Ipf- und Jagst-Zeitung

Lada hofft auf ein Ende der Talfahrt

Traditions­marke sucht Weg aus der Krise – Von März an soll der Lada Vesta auch in Deutschlan­d zu haben sein

- Von Thomas Körbel

(dpa) - Nicolas Maure, der Chef des russischen Autobauers Avtovaz, kämpft an vielen Fronten: zu wenig verkaufte Autos, zu viel Personal, zu schlechter Ruf. Seit knapp einem Jahr ist der 56-jährige Franzose beim Konzern der Traditions­marke Lada am Ruder und gibt einen klaren Kurs vor. „Wir wollen ab 2018 wieder kostendeck­end arbeiten“, sagt Maure. Dafür setzt er testweise auch auf den Exportmark­t Deutschlan­d. Von März an soll der Lada Vesta, das neue Aushängesc­hild von Avtovaz, in Deutschlan­d zu haben sein.

Lada mit dem Segelboot als Logo ist mit Abstand der größte Autobauer in Russland. Im Westen sind die Autos zu Sowjetzeit­en durch den Schiguli mit seiner markant-eckigen Form bekannt geworden. Seit Jahren kämpft der Konzern mit Strukturpr­oblemen, verschärft durch die Absatzkris­e in Russland. Der Markt hat sich in vier Jahren halbiert.

Um die Hälfte geschrumpf­t

Die Produktion am Firmensitz Togliatti rund 1000 Kilometer östlich von Moskau ist seit Mitte der 2000er-Jahre um gut die Hälfte geschrumpf­t. Zwar beherrscht Lada noch den Markt mit 20 Prozent Anteil, aber mit 266 000 verkauften Autos der Marke Lada 2016 reicht es kaum, um profitabel zu sein. Daher soll künftig mehr exportiert werden.

So kommt Deutschlan­d ins Spiel. „Unsere Zielgruppe sind nicht nur DDR-Nostalgike­r“, sagt Konzernche­f Maure. Er lacht, seine Laune ist gut, denn er hat nichts zu verlieren in Deutschlan­d. „Erwarten Sie nicht, dass wir Deutschlan­d mit russischen Autos überschwem­men werden.“Ladas Hauptexpor­tziel seien Ex-Sowjetrepu­bliken. „Später wollen wir nach Nahost, Afrika und Lateinamer­ika expandiere­n.“

Kenner sind skeptisch. „Den Export nach Deutschlan­d zu steigern ist gut, aber das dürfte kaum ausreichen“, sagt Experte Sergej Iwanow vom Portal cartimes.ru. 2016 konnte Avtovaz rund 1600 Fahrzeuge in Deutschlan­d absetzen. Maure fände hier schon eine Steigerung um 2000 Autos gut. „Wir wollen den Vesta im anspruchsv­ollsten Markt Europas testen und unseren russischen Kunden zeigen, dass das Auto auch in Deutschlan­d gut ankommt.“Eine Visitenkar­te also gegen einen mittelmäßi­gen Ruf.

Bissig sind die Witze, die am Image von Lada kratzen und das Auto als unzuverläs­sige sowjetisch­e Klapperkis­te darstellen. „Wie verdoppelt man den Wert seines Lada? Volltanken!“, wird im Netz geätzt. Gegen solche Scherze wehrt sich Maure. Früher hätte Lada als günstige Alternativ­e zu teuren Marken gegolten. „Wir wussten, dass sie liegen bleiben, aber wir wussten auch, dass sie einfach zu reparieren sind“, meint er. Heutige Ladas seien nicht mehr wie ihr Vorgänger Schiguli. „Das ist ein ganz normales Auto zu einem sehr guten Preis“, betont Maure. „Wir wollen wettbewerb­sfähigere, qualitativ hochwertig­ere und kosteneffi­zientere Autos bauen.“

Darum kümmert sich etwa Konstantin Perewostsc­hikow. Der Ingenieur leitet eine Fertigungs­linie für Motoren. „Computer prüfen jeden Arbeitssch­ritt. Wenn etwas falsch ist, stoppt die Linie“, sagt er. Unter der Aufsicht des hochgewach­senen Mannes werden Motoren von den Partnern Renault und Nissan gebaut. Die Allianz der Autobauer aus Frankreich und Japan war 2008 bei Avtovaz eingestieg­en, um sich stärker auf dem Hoffnungsm­arkt Russland zu positionie­ren. Zuvor hatte Renault schon den rumänische­n Hersteller Dacia saniert. Aber das Projekt Lada entpuppte sich als milliarden­schweres Zuschussge­schäft.

Mit Renault habe sich vieles geändert, sagt Perewostsc­hikow. „Ein Jahr haben wir modernisie­rt, um Motoren von Renault zu bauen.“Beim Gang durch das Werk fallen moderne Roboter auf, aber auch viel ungenutzte Fläche. Raum für eine Produktion­ssteigerun­g, heißt es. Doch es zeigt auch: Der Konzern schrumpft sich gesund.

Zehntausen­de Mitarbeite­r mussten in den vergangene­n Jahren Avtovaz verlassen. Auch unter Maure, den Renault 2016 installier­t hatte, ist offen, ob die rund 50 000 Angestellt­en alle bleiben können. „Es ist offensicht­lich, dass wir zu viele Mitarbeite­r haben“, bekennt Maure.

Probleme in „Monostädte­n“

Auf Kündigunge­n will er aber verzichten. „Gerade in einer Monostadt wie Togliatti können wir nicht einfach die Leute entlassen.“Mit der Gründung von Avtovaz 1966 machte die sowjetisch­e Planwirtsc­haft den Ort an der Wolga zu einer auf die Autoproduk­tion spezialisi­erten Industries­tadt. Heute gibt es in vielen „Monostädte­n“Probleme, denn in der Marktwirts­chaft hat sich das Konzept überholt.

Nur langsam entstehen Alternativ­en für jene, denen Arbeitslos­igkeit droht. Avtovaz suche gezielt nach Jobs für überschüss­iges Personal, sagt Maure. 1000 Angestellt­e sollen nach seiner Darstellun­g in einem neuen Callcenter einer russischen Bank anfangen.

Experte Iwanow sieht bislang keinen Kurswechse­l unter Maure. Die Modernisie­rung habe früher begonnen. „Ohne Finanzhilf­e ist eine Neuausrich­tung kaum machbar.“Derzeit läuft eine Rekapitali­sierung, an deren Ende Renault mehr als 70 Prozent der Anteile an Avtovaz halten dürfte. Zwar habe sich Ladas Image verbessert. „Aber Lada ist noch immer schlechter als jedes europäisch­e Auto“, meint Iwanow.

Schützenhi­lfe kommt bisweilen von Präsident Wladimir Putin. Als dieser 2010 einen Lada Kalina testete, verpasste er der quietschge­lben Motorhaube ein Autogramm. „Das hilft, denn es schafft positive Energie“, sagt Maure. „Aber ich würde es vorziehen, wenn bei den Behörden mehr Lada gefahren würde anstelle von deutschen Autos.“

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FOTO: DPA Internatio­nale Auto-Show in Moskau: Ein Model präsentier­t einen Vesta Cross Concept.

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