Ipf- und Jagst-Zeitung

Wie eine Familie ohne Manieren

Die Dropkick Murphys beenden ihre Konzertrei­he in Deutschlan­d

- Von Kara Ballarin

- Das war es erstmal. Die Dropkick Murphys haben am Sonntag im hessischen Offenbach ihr vorerst letztes Konzert ihrer Deutschlan­dtour gegeben. Und zwar ein Konzert im eigentlich­en Sinne: viel Musik, viel Party, kein Gerede. Gut so, fand die feierwütig­e Menge und sang, sprang und tanzte sich die Seele aus dem Leib. Und so wurde ganz schnell aus 4000 Fremden eine Familie, wie Bassist/Sänger Ken Casey sagte. Eine, die bei allen Unterschie­dlichkeite­n tatsächlic­h etwas Verbindend­es hat: sechs Männer aus Boston, die ihnen seit 20 Jahren herrlich unfeinen Folk-Punk-Rock um die Ohren hauen.

In den Wochen vor dem Konzert in Offenbach wurden die Suchtexte in den sozialen Netzwerken immer verzweifel­ter, denn die Stadthalle mit Platz für 4000 Menschen war lange schon ausverkauf­t. Nun, an diesem Sonntagabe­nd, drängt ein bunter Haufen in den funktional­en Bau: betrunkene Punks, aufgerüsch­te Rockabilly-Ladies, HardcoreSk­inheads und alle Style-Facetten dazwischen. Teenies, die zum ersten Mal Dropkick Murphys live sehen, stehen neben Veteranen, die den zunehmende­n Ruhm der Band seit Jahrzehnte­n verfolgen. Der eine trägt ein T-Shirts mit der Aufschrift FCK NZS, ein anderer reißt sich zum Tanzen sein Hemd vom Leib und präsentier­t auf seinem muskulösen Rücken ein handteller­großes Tattoo eines Eisernen Kreuzes. Dass sich manche da draußen, vor den Hallentüre­n, im wirklichen Leben gegenseiti­g verabscheu­en für ihre Haltung, ist in diesem Moment egal.

Intro zum Kennenlern­en

Die Vorbands haben ihren Dienst getan, der Umbau ist rum, jetzt wird es dunkel im Saal und aus den Boxen schlägt der Menge der Sham-69Klassike­r „If The Kids Are United“entgegen. Die meisten sind wie die Bandmitgli­eder zwar dem Kids-Alter entwachsen, aber united, vereint, sind sie in den folgenden eineinhalb Stunden. Mit „The Lonesome Boatman“übernehmen die Dropkick Murphys die Bühne – das Instrument­al-Intro ihrer neuen Platte „11 Short Stories of Pain & Glory“dient der Band zum Kennenlern­en ihres heutigen Publikums. Und das macht mit passendem, lautstarke­m „Oh Uh Oh“-Gesumme einen guten Eindruck.

Was nun folgt, ist ein Ritt durch viele Hits der Bandgeschi­chte. Die Murphys nutzen ihre Zeit fürs Wesentlich­e. Im Gegensatz zu Bands wie NOFX, die auf der Bühne mehr reden als Musik machen, verschwend­et Sänger Al Barr keine Zeit für viele Worte. Am Schluss dankt der USAmerikan­er mit deutschen Wurzeln der Menge kurz auf Deutsch. Mehr nicht. Lieber schmettert er den Fans meist altbekannt­e Hymnen zum Mitgrölen wie „God Willing“entgegen. Von der neuen Platte gibt es wenige Kostproben. Wer dabei noch nicht allzu textsicher ist, kann trotzdem mitsingen. Etwa beim neuen Song „Blood“läuft im Hintergrun­d ein Video à la Karaoke mit den Textzeilen.

Auf der aktuellen Platte – aber alles andere als innovativ – ist auch das „Rodgers & Hammerstei­n“-Cover „You'll Never Walk Alone“. Das Lied lässt gestandene Männer sich rührselig in den Armen liegen – was nicht nur die Fans des FC Liverpool bei jedem Spiel beweisen, sondern längst auch die Spieler deutscher Kreisligen. Ob es das braucht, gerade an diesem Abend? Ansichtssa­che.

Nach einer Stunde verlassen die Musiker die Bühne. Das kann es noch nicht gewesen sein, weiß die Masse und stimmt „Let's go, Murphys“an. Das gehört ebenso zum Regieplan der Konzerte wie - seit ihrer Platte „Signed And Sealed in Blood“– die Rückkehr der Murphys auf die Bühne zum Song „The Boys Are Back“. Und dann, zur Zugabe, schalten die Boys noch mal einen Gang hoch.

Zu „Shipping up to Boston“bilden sich regionale Pogo-Tanzkreise überall in der Menge. Becher fliegen durch die Luft und deren alkoholisc­her Inhalt regnet auf die Feiernden herab. Schweißnas­se Körper rempeln sich grinsend an. Und hier und da steigen Rauchschwa­den auf – trotz unübersehb­arer Rauchverbo­tSchilder an allen Hallenwänd­en. Für ein paar Dutzend Fans der Höhepunkt: Zum letzten Lied, traditione­ll ist dies „Until The Next Time“mit der Zeile „We’ll Meet Again“– dürfen sie die Bühne stürmen und ergattern Selfies mit ihren Helden.

Ersatzfami­lie zum Wohlfühlen

„Danke, dass Ihr uns wie Familie behandelt“, sagt Co-Sänger Ken Casey in einem seiner wenigen gesprochen­en Worten an diesem Abend. Ja, das ist sie, die Menge an diesem Abend. Eine Familie. Eine, die ihre feinen Manieren zu Hause gelassen hat. Und sich deshalb herrlich wohl fühlt.

Informatio­nen zur Band unter

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FOTO: PR Die Dropkick Murphys aus Boston wissen, wie man aus 4000 Fremden eine Familie macht: mit viel Musik und wenig Gerede.

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