Dem Honda Civic ist die Radikalkur gut bekommen
In der zehnten Generation zeigt sich der Kompakte noch sportlicher – Assistenten sind serienmäßig
Der neue Honda Civic fährt sich genau so wie er aussieht: flott, sportlich und dynamisch. Der Fünftürer mit Fließheck will zwar kein Spaßauto sein, doch seine Designer haben tief in die Trickkiste der Tuner gegriffen. Mit seiner keilförmigen Frontpartie, den großzügig dimensionierten Lufteinlässen und dem doppelten Spoiler am Heck, zeigt sich der in Deutschland entwickelte und in England produzierte Japaner als Vertreter einer betont sportlichen Generation von Kompaktautos. Ab 18. März steht die zehnte Civic-Generation mit zwei Turbo-Benzinern zu einem Einstiegspreis von 19 990 Euro bei den Händlern. Ein Diesel soll noch dieses Jahr folgen.
Für Honda ist der Civic das wichtigste Modell, wie Ko Yamamoto von der Entwicklungsabteilung bei der Fahrvorstellung in Offenbach versichert. Weil er so wichtig ist und weil sich im Segment der Kompakten viele Hersteller mit neuen Ideen tummeln, hat Honda alles auf eine Karte gesetzt und das Konzept des alten Civic über den Haufen geworfen. Neue Motoren, neue Getriebe, neue Lenkung, neue Sicherheits- und Assistenzsysteme – nichts sei beim Alten geblieben. Schluss mit Extratouren für amerikanische oder asiatische Märkte. Nach dem Motto „was für Europa gut ist, ist gut für die ganze Welt“, läuft der Civic jetzt auf einer Plattform.
Die Radikalkur ist dem Civic gut bekommen. Im Vergleich zum Vorgängermodell ist die neue Generation 3 Zentimeter breiter, 13,6 Zentimeter länger und zwei Zentimeter niedriger. Der Fahrer sitzt sogar 3,5 Zentimeter tiefer, was der sportlichen Ausrichtung entgegenkommt. Mit einer Länge von 4,52 Metern überbietet er den Klassenprimus VW Golf um mehr als 20 Zentimeter. Das macht sich innen positiv bemerkbar. Die Platzverhältnisse sind familientauglich.
Mehr Platz, auch im Kofferraum
Das Konzept der „magic seats“hat Honda aufgegeben. Die Rückbank klappt jetzt nicht mehr wie ein Kinosessel nach oben, die Lehnen lassen sich ganz konventionell im Verhältnis 60:40 umlegen. Das Kofferraumvolumen ist mit 478 Litern großzügig bemessen und kann auf 1267 Liter erweitert werden. Das Bedauern über die Einstellung des Kombi (Sports Tourer) hält sich angesichts der verbesserten Platzverhältnisse im normalen Fünftürer in Grenzen.
Das Interieur erscheint im Vergleich zum Exterieur eher nüchtern: keine Farbenspiele, kein Chrom und Glanz, sondern hartes, beständiges Plastik, das durch eine dezente Carbonoptik am Armaturenbrett und in den Türverkleidungen aufgepeppt wird. Mit Leder und diversen Paketen lässt sich der Innenraum aufhübschen. Das Cockpit zeigt sich aufgeräumt. Der Fahrer blickt auf ein ein 7-Zoll-Farbdisplay, das neben Tempo und Drehzahl auch sämtliche Informationen einschließlich Navi, SMS und E-Mail anzeigt. Die Bedienung durch das linke Daumenpad am Lenkrad will geübt sein. Das rechte Lenkradpad steuert den adaptiven Tempomat. Der ist übrigens zusammen mit anderen Sicherheits- und Fahrassistenzsystemen wie Kollisionwarner, Spurhalter oder Verkehrszeichenerkenner im Civic serienmäßig. Damit setzt Honda Maßstäbe, an denen sich andere Hersteller werden messen lassen müssen.
Das Fahrverhalten des Kompakten ist exzellent. Weder am Fahrwerk, das optional mit einem adaptiven Dämpfersystem ausgerüstet ist, noch an der Lenkung gibt es etwas auszusetzen. Im Gegenteil. Den Honda-Ingenieuren ist es gelungen, Handling und Wendigkeit zu verbessern. Die Verbundlenkerachse hinten ist durch eine Mehrlenkerachse ersetzt. Die elektrische Lenkung verfügt über ein Doppelritzel und eine variable Übersetzung. Sie reagiert direkt, ist leichtgängig und vermittelt dennoch den Kontakt zur Straße.
Ganz neu sind auch Motoren und Getriebe des Civic. Das 1-Liter-Aggregat läuft mit drei Zylindern und leistet 129 PS, der 1,5 Liter-Motor mit vier Zylindern 182 PS. Beide sind aufgeladen und verbrauchen nominell kombiniert zwischen 4,8 und 6,1 Liter, was sich im Fahrtest als unrealistisch erwies.
Ordentliche Motorisierung
Für den Alltagsbetrieb in Stadt und Land reicht der kleinere Motor aus. Er zeigt keine Schwächen, klingt im Grenzbereich aber arg gequält. Dem Mitfahrer von „Auto-Bild“gefällt dieses Röhren, das sich jenseits von 3000 Umdrehungen pro Minute einstellt. Die 53 zusätzlichen Pferde machen sich bei der 1,5-Liter-Maschine nicht so sehr in der Leistung als vielmehr in der Akustik und im Ansprechverhalten positiv bemerkbar. Der Preisunterschied zum kleineren Motor beträgt jedoch mindestens 8000 Euro.
Das Sechs-Gang-Getriebe ist eine Klasse für sich. Die Schaltwege sind kurz und knackig, und die Gänge flutschen nur so hinein. Das haben die Honda-Ingenieure prima hingekriegt. Für beide Motorisierungen sind auch Automatik-Getriebe (Aufpreis 1300 Euro) zu haben. Es handelt sich um neu entwickelte CVT-Getriebe, die mit Hilfe einer speziellen Steuerungssoftware sieben Schaltstufen simulieren. Der „Gummibandeffekt“soll dadurch gedämpft werden. Wir spürten weder etwas von Stufen noch von Gummiband und hörten nichts jaulen: Die Automatik erfüllt ihre Aufgabe perfekt. Die Schaltwippen am Lenkrad kann man sich aber sparen. Verbessert wurde die Aerodynamik und die Geräuschdämmung des Civic. Im Stand sind die Motoren kaum zu hören. In Sachen Konnektivität, Telemetrie und Sensorik gibt sich Honda keine Blöße. Der Civic versteht sich mit Apple CarPlay und Android Auto. Das 7-Zoll-Touch-screen-Display ist brillant und liegt gut im Blick. Es hat optional das Satellitennavigationssystem von Garmin an Bord, das zu den Besten zählt. Der 1.0-VTEC-Turbo ist in fünf Ausstattungsvarianten (S, Comfort, Elegance bis Executive Premium) zu Preisen zwischen 19 990 bis 28 270 Euro zu haben. Der 1,5VTEC-Turbo fängt mit „Sport“bei 27 960 Euro an und kostet in der höchsten Linie „Prestige“31 460 Euro.
Im Gegensatz zu den meisten Klassenkameraden ist beim Honda Civic die Liste der Sonderausstattungen mit acht Positionen äußerst bescheiden. Mehr als 35 000 Euro braucht man für den stärksten Civic mit feinem Leder nicht ausgeben, dann ist alles drin, sogar eine abnehmbare Anhängerkupplung. Das ist eine Ansage in einer vielfach aus dem Ruder laufenden automobilen Aufpreiswelt.