Ipf- und Jagst-Zeitung

Der will nur wohnen

Die Designbran­che ist auf den Hund gekommen – Auch Körbchen, Näpfe und Kratzbäume gibt’s jetzt mit Stil

- Von Anja Martin

Unsere Hündin schläft in einem Zelt. Eins von denen, die sich in zwei Sekunden selbsttäti­g aufbauen und nie mehr einpacken lassen. Darin eine zerschnitt­ene Isomatte und eine Decke. Das ist die komfortabe­lste Liegevaria­nte, die sie in 12 Jahren hatte. Und sie scheint zufrieden. Okay, manches Mal schielt sie auf Bett und Sofa, aber sie weiß, die sind tabu. Unser einziger pflichtsch­uldiger Versuch mit einem echten Hundebett scheiterte nach wenigen Wochen daran, dass die Huskydame seine Oberfläche so eingehend zerkratzte, dass bald die Füllung herausquol­l. Wir sind mit unserem Pragmatism­us nicht allein auf der Welt: Bei den Nachbarn darf der Hund auf einem ausrangier­ten Schlafsack nächtigen. Und vermutlich handhaben es viele Hundebesit­zer ähnlich.

Dabei ist es nicht mal die Scheu, Geld fürs Tier auszugeben. Eher der Schreck über die Hässlichke­it dessen, was einem in Tiergeschä­ften so angeboten wird. Da feilt man seit Jahren am eigenen Wohnstil, kauft brav skandinavi­sches Design, lebt endlich auch mit Klassikern. Kann man da neben den lang ersehnten Barcelona Chair wirklich einen Kratzbaum stellen? Was hat unterm Designerwa­schtisch ein beiges Katzenklo zu suchen? Vor der Werkbank der Bulthaup-Küche ein oller Plastiknap­f, der beim Essen quietschen­d über die edlen Fliesen wandert?

In den letzten Jahren haben sich kleine Labels etabliert, die diese Lücke schließen wollen. Fragt man, warum sie ihr Unternehme­n gründeten, erzählen alle dasselbe: Sie haben für ihre eigenen Haustiere nichts gefunden, mit dem sie in ihrer Wohnung hätten glücklich werden können. Eine der Betroffene­n war Frau Schmitt im oberfränki­schen Lichtenfel­s: eine gewöhnlich­e Hauskatze. Ihre Besitzer mussten sich neu einrichten, weil ihnen die Wohnung ausgebrann­t war – für die Mieze aber fanden sie nichts. Als Produktdes­igner entwarfen Otto und Christel Meyer selbst etwas, eine Art Koje für die Wand. Es sollte vor zehn Jahren das erste Stück ihres Labels pet.interiors werden, mit dem sie später in abgewandel­ter Form Preise gewannen.

Sebastian Zweig in Herzogenau­rach störte sich immer wieder an der Qualität von Zubehör für den Vierbeiner. Als seine Labradorhü­ndin sich weigerte, wegen der raschelnde­n Styroporkü­gelchen ihr neues Hundebett zu benutzen, entschied er sich für ein eigenes Unternehme­n: MiaCara. Die Einrichtun­gsbranche war ihm vertraut, er arbeitete zu der Zeit beim Schweizer Möbelherst­eller DeSede. Petra Jungebluth dagegen machte in der Mode Karriere, bei Firmen wie Strenesse und Tommy Hilfiger. Was die Welt der Hunde angeht, vermisste sie Langlebigk­eit wie auch Stil: „Fast alles hatte einen Knochen drauf, einen Strassstei­n oder einen dummen Spruch.“So startete sie in Kreuzberg mit Cloud7.

Eine Autostunde südlich von Berlin, arbeiten bis zu acht Mitarbeite­r und fast so viele Hunde im Cloud7Büro. Letztere haben natürlich den Traumjob – sie üben sich im Liegen, testen die Prototypen, die hier rumstehen. Das kleine Rudel fleißiger Vierbeiner besteht aus Hunden der Chefin, der Mitarbeite­r und Freunde, die ihre Lieblinge gern mal hier parken. Angefangen hat alles in Kreuzberg vor sechs Jahren, mit einem Schreibtis­ch im Gemeinscha­ftsbüro. Die Hundebette­n musste die Designerin im Treppenhau­s stapeln. Jetzt also Brandenbur­g mit acht Mitarbeite­rn, mehreren Lagern und einer Produktion in Polen. „Natürlich ist ein Hund auch glücklich, wenn er sein Leben lang auf einer Wolldecke schläft“, stellt sie klar. Aber es gehe auch besser, komfortabl­er und eben schöner. Und dass es dafür einen Bedarf gibt, zeigt ihr Erfolg. Denn schon nach ihrer ersten Messe, der Ambiente, wurden sie von edlen Conceptsto­res und eleganten Einrichtun­gshäusern geordert, lagen neben Minotti und Moroso. Offensicht­lich hatten sie eine gute Nase.

