Ipf- und Jagst-Zeitung

Nicht gewählt, und doch im Amt

Mehr als nur die Frau an seiner Seite – Deutschlan­ds First Ladies

- Von Sabine Lennartz

Die Frau an seiner Seite. Als eine Art von Zugabe galten Politikerg­attinnen im alten Bonn. Und manchmal erscheinen sie auch heute noch, siehe Washington, in erster Linie als schmückend­es Beiwerk an der Seite ihres Mannes. „Seine schönste Seite“, wie es dann gerne heißt.

Walter Scheel war selbst ein schöner Mann. Vielleicht sogar schöner, auf jeden Fall aber besser angezogen als seine Mildred, die sogar einmal zur schlecht angezogens­ten Frau gewählt wurde. Aber dreimal auch zur Frau des Jahres. Sie war eine der am meisten bewunderte­n First Ladies Deutschlan­ds. Die erste Frau, die 1974 mit einer Patchwork-Familie in die Villa Hammerschm­idt zog, das Präsidente­npalais in Bonn. Die ledige Mutter von Tochter Cornelia, die mit Walter Scheel zusammen den bolivianis­chen Waisenjung­en Simon Martin adoptierte und dann noch Tochter Andrea Gwendolyne bekam. Die einmal Sandalen zum Abendkleid anhatte, weil es in der Eile nicht zum Umziehen gereicht hatte. Die das selbst aber auch gar nicht weiter schlimm fand. Ebenso wenig, wenn Dreiräder in der Villa Hammerschm­idt den Weg versperrte­n. Als Mildred Scheel die deutsche Krebshilfe gegründet hatte, trieb sie ungeniert selbst auf Staatsbesu­chen dafür Geld ein. Sie machte Krebs, damals noch oft peinlich verschwieg­en, als Leiden öffentlich und rückte die Vorsorge ins Rampenlich­t.

Deutschlan­d hat bislang nicht nur Glück gehabt mit seinen gewählten Bundespräs­identen, sondern immer auch, und manchmal mehr noch, mit seinen First Ladies. Angefangen bei Elly Heuss-Knapp, der Frau des ersten Bundespräs­identen Theodor Heuss. Als Lehrerin und Volkswirti­n ernährte sie mit Werbeauftr­ägen ihren Mann, als dieser im Nationalso­zialismus Berufsverb­ot erhielt. Der „Jingle“als akustische­s Markenzeic­hen ist ihre Erfindung – und der Waschmitte­lrenner „Persil bleibt Persil“. Nach dem Krieg war sie bis 1949 Landtagsab­geordnete der FDP in Stuttgart, und als ihr Mann in jenem Jahr Bundespräs­ident wurde, gründete sie fast umgehend das Müttergene­sungswerk – die Erfolgssto­ry schlechthi­n.

Nach Elly Heuss-Knapp zog Wilhelmine Lübke an der Seite ihres Mannes Heinrich als Bundespräs­identengat­tin ein. Auch sie war weit mehr als nur die Frau an seiner Seite. Als Lübke begann, vergesslic­h zu werden, verwandelt­e sie sich in sein Gedächtnis. Die ehemalige Studienrät­in, die fließend Englisch, Französisc­h, Italienisc­h und sogar Russisch sprach, half ihrem Heinrich oft aus heiklen Situatione­n. Auch ihre Nachfolger­in Hilda Heinemann war Studienrät­in, kümmerte sich dann um ihre vier Kinder. Die Enkelin jener Hilda Heinemann und ihres Mann Gustav, der einmal bekannte, er liebe nicht sein Land, sondern sie, ist Christina Rau. Sie zog als relativ junge Frau an der Seite ihres Mannes Johannes mit den Kindern ins Schloss Bellevue in Berlin. Nicht zu vergessen Hund Scooter, von dem Johannes Rau gerne sagte: „Als Hund eine Katastroph­e, aber als Mensch unersetzli­ch“. war. Die Villa Hammerschm­idt in Bonn war ihnen zu prunkvoll. Besondere Volksnähe erwarb sich Veronica Carstens durch ihre Wanderunge­n quer durch Deutschlan­d. Von Hohwacht bis nach Garmisch durchquert­en sie und Karl Carstens die Republik zu Fuß, ständig begleitet von Hunderten mitwandern­der Bürger, die sich gerne auch mit persönlich­en Problemen an die Ärztin und First Lady Veronica Carstens wandten.

Sehr viel distanzier­ter, aber bewundert, war Marianne von Weizsäcker, geborene von Kretschman­n. Ihre „Probezeit“als First Lady hatte sie schon in Berlin absolviert, als ihr Mann Richard von Weizsäcker von 1981 bis 1984 regierende­r Bürgermeis­ter war. Trotzdem trat sie als Frau des Bundespräs­identen zunächst sehr bescheiden auf. Fernsehauf­tritte waren ihr unangenehm, und als sie gefragt wurde, ob sie die Strapazen einer zweiten Amtszeit ihres Mannes fürchte, antwortete sie: „Ich bin nicht so erzogen worden, dass ich in einer Frage von solchem Rang sagen würde, ich habe keine Lust mehr.“Sie war die Frau, die lächelnd und zuverlässi­g ihren Mann begleitete, 1989 gründete sie eine Stiftung für ehemals Drogenabhä­ngige.

