Ipf- und Jagst-Zeitung

Das große Sterben

Mehr als 300 Grindwale an der Südinsel Neuseeland­s gestrandet und verendet

- Von Christoph Sator und Jule Scherer

(dpa) - Die Landzunge von Farewell Spit, ganz oben auf Neuseeland­s Südinsel, gehört zu den stilleren Ecken des Pazifiksta­ats. Am Freitag lagen dort im seichten Wasser und am Strand die Kadaver von etwa 300 Grindwalen: mächtige, schwarze Tiere, viele Hundert Kilogramm schwer und bis zu acht Meter lang. Dazwischen Helfer, die verzweifel­t darum kämpften, mehr als 100 weitere Wale, die noch am Leben waren, irgendwie zu retten. Wer dabei war in Farewell Spit, wird die Bilder wohl nie mehr aus dem Kopf bekommen. Wie Peter Wiles, einer der ersten Freiwillig­en, die zur Stelle waren: „Das ist eines der traurigste­n Dinge, die ich jemals gesehen habe. So viele einfühlsam­e Wesen, die jetzt einfach wie Müll am Strand liegen.“

Solche Fälle kommen an den Küsten der Weltmeere immer wieder vor. Aber ein solches Massenster­ben hat es schon länger nicht mehr gegeben. In Neuseeland muss man in den Archiven der Meeresfors­cher mehr als drei Jahrzehnte zurückgehe­n: Zuletzt waren dort 1985 noch mehr Wale gestrandet, 450 damals. In Farewell Spit zählte die Naturschut­zbehörde DOC (Department of Conservati­on) am Freitag 416 Tiere. Die größte Walstrandu­ng wurde 1918 verzeichne­t: 1000 Tiere waren es damals.

Die Versuche, die noch lebenden Tiere zurück ins offene Meer zu bugsieren, hatten nur teilweise Erfolg. Von den 120 Walen schwamm mehr als die Hälfte sofort wieder zurück. Später begnügten sich die Helfer damit, die Tiere kühl und feucht zu halten und sie vor der Sonne zu schützen. In der Hoffnung auf die nächste Flut. Farewell Spit wurde für Wale schon mehrfach zur tödlichen Falle: Erst im Februar 2015 waren dort 200 Grindwale gestrandet. 140 davon überlebten nicht.

Ein ungeklärte­s Rätsel

Warum die Wale an Land schwammen, weiß niemand genau. Möglicherw­eise war das Echolotsys­tem der Tiere gestört. Wale orientiere­n sich über ihr enorm empfindlic­hes Gehör. Lärm, zum Beispiel durch militärisc­hes Sonar oder Schiffe, macht ihnen sehr zu schaffen. Zudem ist die Gegend bei Experten dafür bekannt, dass der schlammige Meeresbode­n hier kaum Schall zurückstra­hlt. Auf diese Weise könnten die Wale den Eindruck bekommen haben, dass sie in tiefem Gewässer unterwegs seien.

Zudem gelten Grindwale als enorm sozial eingestell­te Tiere. „Es reicht, wenn nur ein einziger in Schwierigk­eiten ist. Schon versuchen die anderen, ihm zu helfen“, sagt der deutsche Meeresbiol­oge Jochen Zaeschmar. Bekannt sind auch Fälle, in denen Grindwale einfach dem Leittier ans Ufer folgten.

Neuseeland gehört weltweit zu den Ländern, an deren Küsten am häufigsten Wale stranden. Dennoch denkt die Naturschut­zbehörde nicht daran, Abschrecks­ysteme wie etwa Schallsign­ale anzuwenden. „Das Letzte, was wir tun wollen, ist, diese Tiere zu stören und sie aus der Bucht zu vertreiben“, erklärte der DOC-Experte Andrew Lamason einmal. So traurig Strandunge­n auch seien – sie gehörten in der Natur zum Lauf der Dinge eben dazu.

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FOTO: DPA Ein Bild des Jammers: Gestrandet­e Grindwale in Farewell Spit.

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