Der will nur wohnen
Die Designbranche ist auf den Hund gekommen – Auch Körbchen, Näpfe und Kratzbäume gibt’s jetzt mit Stil
Unsere Hündin schläft in einem Zelt. Eins von denen, die sich in zwei Sekunden selbsttätig aufbauen und nie mehr einpacken lassen. Darin eine zerschnittene Isomatte und eine Decke. Das ist die komfortabelste Liegevariante, die sie in 12 Jahren hatte. Und sie scheint zufrieden. Okay, manches Mal schielt sie auf Bett und Sofa, aber sie weiß, die sind tabu. Unser einziger pflichtschuldiger Versuch mit einem echten Hundebett scheiterte nach wenigen Wochen daran, dass die Huskydame seine Oberfläche so eingehend zerkratzte, dass bald die Füllung herausquoll. Wir sind mit unserem Pragmatismus nicht allein auf der Welt: Bei den Nachbarn darf der Hund auf einem ausrangierten Schlafsack nächtigen. Und vermutlich handhaben es viele Hundebesitzer ähnlich.
Dabei ist es nicht mal die Scheu, Geld fürs Tier auszugeben. Eher der Schreck über die Hässlichkeit dessen, was einem in Tiergeschäften so angeboten wird. Da feilt man seit Jahren am eigenen Wohnstil, kauft brav skandinavisches Design, lebt endlich auch mit Klassikern. Kann man da neben den lang ersehnten Barcelona Chair wirklich einen Kratzbaum stellen? Was hat unterm Designerwaschtisch ein beiges Katzenklo zu suchen? Vor der Werkbank der Bulthaup-Küche ein oller Plastiknapf, der beim Essen quietschend über die edlen Fliesen wandert?
In den letzten Jahren haben sich kleine Labels etabliert, die diese Lücke schließen wollen. Fragt man, warum sie ihr Unternehmen gründeten, erzählen alle dasselbe: Sie haben für ihre eigenen Haustiere nichts gefunden, mit dem sie in ihrer Wohnung hätten glücklich werden können. Eine der Betroffenen war Frau Schmitt im oberfränkischen Lichtenfels: eine gewöhnliche Hauskatze. Ihre Besitzer mussten sich neu einrichten, weil ihnen die Wohnung ausgebrannt war – für die Mieze aber fanden sie nichts. Als Produktdesigner entwarfen Otto und Christel Meyer selbst etwas, eine Art Koje für die Wand. Es sollte vor zehn Jahren das erste Stück ihres Labels pet.interiors werden, mit dem sie später in abgewandelter Form Preise gewannen.
Sebastian Zweig in Herzogenaurach störte sich immer wieder an der Qualität von Zubehör für den Vierbeiner. Als seine Labradorhündin sich weigerte, wegen der raschelnden Styroporkügelchen ihr neues Hundebett zu benutzen, entschied er sich für ein eigenes Unternehmen: MiaCara. Die Einrichtungsbranche war ihm vertraut, er arbeitete zu der Zeit beim Schweizer Möbelhersteller DeSede. Petra Jungebluth dagegen machte in der Mode Karriere, bei Firmen wie Strenesse und Tommy Hilfiger. Was die Welt der Hunde angeht, vermisste sie Langlebigkeit wie auch Stil: „Fast alles hatte einen Knochen drauf, einen Strassstein oder einen dummen Spruch.“So startete sie in Kreuzberg mit Cloud7.
Eine Autostunde südlich von Berlin, arbeiten bis zu acht Mitarbeiter und fast so viele Hunde im Cloud7Büro. Letztere haben natürlich den Traumjob – sie üben sich im Liegen, testen die Prototypen, die hier rumstehen. Das kleine Rudel fleißiger Vierbeiner besteht aus Hunden der Chefin, der Mitarbeiter und Freunde, die ihre Lieblinge gern mal hier parken. Angefangen hat alles in Kreuzberg vor sechs Jahren, mit einem Schreibtisch im Gemeinschaftsbüro. Die Hundebetten musste die Designerin im Treppenhaus stapeln. Jetzt also Brandenburg mit acht Mitarbeitern, mehreren Lagern und einer Produktion in Polen. „Natürlich ist ein Hund auch glücklich, wenn er sein Leben lang auf einer Wolldecke schläft“, stellt sie klar. Aber es gehe auch besser, komfortabler und eben schöner. Und dass es dafür einen Bedarf gibt, zeigt ihr Erfolg. Denn schon nach ihrer ersten Messe, der Ambiente, wurden sie von edlen Conceptstores und eleganten Einrichtungshäusern geordert, lagen neben Minotti und Moroso. Offensichtlich hatten sie eine gute Nase.