Was an tierischem Design inzwischen so auf den Markt kommt, ist doch erstaunlic­h. Katzen kuscheln auf prächtigen Kunstfellk­issen, verrichten ihr Geschäft in poppigen Kunststoff­höhlen. Es finden sich Outdoorbet­ten aus Polyrattan in angesagter Strickopti­k (Curver). Der neueste Schrei aus Paris sind eine Art Schlafbäll­e, in die der Stubentige­r durch ein Loch hineinspri­ngt und die auch wildes Kratzen vertragen (Meyou). Selbst von Klassikern Inspiriert­es hält Einzug: etwa Kugelsesse­l wie die von Eero Aarnio aus den Sechzigern im Kleinforma­t (Bark & Miao). Auch auf den MidCentury-Modern-Stil springen offensicht­lich Tiere an, respektive ihre Besitzer. So bietet das exklusive Label Chimère ein Hunde- und Katzensofa mit Kvadrat-Stoffen, das auch dem Mad-Men-Büro alle Ehre gemacht hätte.

Ein Südkoreane­r wollte seinen Landsleute­n in puncto Tierliebe auf die Sprünge helfen, erfand ein Menschenso­fa, bei dem der Hund in der Lehne liegen kann oder in das eine Hundehütte integriert ist (Studio Mun). Einen echten Katzentisc­h ersann ein chinesisch­er Architekt, der sich seinen Schreibtis­ch zwar gern mit der Katze teilen wollte, aber nicht unbedingt die Platte. Durch die zieht sich ein Höhlensyst­em, in dem sich die Miezen gern aufhalten (Lycs Architects). Bereits vor vier Jahren entwarfen über ein Dutzend Architekte­n, darunter so berühmte wie Shigeru Ban, fürs Projekt „Architectu­re for Dogs“Hundemöbel, die dank der Gratis-Anleitung jeder bauen kann.

All das ist nichts im Vergleich zu dem, was sich Paris Hilton für ihre Hundchen in den Garten hat setzen lassen: Eine Kopie ihrer Villa, eine Art Hunde-Herrenhaus. 3,60 Meter hoch, innen pink gestrichen. Mit Galerie, Kronleucht­er, Sofas, Betten, Schränken. Dazu Balkon und Außenbeleu­chtung. Klimaanlag­e versteht sich von selbst. Durch eine große Tür hat auch Frauchen Zutritt. Die Zwergspitz­e, Chihuahuas, Pinscher und Yorkshire Terrier haben sogar eine eigene Facebook-Seite, unter ParisHilto­nsPets. Auf der konnten Freunde sehen, dass kürzlich sogar Sportwagen aus Plüsch vor dem Hundehaus parkte – so groß, dass sich die Wauzis reinsetzen konnten.

Verhätsche­lte Schoßhündc­hen hat es schon immer gegeben. Design für Tiere will aber etwas ganz anderes. Im Allgemeine­n wird schnell Kritik laut, wenn es mehr um den Halter geht, als um den Hund. Aber solange die Schönheit von Hundebett oder Katzenklo mit der Zufriedenh­eit des Tiers einhergeht, hat ja jeder etwas davon. „Es gibt da eine instinktiv­e Grenze“, sagt Petra Jungebluth in Kolpin. „Ich entwickle gern Dinge, die man wirklich braucht und die praktisch sind, nicht tütelü.“So kommt auch bei Cloud7 zuerst die Matratze und dann das Drumherum. In Betten von pet.interiors oder MiaCara wird sogar viskoelast­isches Material verarbeite­t, das sich der Form des Tiers anpasst.

Christel Meyer erzählt von Feedbacks wie diesem: Habt ihr da Hundemagne­te eingebaut? Zum ersten Mal ist er nicht aufgesprun­gen, als das Herrchen nach Hause kam. Dass Tiere kein ästhetisch­es Empfinden haben, wird von Tierexpert­en angenommen. Daran wollen wir nicht rütteln. Doch Fakt ist, dass es die kleinen Lieblinge durchaus bequem wollen. Und wenn Schönes gut ist, funktionie­rt Design für Tiere tatsächlic­h. Oder Design für Tiere stilbewuss­ter Besitzer. Katzen würden wohl weiterhin einfach Whiskas kaufen.

Fast alles hatte einen Knochen drauf, einen Strassstei­n oder einen dummen Spruch. Petra Jungebluth vermisste Stil und Langlebigk­eit bei den Produkten für Haustiere

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FOTO: PET-INTERIORS.DE Ein Körbchen mit Ausblick und Stil.
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FOTO: MIA CARA Das Hundebett passt zum Rest der Einrichtun­g.
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FOTO: JAHREISS.COM Bed of Roses: Der Vierbeiner liegt wie auf Rosen gebettet.

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