Viel mehr als nur jung
Julian Nagelsmann ist seit einem Jahr Trainer der TSG Hoffenheim – und richtig begehrt
(sz/SID/dpa) - Das Lächeln ist noch genau so spitzbübisch wie vor exakt einem Jahr. Man sieht Julian Nagelsmann nicht an, dass Trainerjahre eigentlich Hundejahre sind – also mal sieben. Selbst dann wäre Nagelsmann freilich erst 36, und damit immer noch der jüngste Trainer der Bundesliga. Die Sache mit dem Alter des Trainers der TSG Hoffenheim ist natürlich immer noch eine Geschichte wert, doch sie wird nicht mehr allzu oft beschrieben. Denn in seinen zwölf Monaten als Trainer einer Erstligamannschaft hat Nagelsmann bewiesen, dass Qualität keine Frage des Alters ist. Aus dem einstigen Notnagel, die Installation Nagelsmanns hatte vor einem Jahr ja beinahe was Verzweifeltes, schließlich befand sich die TSG in akuter Abstiegsgefahr, ist einer der Hoffnungsträger für die gesamte Trainerzunft geworden. Längst steht er auch ganz offiziell, weil von Präsident Uli Hoeneß so verkündet, auf der Liste der möglichen Kandidaten für die irgendwann anstehende Nachfolge von Carlo Ancelotti beim FC Bayern München. Längst musste Nagelsmann, der einmal den bemerkenswerten Satz gesagt hat, dass er „aus profilneurotischen Gründen“nicht Bundesliga-Trainer sein müsse, klarstellen, dass er in der kommenden Saison aber ganz sicher noch in Hoffenheim tätig sein werde.
In England wird der 29-Jährige wegen seiner Erfolge mit den Kraichgauern „Baby-Mourinho“genannt. Den Beinamen mag er nicht sonderlich, auch wenn er ihn schon seit Jahren begleitet. Der einstige TSG-Torhüter Tim Wiese verpasste ihm den Titel einst, als Nagelsmann unter Markus Gisdol Co-Trainer war. Wiese versucht sich mittlerweile als Wrestler, Nagelsmann ist als Chef in der Bundesliga angekommen. Als Julian Nagelsmann, nicht Baby-Mourinho. Möglicherweise ist sein taktisches Verständnis sogar noch ein wenig größer als Mourinhos – wenn man so etwas überhaupt sagen darf.
Ganz sicher ist Nagelsmann jedenfalls: dynamisch, praktisch, gut – dazu eloquent und im Gegensatz zu Jose Mourinho auch angenehm bodenständig. Und erfolgreich sowieso: Seit seinem Amtsantritt am 11. Februar 2016 holte der gebürtige Landsberger, der die Prüfung zum Fußballlehrer mit der Note 1,3 abgeschlossen hat, saisonübergreifend 57 Punkte aus 33 Spielen. Nur Rekordmeister Bayern München (81) und Borussia Dortmund (67) waren in dieser Zeit erfolgreicher.
Neulich im Presseraum der Rhein-Neckar-Arena verriet Nagelsmann, dass „die Gier nach Erfolg“in seinem Charakter stecke. Aber da scheint mehr zu sein – wie so oft bei diesen Trainern, deren Traum von der eigenen Profikarriere schon früh wegen einer Verletzung platzte.
Nagelsmann hat dieses Kapitel offiziell längst abgehakt. Und das wahrscheinlich mit größerer Souveränität als manch anderer. Denn bereits als 20-Jähriger stand er nach dem frühen Tod seines Vaters in der Pflicht. „Ich musste noch erwachsener werden und schnell lernen, Entscheidungen zu treffen, die nicht immer leicht und angenehm waren“, sagte der Vater eines kleinen Sohnes, der beim Umgang mit seinen Profis die Balance zwischen Respektsperson und Kumpel gefunden hat.
Am Sonntag geht es bei seinem Einjährigen beim VfL Wolfsburg (15.30 Uhr/Sky) aber in erster Linie nur um weitere drei Punkte für den aktuellen Tabellenfünften. „Ich habe mir keine Flasche Schampus kalt gestellt“, sagte er am Freitag. Wolfsburg: Benaglio – Knoche, Luiz Gustavo, Rodriguez – Guilavogui – Vieirinha, Seguin, Arnold, Gerhardt – Gomez, Malli. – Hoffenheim: Baumann – Süle, Vogt, Hübner – Kaderabek, Zuber – Rudy – Demirbay, Amiri – Uth, Kramaric.