Was an tierischem Design inzwischen so auf den Markt kommt, ist doch erstaunlich. Katzen kuscheln auf prächtigen Kunstfellkissen, verrichten ihr Geschäft in poppigen Kunststoffhöhlen. Es finden sich Outdoorbetten aus Polyrattan in angesagter Strickoptik (Curver). Der neueste Schrei aus Paris sind eine Art Schlafbälle, in die der Stubentiger durch ein Loch hineinspringt und die auch wildes Kratzen vertragen (Meyou). Selbst von Klassikern Inspiriertes hält Einzug: etwa Kugelsessel wie die von Eero Aarnio aus den Sechzigern im Kleinformat (Bark & Miao). Auch auf den MidCentury-Modern-Stil springen offensichtlich Tiere an, respektive ihre Besitzer. So bietet das exklusive Label Chimère ein Hunde- und Katzensofa mit Kvadrat-Stoffen, das auch dem Mad-Men-Büro alle Ehre gemacht hätte.
Ein Südkoreaner wollte seinen Landsleuten in puncto Tierliebe auf die Sprünge helfen, erfand ein Menschensofa, bei dem der Hund in der Lehne liegen kann oder in das eine Hundehütte integriert ist (Studio Mun). Einen echten Katzentisch ersann ein chinesischer Architekt, der sich seinen Schreibtisch zwar gern mit der Katze teilen wollte, aber nicht unbedingt die Platte. Durch die zieht sich ein Höhlensystem, in dem sich die Miezen gern aufhalten (Lycs Architects). Bereits vor vier Jahren entwarfen über ein Dutzend Architekten, darunter so berühmte wie Shigeru Ban, fürs Projekt „Architecture for Dogs“Hundemöbel, die dank der Gratis-Anleitung jeder bauen kann.
All das ist nichts im Vergleich zu dem, was sich Paris Hilton für ihre Hundchen in den Garten hat setzen lassen: Eine Kopie ihrer Villa, eine Art Hunde-Herrenhaus. 3,60 Meter hoch, innen pink gestrichen. Mit Galerie, Kronleuchter, Sofas, Betten, Schränken. Dazu Balkon und Außenbeleuchtung. Klimaanlage versteht sich von selbst. Durch eine große Tür hat auch Frauchen Zutritt. Die Zwergspitze, Chihuahuas, Pinscher und Yorkshire Terrier haben sogar eine eigene Facebook-Seite, unter ParisHiltonsPets. Auf der konnten Freunde sehen, dass kürzlich sogar Sportwagen aus Plüsch vor dem Hundehaus parkte – so groß, dass sich die Wauzis reinsetzen konnten.
Verhätschelte Schoßhündchen hat es schon immer gegeben. Design für Tiere will aber etwas ganz anderes. Im Allgemeinen wird schnell Kritik laut, wenn es mehr um den Halter geht, als um den Hund. Aber solange die Schönheit von Hundebett oder Katzenklo mit der Zufriedenheit des Tiers einhergeht, hat ja jeder etwas davon. „Es gibt da eine instinktive Grenze“, sagt Petra Jungebluth in Kolpin. „Ich entwickle gern Dinge, die man wirklich braucht und die praktisch sind, nicht tütelü.“So kommt auch bei Cloud7 zuerst die Matratze und dann das Drumherum. In Betten von pet.interiors oder MiaCara wird sogar viskoelastisches Material verarbeitet, das sich der Form des Tiers anpasst.
Christel Meyer erzählt von Feedbacks wie diesem: Habt ihr da Hundemagnete eingebaut? Zum ersten Mal ist er nicht aufgesprungen, als das Herrchen nach Hause kam. Dass Tiere kein ästhetisches Empfinden haben, wird von Tierexperten angenommen. Daran wollen wir nicht rütteln. Doch Fakt ist, dass es die kleinen Lieblinge durchaus bequem wollen. Und wenn Schönes gut ist, funktioniert Design für Tiere tatsächlich. Oder Design für Tiere stilbewusster Besitzer. Katzen würden wohl weiterhin einfach Whiskas kaufen.
Fast alles hatte einen Knochen drauf, einen Strassstein oder einen dummen Spruch. Petra Jungebluth vermisste Stil und Langlebigkeit bei den Produkten für Haustiere