Unterhaus nickt Brexit-Fahrplan der Regierung ab
Parlamentarier erteilen Premierministerin May per Gesetz die Erlaubnis zu EU-Austrittsverhandlungen
- Das Unterhaus in Großbritannien hat dem Brexit-Gesetz der Regierung mit großer Mehrheit zugestimmt. Das Gesetz soll Premierministerin Theresa May die Vollmacht geben, den EU-Austritt einzuleiten. 494 Abgeordnete stimmten am Mittwochabend dafür, 122 dagegen. Die Zustimmung des Oberhauses steht noch aus, gilt aber als sicher. Bis zum 7. März soll das Gesetz von beiden Häusern verabschiedet sein.
Theresa May hat in den vergangenen Monaten versichert, sie wolle die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien garantieren. Gleichzeitig müssten aber die rund eine Million Briten, die in den anderen 27 Mitgliedsländern leben, Gewissheit über ihre Zukunft bekommen, forderte sie. Regierungsquellen zufolge scheiterte ein solcher Deal kurz vor Weihnachten nicht zuletzt am Einspruch aus Berlin. Sobald sie im März das EU-Austrittsgesuch nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages eingereicht habe, wolle sie das Problem aus dem Weg schaffen, sicherte Theresa May zu.
Der Einbeziehung des Parlaments in den Brexit-Prozess hatte sie ursprünglich aus dem Weg gehen wollen. Doch das britische Oberste Gericht zwang sie zum jetzt laufenden Gesetzgebungsverfahren.
Jenseits der Auseinandersetzung über Detailfragen ging es für die konservative Regierung darum, ihr Gesetz möglichst unversehrt durchs Unterhaus zu bekommen. Denn das nicht gewählte Oberhaus lässt wichtige Regierungsvorlagen reibungslos passieren, wenn sie von den Volksvertretern unverändert akzeptiert worden sind. Die Beratungen in der zweiten Parlamentskammer sollen bis Anfang März abgeschlossen sein.
Emotionale Debatte
Die Abstimmungen der vergangenen Tage haben auf beiden Seiten ähnlich große Emotionen aufwallen lassen wie im Referendumskampf von 2016. Die Rhetorik mancher männlicher Abgeordneter veranlasste die Ex-Ministerin Anna Soubry zu der ätzenden Bemerkung, die Kollegen sollten „aufhören mit der Größe ihres Geschlechtsteils zu prahlen“(„stop willy-waving“). EU-feindliche Fraktionskollegen, sagte die Tory-Abgeordnete Claire Perry, würden sich benehmen wie „Dschihadisten, für die kein Brexit hart genug ist“.
Soubry und Perry gehörten am Dienstag zu den sieben Rebellen gegen die eigene Regierung, die sich einem Änderungsantrag der LabourOpposition angeschlossen haben. Damit sollte ein Vetorecht des Parlaments gegen den bis 2019 auszuhandelnden Brexit-Deal sichergestellt werden. Die Regierung setzte sich dennoch mit 326:293 Stimmen durch, wozu nordirische Unionisten sowie einige Labour-Rebellen beitrugen.
Ganz egal, ob begründet oder nicht – sämtliche Änderungsanträge hätten lediglich den EU-Austritt Großbritanniens verzögern oder verhindern sollen, gab eine der Abweichler, die deutschstämmige Gisela Stuart, zur Begründung an. „Es ging darum, dieses Gesetz jetzt unverändert ins Oberhaus zu bringen.“Die 61-Jährige gehörte 2016 zu den Sprechern der Austrittskampagne.