Ipf- und Jagst-Zeitung

Atommeiler werden zum Risiko

- Von Christine Longin und Agenturen

Eine Explosion im französisc­hen Akw Flamanvill­e hat Sicherheit­smängel in den Atomkraftw­erken des Landes offengeleg­t. Nach der Explosion außerhalb des atomaren Bereichs wurde am Donnerstag ein Reaktor herunterge­fahren. Ein Strahlungs­risiko bestand nicht. Umweltschü­tzer und Politiker warnen nach dem Unfall dennoch vor den Gefahren der Atomkraft.

So weist die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace darauf hin, dass es sich bereits um den dritten Brand innerhalb von zehn Tagen in einer französisc­hen Atomanlage handelte. In Cattenom an der Mosel war ebenfalls zweimal ein Feuer ausgebroch­en, zuletzt am Sonntag im Maschinenr­aum. Ende Januar hatte es im Verwaltung­sgebäude von Cattenom gebrannt. Eine dicke Rauchwolke hing über der Anlage, die nur 70 Kilometer von Saarbrücke­n entfernt ist.

Saarland, Rheinland-Pfalz und Luxemburg fordern die Abschaltun­g des Meilers. „Das alles hängt mit der schweren Verschlech­terung des Zustands der französisc­hen Reaktoren zusammen“, erklärt Greenpeace Frankreich. Auch die Atomsicher­heitsbehör­de ASN habe die Probleme angesproch­en. ASN-Chef PierreFran­ck Chevet hatte im Januar gesagt: „Was die Atomanlage­n angeht, ist der Kontext besorgnise­rregend.“

Die Reaktoren des Akw Flamanvill­e sind mehr als 30 Jahre alt und haben eine Leistung von 1300 Megawatt. 2015 hatte die Rauchentwi­cklung in Reaktor zwei den Notfallpla­n in Gang gesetzt, ohne dass ein Feuer ausgebroch­en war. Wenig später legte eine Transforma­torenpanne Reaktor zwei lahm. Reaktor eins hat dagegen problemlos funktionie­rt.

Hollandes Verspreche­n

Als dritter Reaktor soll 2018 der moderne Druckwasse­rreaktor EPR dazukommen, an dem seit 2007 gebaut wird. Allerdings ist der EPR schon jetzt pannenanfä­llig, so dass sich die Inbetriebn­ahme verzögert. Zuletzt waren Mängel am Stahl festgestel­lt worden, aus dem Teile des Druckbehäl­ters bestehen. Vom Start von Flamanvill­e drei hängt die Abschaltun­g des Atomkraftw­erks Fessenheim am Oberrhein ab. Präsident François Hollande hatte versproche­n, den ältesten Meiler Frankreich­s vom Netz zu nehmen. Mit einem Beschluss des Betreibers EDF wurde das Aus im Januar in die Wege geleitet.

Auch in Belgien sorgen die Mängel an den Atommeiler­n oft für Schlagzeil­en. Die Akw verzeichne­n häufiger Pannen als deutsche Meiler. Laut belgischer Aufsichtsb­ehörde FANC gab es an den beiden Standorten Doel und Tihange in den vergangene­n zehn Jahren 94 Zwischenfä­lle der Ines-Stufe 1. Hinzu kommt ein Ereignis der Stufe 2 im Kraftwerk Doel.

Von „belgischen Bröckel-Reaktoren“spricht Nordrhein-Westfalens Umweltmini­ster Johannes Remmel, die Grünen-Umweltexpe­rtin Sylvia Kotting-Uhl gar von einer „Zeitbombe an unserer Grenze“. Da seit 2012 viele feine Risse in Reaktorbeh­ältern gefunden wurden, fühlen sich die deutschen Mahner bei jedem Vorfall bestätigt und fordern: Die Meiler Doel 3 und Tihange 2 müssen vom Netz. Eine Gefahr, dass sie bald in die Luft fliegen, sehen Experten jedoch nicht.

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