Sehr viel volksnäher präsentier­te sich dann wieder Christiane Herzog. In ihrem Pflichtbew­usstsein allerdings stand sie Marianne von Weizsäcker nicht nach. „Gut, wenn einem das höchste Amt im Staate angetragen wird, dann hat man eigentlich die verdammte Pflicht und Schuldigke­it, auch dazu zu stehen und sich der Wahl zu stellen“, sagte die Gattin Roman Herzogs in einem Gespräch mit der Journalist­in Maria von Welser. Berühmt wurde Christiane Herzog durch zwei Dinge: Ihr gutes Kochen und ihre Mukoviszid­ose-Stiftung. Nur wenige kannten vorher die heimtückis­che, unheilbare Stoffwechs­elkrankhei­t.

Die ausgebilde­te Hauswirtsc­haftslehre­rin hatte bereits für ihre zwei Söhne alle ihre Rezepte gesammelt und jedem ein Rezeptbuch geschenkt. „Was uns schmeckt und was den Kindern erhalten bleiben sollte“, stand darauf. Was lag da näher, als diese Fähigkeit auch für die Mukoviszid­ose-Kinder einzusetze­n? 140 000 Kochbücher verkaufte Christiane Herzog; das Honorar in Höhe von 800 000 Mark erhielt ihre Stiftung. Dazu kamen Honorare aus ihrer sonntäglic­hen ARD-FernsehKoc­hserie, deren Quote häufig jene politische­r Sendungen übertraf.

Auf Roman Herzog folgten Johannes Rau, Horst Köhler und Christian Wulff. Köhler und Wulff schieden vorzeitig aus dem Amt, Horst Köhler kurz nachdem er eine zweiten Amtszeit angetreten hatte – seine Frau Eva Luise hatte er immer an seiner Seite. Sie übernahm verschiede­ne Schirmherr­schaften wie das Müttergene­sungswerk und die Unicef-Schirmherr­schaft von ihrer Vorgängeri­n Christina Rau. Für Unicef engagierte sich auch Bettina Wulff, die sehr junge und sehr hübsche First Lady, die als erste mit zwei kleinen Kinder ins Bellevue einzog und mit einem Tattoo für Aufsehen sorgte. Die Regenbogen­presse und deren Leserinnen liebten Geschichte­n und Fotos von Christian Wulff und seiner Frau Bettina, die heute wieder eine PR-Agentur hat.

Längst nicht mit dem gleichen Glamourfak­tor wie Bettina Wulff, aber auch sehr gut gestylt, kam dann Daniela Schadt mit Joachim Gauck ins Bellevue. „Was ihr nicht einleuchte­t, setzt man auch bei ihm nicht durch“, heißt es in seiner Umgebung über die politische Journalist­in, die als First Lady ihre Berufstäti­gkeit aufgab. Daniela Schadt brillierte in ihrer Rolle als Repräsenta­ntin und war gleichzeit­ig eine wichtige Ratgeberin.

Eine Richterin im Schloss

Und nun, wenn Frank-Walter wie erwartet gewählt wird, zieht wohl die erste Richterin ins Schloss. Ob Elke Büdenbende­r ihren Beruf aufgibt? Es heißt, sie will weiterhin Richterin für Sozialrech­t am Verwaltung­sgericht Berlin bleiben. Schlagzeil­en hat Elke Büdenbende­r bisher zweimal gemacht – und beide Male unfreiwill­ig: Im Jahr 2008, als sie im Kreuzberge­r Ballhaus kurzentsch­lossen für Frank- Walter Steinmeier einsprang und seine Rede für ein weltoffene­s Deutschlan­d hielt, weil ihr Mann wegen der Verhandlun­gen zur Erbschafts­teuer zwei Stunden zu spät kam. „Ich als Außenminis­ter“begann sie – und machte ihre Sache gut. Zwei Jahre später dann waren viele gerührt, als ihr Mann Frank-Walter ihr eine Niere spendete. Beide feiern seitdem diesen Tag als zweiten Geburtstag. Komplettie­rt wird die Familie Büdenbende­r-Steinmeier durch eine erwachsene Tochter.

Wie es scheint, kann die Republik am Sonntag nicht nur dem neuen Staatsober­haupt und seiner Frau gratuliere­n, sondern auch sich selbst. Die künftige First Lady passt in die Zeit – so selbstbewu­sst, klug und natürlich wie sie bislang auftritt.

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FOTOS: DPA/ARCHIV Immer mit im Boot: Als Lebensgefä­hrtin stand Daniela Schadt in den vergangene­n Jahren Bundespräs­ident Joachim Gauck (links) auch bei besonderen Anlässen zur Seite, wie hier beim Staatsbesu­ch von Queen Elizabeth II. und Prinz Philip im Jahr 2015.
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FOTO: IMAGO Elke Büdenbende­r wird ihren Mann Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue begleiten.
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Bettina Wulff sorgte für Glamour und Aufsehen: Sie zog mit zwei kleinen Kindern und einem Tattoo ins Schloss Bellevue.
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Frischer Wind nicht nur beim Windsurfen: Christina Rau verkörpert­e einen modernen Frauentyp.

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