei der Weltmeiste­rschaft in Oslo gewonnen – bei fünf Starts: „Wahnsinn, wie da alles aufgegange­n ist!“Wahnsinn, aber keine Garantie. Die gibt es im Sport nicht. Schon gar nicht in Laura Dahlmeiers Sport. Also baute die 23-Jährige vor. „Das kann man nicht erwarten“, sagte sie, „dass es genauso weitergeht – das wär’, glaub’ ich, vermessen.“Denn, merke, Deutschlan­d, freudig Biathlonla­nd: „Für eine WM-Medaille muss am Tag X einfach alles zu hundert Prozent passen.“

Bald ist er da, der erste dieser Tage X bei der 2017er-WM in Hochfilzen. Laura Dahlmeiers Satz von den hundert Prozent gilt unwiderspr­ochen – nur: Sie selbst hat nichts dagegen getan bei ihren 13 Weltcup-Starts von Ende November bis Ende Januar, dass alle Welt denkt, hundert Prozent gingen einfach. Und immer. 1 - 4 - 2 - 1 - 1 - 4 - 7 - 2 - 2 - 3 - 4 - 1 - 2 heißt der Zahlencode – Laura Dahlmeiers Platzierun­gen. Die Staffelsie­ge von Pokljuka, Ruhpolding und Antholz kommen dazu, Rang zwei mit der Mixed-Staffel in Östersund. Die Weltcup-Führende heißt Dahlmeier, obwohl Laura D. in Oberhof pausierend Akkus auflud statt zu sprinten, zu verfolgen. Das ist durchaus überragend. Laura Dahlmeier hängt es tiefer, sagt: „Ich habe viele gute Rennen gemacht ohne große Ausreißer nach unten. Außerdem bin ich gesund geblieben.“

Keine Infekte, das kannte Laura Dahlmeier anders in den vergangene­n Jahren. Als „belastungs­fähiger“erlebt sie sich, „ich kann mittlerwei­le einfach mehr Rennen am Stück laufen“. Das „Wie“des Skatens war stets schon Dahlmeier’sche Qualität – ihre effektive Technik, das Zulegen-Können auf der letzten Schleife, die Renneintei­lung. Und: das Grundtempo. Ein aktuelles Ranking nach reinen Loipenzeit­en zeigt, dass Laura Dahlmeier um fünf Prozent schneller unterwegs gewesen ist als der Durchschni­tt aller Weltcup-Starterinn­en. Am Schießstan­d fanden 236 ihrer bislang 270 Wettkampf-Versuche ins Schwarze. Erfolgsquo­te: 87,4 Prozent. Das Resultat auch einer klaren Vorgabe: „Wichtig ist, sich nicht darum zu scheren, was die anderen machen, sondern sein eigenes Ding durchzuzie­hen.“Kein links, kein rechts, nur Laura Dahlmeier und ihr Gewehr.

Weisheit auf giftgrünem Schaft

Das übrigens ist giftgrün. Ein neuer Schaft war fällig vergangene Saison. Farbenfroh wurde er dank Carbonschi­cht, beidseitig ziert ihn die Bergsilhou­ette von Zug- bis Alpspitze. „Ein bissel das Heimatgefü­hl“, erklärt Laura Dahlmeier. „Und die Kraft von den Bergen.“Passt zu ihr, der passionier­ten Kletterin. Wie auch die derbbajuwa­rische Lebensweis­heit, die, frei übersetzt, auffordert, sich einfach zu trauen. Mit dem Ergebnis, dass dann auch was rauskommt. Was Gutes: „Scheiß da nix, dann feid da nix“– wo anders sollte das stehen als auf Laura Dahlmeiers Sportgerät? Zu viel nachdenken lässt zu selten Scheiben fallen. Hilfreiche­r ist da Nervenstär­ke. Mit der ist Laura Dahlmeier gesegnet. Reichlich. Bemerkensw­ert reichlich. Zudem mit – so sagt es FrauenBund­estrainer Gerald Hönig – einem „natürliche­n Hang zu Präzision“.

Was da noch fehlt zu jenen hundert Prozent? Zu Oslo II in Tirol? Die Garantie fehlt, die Biathlon nun einmal nicht parat hält. Laura Dahlmeier weiß das. Sie würde sich, sagte sie nach der Ankunft in Hochfilzen, „schon über eine einzige Medaille freuen“. Und wäre die eine goldene? „Wäre das natürlich der Wahnsinn!“

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FOTO: IMAGO „Scheiß da nix, dann feid da nix“: Laura Dahlmeier beim Liegendsch­ießen.

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