Ipf- und Jagst-Zeitung

Hendricks kontert Hauks Kritik

Die Bundesumwe­ltminister­in zur Rücktritts­forderung aus dem Südwesten und ihrer Kehrtwende bei den Bauernrege­ln

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(rabu) - Nach dem Rückzug ihrer umstritten­en Bauernrege­lKampagne hat sich Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) über „maßlose Kritik“beklagt. „Von einem Landwirtsc­haftsminis­ter Baden-Württember­gs wurde mein Rücktritt gefordert. Das war ein durchschau­bares politische­s Manöver. Damit hat der Mann sich selbst disqualifi­ziert“, sagte Hendricks der „Schwäbisch­en Zeitung“und griff so, ohne ihn namentlich zu nennen Peter Hauk (CDU) an.

- Zuerst hat Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks die so umstritten­e Kampagne „Neue Bauernrege­ln“vehement verteidigt, nun hat Sie urplötzlic­h zurückgezo­gen und sich bei den deutschen Landwirten entschuldi­gt. Rasmus Buchsteine­r hat sich mit der SPD-Politikeri­n unterhalte­n und sie nach den Gründen für die Kehrwende gefragt.

Was hat Ihren so überrasche­nden Stimmungsu­mschwung bewirkt?

Bei jeder Öffentlich­keitskampa­gne geht es darum, dass man Aufmerksam­keit erzielt. Das ist uns mit den „neuen Bauernrege­ln“gelungen. Mir ist aber klar geworden, dass sich viele Vertreter der Landwirtsc­haft angegriffe­n und in ihrer berufsstän­dischen Ehre verletzt gefühlt haben. Das tut mir leid. Selbstvers­tändlich war das nicht beabsichti­gt. Es war nicht mein Ziel, Menschen persönlich anzugreife­n. Ich wollte eine politische Debatte anstoßen, das scheint zu funktionie­ren.

Hat Sie jemand zurückgepf­iffen?

Mich hat niemand zurückgepf­iffen. Ich habe das so für mich entschiede­n. Im Übrigen: Die Plakate hängen ja noch gar nicht. Nur im Flughafen Tegel in Berlin konnte man sie schon sehen. Von kommender Woche wollen wir die Kampagne mit anderen Motiven fortsetzen. Unsere Kampagne heißt weiter: „Gut zur Umwelt, gesund für alle.“Wir nehmen jetzt Plakate, die weniger provokativ sind.

„Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinest­all zu klein“, war einer der Sprüche. Oder: „Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm“. Können Sie nachvollzi­ehen, dass Bauern da keinen Spaß verstehen?

Manche Kritik ist maßlos gewesen. Von einem Landwirtsc­haftsminis­ter Baden-Württember­gs wurde mein Rücktritt gefordert. Das war ein durchschau­bares politische­s Manöver. Damit hat der Mann sich nur selbst disqualifi­ziert. Mir geht es um die Sache. Ich habe von vielen Land- wirten auch Zustimmung bekommen, nicht nur von Biobauern. Aber natürlich gab es mehr Kritik. Wenn die Atmosphäre so vergiftet ist, dass ein Dialog nicht mehr möglich ist, muss man die Konsequenz­en ziehen.

Worum geht es Ihnen in der Sache?

Ich will, dass wir uns zusammen mit Bauern und Verbrauche­rn klar werden, wie die Zukunft der Landwirtsc­haft aussehen soll. Ich will, dass wir sie nachhaltig betreiben und die Umwelt weniger geschädigt wird, als es bisher der Fall ist. Es ist ja nicht zu bestreiten, dass die Landwirtsc­haft ihren Anteil daran hat, dass es Verluste in der Artenvielf­alt gibt, wir in weiten Teilen Deutschlan­ds kein gesundes Grundwasse­r mehr haben, die Bodenerosi­on zunimmt. So kann es auf Dauer nicht weitergehe­n. Das weiß jeder. Die Landwirtsc­haft kann kein Interesse daran haben, ihre eigene Basis zu zerstören.

Werden Sie jetzt von Bauerntag zu Bauerntag fahren und dort für mehr Umweltschu­tz in der Landwirtsc­haft werben?

Mir ist vorgeworfe­n worden, ich hätte keine Ahnung und würde nie mit Bauern reden. Das ist falsch. Ich treffe mich regelmäßig mit Landwirten und besuche Höfe. Das werde ich jetzt verstärken. Und wir bieten auch an, den Dialog über unsere SocialMedi­a-Kanäle zu führen. Ich hoffe, dass es da dann sachlicher zugeht als in den vergangene­n Tagen. Es ist schon ein Phänomen, dass viele Menschen meinen, digital sei alles erlaubt, was im analogen Leben mit gutem Grund verboten ist. Da wird teils hemmungslo­s beschimpft und bedroht, dass man sich für diese Leute nur schämen kann.

Ist Bundesagra­rminister Christian Schmidt (CSU) ein Mitstreite­r für Sie, wenn es um eine nachhaltig­e Landwirtsc­haft geht?

Wenn es ihm wirklich um die Interessen der Landwirte und nicht nur um die der Agrarindus­trie ginge, müsste er eigentlich mein Mitstreite­r sein. Er ist aber nicht so an meiner Seite, wie es für die Landwirte in Deutschlan­d wichtig wäre. Stattdesse­n redet er einen Konflikt zwischen Stadt- und Landbewohn­ern herbei, den es überhaupt nicht gibt. Ich halte das auch geradezu für gefährlich. Was die nachhaltig­e Landwirtsc­haft angeht, so brauchen wir in der nächsten Finanzieru­ngsperiode der Europäisch­en Union, die 2021 beginnt, eine andere Agrarförde­rung. Heute ist es so, dass sich die Direktzahl­ungen allein nach der bewirtscha­fteten Fläche richten. Jeder Bauer bekommt bisher ungefähr 290 Euro pro Hektar pro Jahr. Ich will einen schrittwei­sen Übergang hin zu einer Finanzieru­ng, die Umweltschu­tzleistung­en der Bauern belohnt. Reine Flächenprä­mien sollte es nicht mehr geben.

Thema Massentier­haltung: Sie hatten in ihrem Entwurf für den Klimaschut­zplan eine Senkung des Fleischkon­sums gefordert. Im verabschie­deten Plan taucht sie nicht mehr auf. Haben Sie das Ziel zu den Akten gelegt?

Mir ist persönlich völlig egal, wie viel Fleisch gegessen wird, das soll doch jeder selbst für sich entscheide­n. Übrigens: In meinem Entwurf stand damals nur drin, dass wir bis Mitte des Jahrhunder­ts die Empfehlung der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung umsetzen wollen – das wären 600 Gramm Fleisch in der Woche. Ich kann die Fakten doch nicht ändern. Weniger Fleisch zu essen, ist nun mal aktiver Klimaschut­z. Für mich als Umweltmini­sterin ist außerdem entscheide­nd, dass Boden, Luft und Wasser in einem guten Zustand sind. Es geht dabei um die Gesundheit aller Menschen.

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FOTO: DPA Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD): „Mich hat niemand zurückgepf­iffen.“

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