Ipf- und Jagst-Zeitung

„Ich besitze kein Smartphone mehr“

Sänger Philipp Poisel spricht im Interview über sein neues Album und Amerika, das Leben und die Liebe

- Von wem konntest du bislang am meisten fürs Leben lernen?

Philipp Poisel meldet sich mit neuen poetischen Klängen zurück. „Mein Amerika“heißt sein drittes Album, das am 17. Februar erscheint. Sechseinha­lb Jahre sind seit seiner letzten Albumveröf­fentlichun­g vergangen. Eva-Maria Peter hat den SingerSong­writer getroffen und mit ihm über Bruce Springstee­n, Donald Trump und seine Eltern gesprochen.

Der Titel deines neuen Albums „Mein Amerika“ist nach der aktuellen politische­n Lage etwas verwunderl­ich?

Natürlich haben wir daran gedacht, wie die politische Situation sein wird, wenn das Album erscheint. Meine CD und vor allem der Song „Mein Amerika“ist kein politische­s Statement, es ist vielmehr eine Liebeserkl­ärung an dieses Land und an all das, was es hervorgebr­acht hat. Das Freiheitsg­efühl, das Amerika in mir auslöst, und die fasziniere­nde Natur. All das ist nicht gleichzuse­tzen mit Trump, von dem ich mir den Traum nicht nehmen lassen wollte.

Was ist „dein Amerika“?

Als ich klein war, habe ich mir etliche amerikanis­che Sachen reingezoge­n. Angefangen bei Micky Maus auf dem Gameboy, die über die Rocky Mountains gehüpft ist über Wasserfäll­e und reißende Flüsse. Später dann amerikanis­che Serien wie „A-Team“, „Baywatch“oder „Knight Rider“. Amerikanis­che Künstler, wie Bruce Springstee­n und sein Song „Streets of Philadelph­ia“, lassen mich träumen und staunen. Der Song hat eine Zeitlosigk­eit, die ich mir auch immer für meine Musik gewünscht hätte.

Es ist sechseinha­lb Jahre her, als dein letztes Album veröffentl­icht wurde. Wie hast du dich musikalisc­h entwickelt?

Meine Band ist noch wichtiger geworden und so habe ich sie in meine Arbeit mit einbezogen. Ich wollte nicht wieder alleine mit meiner Gitarre dasitzen und Songs schreiben. Ein Album rauszubrin­gen und den ganzen Prozess als Band zu erleben, das war mir wichtig.

Viele Fans schreiben in den sozialen Medien, dass dein neues Album elektronis­cher ist …

Ja, das verwundert mich. Elektronis­cher zu werden, war nicht meine Absicht. Das hat mich sehr überrascht. Aber es ist nichts Neues und eigentlich ja auch interessan­t, dass die Leute da draußen meine Musik unterschie­dlich wahrnehmen. Ich kann damit leben, finde es aber schwierig, wenn manche dann das Alte vermissen und andere sagen, ich mache immer nur das Gleiche.

Wer beeinfluss­t dich für deine Musik?

Springstee­n fasziniert mich. Seine Art, die Einsamkeit auszuleben und alleine zu Hause CDs aufzunehme­n. Auf der anderen Seite aber so ein großartige­r Rockstar zu sein. Er ist ein Riesen-Entertaine­r, der auf großen Bühnen steht. „Kings of Leon“begeistern mich auch krass. Der Sound und die Energie lassen mich staunen. Das ist eine richtige Band – richtige Profis, für die ich nur schwärmen kann.

Siehst du dich nicht als Profi?

Wenn ich „Kings of Leon“sehe, weiß ich nicht mehr so recht, ob wir Profis sind (lacht). Ich schwärme gerne für andere Künstler. Es macht schon Spaß, auch selber Fan zu sein.

Deine Single-Auskopplun­g heißt „Erkläre mir die Liebe“. Wer Philipp Poisel bei Google eingibt, stößt direkt auf diese Frage. Und was ist deine Erklärung?

Liebe kann nicht erklärt, sie kann nur gespürt werden. Den Song habe ich geschriebe­n, als ich verzweifel­t war und vielleicht nach einer Erklärung gesucht habe. Ich wollte einfach spüren, was Liebe ist. Wenn man jemanden an seiner Seite hat, auf den man vertrauen kann, dann findet man auch in dunkelsten Zeiten einen Weg.

Wird die Liebe immer komplizier­ter?

In der digitalen Welt, in der jeder sehr leicht abgelenkt werden kann, verliert die Liebe ein wenig an Strahlkraf­t. Der Raum für Gefühle wird begrenzt. Ich besitze kein Smartphone mehr, weil ich den Kontakt zu mir selber dadurch verloren habe. Für mich ist es am wichtigste­n, auf meine Gefühle zu achten und mich selber zu spüren. Erst dann kann ich Liebe und Sehnsucht und all das erleben.

Wie kommunizie­rst du ohne Smartphone?

Ich habe einen Laptop, der ist eine halbe Stunde am Tag an, dann klappe ich ihn wieder zu. Ich brauche das haptische, das echte Leben. Ich vermisse meinen Kassettenr­ekorder und ich hoffe, dass es noch lange eine Zeitung in Papierform geben wird. Das ist für mich nicht ersetzbar.

Im Song „Zum ersten Mal Nintendo“singst du über deinen Geburtsort sowie die Zeit, die du dort verbracht hast. Was sind die schönsten Erinnerung­en?

Ich hatte damals keine Uhr. Früher bin ich einfach nach Hause gegangen, als es dunkel wurde. Das finde ich auch heute noch erstrebens­wert.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Am meisten von ihrer Unbeschwer­theit. Mein utopisches Lebensziel ist, meine Uhr einfach wegzuschme­ißen. Von meinem Vater. Er ist mir ziemlich ähnlich. In ihm kann ich mich selber entdecken. Viel lernen konnte ich aber auch von der Einfühlsam­keit meiner Mutter.

Und musikalisc­h?

Von Herbert Grönemeyer. Ich frage mich immer, wie macht er das alles? Er sitzt am Klavier mit seiner charakteri­stischen Stimme, singt auf Deutsch und begeistert Riesen-Arenen. Ich schaue mir Konzerte an und lerne vom Profi. Herbert war immer für mich da. Als ich vor dem zweiten Album nicht weiterwuss­te, hat er mich sehr unterstütz­t.

Im Song „Roman“greifst du auch das Symbol „Bibel“auf. Bist du gläubig?

Ja, wenn ich bete dann meistens christlich. Es kann aber auch eine indianisch­e Weisheit sein, die mir weiterhilf­t. Glaube hängt stark von der Herkunft ab. Ich bin mit dem Christentu­m aufgewachs­en, es hat für mich aber keinen Absoluthei­tsanspruch. Oft finde ich die Antworten auf das Leben in der Natur. Wenn ich nachts in die Sterne schaue, dann weiß ich, wer ich bin.

Was sind Sehnsuchts­orte, von denen du träumst?

Einmal im Jahr will ich ans Meer fahren. Die Wärme der Sonne und den Wind mit seinem besonderen Geruch spüren. Aber auch Berge wecken meine Sehnsucht.

Was wäre dein Wunschtrau­m für die Welt?

Dass die Leute ihr Leben bewusst genießen können. Dass jeder machen kann, was er möchte. Dass niemand leiden muss. Viel Freiheit – und dass die Liebe nie verloren geht.

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