Das große Sterben
Mehr als 300 Grindwale an der Südinsel Neuseelands gestrandet und verendet
(dpa) - Die Landzunge von Farewell Spit, ganz oben auf Neuseelands Südinsel, gehört zu den stilleren Ecken des Pazifikstaats. Am Freitag lagen dort im seichten Wasser und am Strand die Kadaver von etwa 300 Grindwalen: mächtige, schwarze Tiere, viele Hundert Kilogramm schwer und bis zu acht Meter lang. Dazwischen Helfer, die verzweifelt darum kämpften, mehr als 100 weitere Wale, die noch am Leben waren, irgendwie zu retten. Wer dabei war in Farewell Spit, wird die Bilder wohl nie mehr aus dem Kopf bekommen. Wie Peter Wiles, einer der ersten Freiwilligen, die zur Stelle waren: „Das ist eines der traurigsten Dinge, die ich jemals gesehen habe. So viele einfühlsame Wesen, die jetzt einfach wie Müll am Strand liegen.“
Solche Fälle kommen an den Küsten der Weltmeere immer wieder vor. Aber ein solches Massensterben hat es schon länger nicht mehr gegeben. In Neuseeland muss man in den Archiven der Meeresforscher mehr als drei Jahrzehnte zurückgehen: Zuletzt waren dort 1985 noch mehr Wale gestrandet, 450 damals. In Farewell Spit zählte die Naturschutzbehörde DOC (Department of Conservation) am Freitag 416 Tiere. Die größte Walstrandung wurde 1918 verzeichnet: 1000 Tiere waren es damals.
Die Versuche, die noch lebenden Tiere zurück ins offene Meer zu bugsieren, hatten nur teilweise Erfolg. Von den 120 Walen schwamm mehr als die Hälfte sofort wieder zurück. Später begnügten sich die Helfer damit, die Tiere kühl und feucht zu halten und sie vor der Sonne zu schützen. In der Hoffnung auf die nächste Flut. Farewell Spit wurde für Wale schon mehrfach zur tödlichen Falle: Erst im Februar 2015 waren dort 200 Grindwale gestrandet. 140 davon überlebten nicht.
Ein ungeklärtes Rätsel
Warum die Wale an Land schwammen, weiß niemand genau. Möglicherweise war das Echolotsystem der Tiere gestört. Wale orientieren sich über ihr enorm empfindliches Gehör. Lärm, zum Beispiel durch militärisches Sonar oder Schiffe, macht ihnen sehr zu schaffen. Zudem ist die Gegend bei Experten dafür bekannt, dass der schlammige Meeresboden hier kaum Schall zurückstrahlt. Auf diese Weise könnten die Wale den Eindruck bekommen haben, dass sie in tiefem Gewässer unterwegs seien.
Zudem gelten Grindwale als enorm sozial eingestellte Tiere. „Es reicht, wenn nur ein einziger in Schwierigkeiten ist. Schon versuchen die anderen, ihm zu helfen“, sagt der deutsche Meeresbiologe Jochen Zaeschmar. Bekannt sind auch Fälle, in denen Grindwale einfach dem Leittier ans Ufer folgten.
Neuseeland gehört weltweit zu den Ländern, an deren Küsten am häufigsten Wale stranden. Dennoch denkt die Naturschutzbehörde nicht daran, Abschrecksysteme wie etwa Schallsignale anzuwenden. „Das Letzte, was wir tun wollen, ist, diese Tiere zu stören und sie aus der Bucht zu vertreiben“, erklärte der DOC-Experte Andrew Lamason einmal. So traurig Strandungen auch seien – sie gehörten in der Natur zum Lauf der Dinge eben dazu.