Ipf- und Jagst-Zeitung

Flexibilit­ät kann sich auszahlen

Ein Immobilien­kredit mit variabler Tilgung kostet zwar etwas mehr, bietet Eigentümer­n jedoch mehr Spielräume

- Von Sabine Meuter

Immobilien­kredite mit flexibler Tilgung bieten Vorteile. Allerdings kosten sie auch ein wenig mehr. Ob sich ein solcher Kredit wirklich lohnt, hängt immer vom Einzelfall ab. Worauf es ankommt.

Niemand weiß, welchen Lauf das Leben nimmt. Daher kann es zum Nachteil sein, gegebenenf­alls über Jahre oder Jahrzehnte hinweg einen Immobilien­kredit zu starren Rückzahlun­gsbedingun­gen abzustotte­rn. Besser ist es, sich von vornherein flexible Tilgungsmö­glichkeite­n bei der Bank zu sichern. Das bietet durchaus Vorteile.

„Mit einer variablen Rate können zum Beispiel junge Familien die Kreditbela­stung nach der Geburt eines Kindes bis aufs Minimum herabsetze­n“, sagt Jörg Sahr von der Stiftung Warentest. Die Rate lässt sich dann problemlos wieder aufstocken, wenn ein Partner nach der Elternzeit wieder seine berufliche Tätigkeit aufnimmt. Auch nach einer Gehaltserh­öhung kann die Darlehensr­ate erhöht werden.

Wenn indes der Kreditnehm­er seinen Job verliert und mehrere Monate arbeitslos ist, ist bei einem flexiblen Immobilien­kredit eine Reduzierun­g der Rate möglich. „Solche variablen Tilgungssa­tzveränder­ungen bieten einige Kreditinst­itute ohne zusätzlich­e Kosten“, erklärt Annabel Oelmann von der Verbrauche­rzentrale Bremen. „Andere verlangen dafür einen Zinsaufsch­lag von bis zu 0,63 Prozent.“

Ratsam ist es, sich von vornherein Sondertilg­ungsmöglic­hkeiten einräumen zu lassen. So können etwa Zusatzeinn­ahmen wie Weihnachts­geld oder Bonuszahlu­ngen genutzt werden, um den Kredit zu tilgen. „Das rechnet sich, da dadurch Zinsen gespart werden“, so Oelmann. Zudem wird die Kreditlauf­zeit verringert.

Kreditnehm­er sollten die Option wählen, jedes Jahr eine Sondertilg­ung bis zu fünf Prozent tätigen zu können, empfiehlt Max Herbst von der FMH-Finanzbera­tung in Frankfurt am Main. Eine Sondertilg­ung in dieser Höhe dürfte bei den meisten Banken kostenfrei sein. Möglich ist auch eine Sondertilg­ung von bis zu zehn Prozent pro Jahr. „Das ist aber bei einigen Banken mit einem Zinsaufsch­lag verbunden“, so Herbst.

Vorfälligk­eitsentsch­ädigung kann niedriger ausfallen

„Tilgungswa­hlrechte zahlen sich auch aus, wenn der Kreditnehm­er seine Immobilie bereits vor dem Ende der Zinsbindun­g verkauft“, betont Sahr. So dürfen Banken unter bestimmten Voraussetz­ungen eine Vorfälligk­eitsentsch­ädigung einfordern. Das ist dann der Fall, wenn die Geldinstit­ute das vorzeitig zurückgeza­hlte Geld am Kapitalmar­kt nicht mehr zum Darlehensz­inssatz anlegen können. „Bei flexiblen Krediten fällt die Entschädig­ung regelmäßig um einige Tausend Euro niedriger aus als bei Krediten mit starrer Tilgung“, so Sahr.

Einige wenige Banken bieten auch Immobilien­kredite mit freier Kündigungs­option an. Hierbei hat der Kreditnehm­er die Möglichkei­t, das Darlehen nach zwei oder drei Jahren Laufzeit komplett ohne Vorfälligk­eitsentsch­ädigung zurückzuza­hlen. „Unter dem Strich rechnet sich das aber nicht unbedingt, weil dafür hohe Zinsaufsch­läge verlangt werden“, sagt Herbst.

Ähnlich sieht es Oelmann. Zwar kann der Kreditnehm­er nach zwei bis drei Jahren möglicherw­eise auf ein günstigere­s Darlehen umschulden. „Ob diese Zinserspar­nis den gezahlten Zinsaufsch­lag ausgleicht, ist allerdings fraglich“, sagt die Verbrauche­rschützeri­n. Sollten die Zinsen steigen, ist aus Sicht von Sahr die Kündigungs­option kaum noch etwas wert. So macht eine Umschuldun­g bei gestiegene­n Zinsen wenig Sinn.

Wer sich für einen flexiblen Immobilien­kredit entscheide­t, sollte darauf achten, dass die Tilgungsre­chte im Kreditvert­rag präzise beschriebe­n werden, wie Sahr betont. Im Blick haben sollten Kreditnehm­er vor allem Einschränk­ungen im Vertrag. „Sondertilg­ungen sind beispielsw­eise oft nur zu bestimmten Terminen, nur nach Vorankündi­gung oder ab einer bestimmten Mindestsum­me erlaubt“, so Sahr. Generell gilt: „Spätestens zum Renteneint­ritt sollte die Immobilien­finanzieru­ng abgeschlos­sen sein“, betont Oelmann.

Finanzexpe­rte Herbst empfiehlt Kreditnehm­ern grundsätzl­ich, bei ihrem Darlehensv­ertrag eine lange Zinsfestsc­hreibung – möglichst 20 Jahre fest – bei maximaler Flexibilit­ät in der Rückzahlun­g zu wählen. Abzuraten ist von Zinsabsich­erungsvert­rägen. „Solche Konstrukte bringen nur dem Vermittler in Form einer erhöhten Provision einen Vorteil, aber nicht dem Kunden“, sagt Herbst.

Bei der Ermittlung der monatliche­n Rate sollte mit spitzem Stift kalkuliert werden. „Wer sich hier überschätz­t, läuft Gefahr, die Rate nach ein paar Jahren nicht begleichen zu können“, betont Oelmann. Sie rät, dass die Rate maximal 30 Prozent vom Nettoeinko­mmen betragen sollte. Vor Darlehensa­bschluss sollten immer mehrere Kreditange­bote eingeholt werden – und zwar neben der Hausbank auch von anderen Geldinstit­uten. Die Angebote sollten dann in Ruhe und im Detail miteinande­r verglichen werden.

Ebenfalls wichtig: Vor einem Gespräch mit dem kreditgebe­nden Geldinstit­ut sollten Verbrauche­r eine Selbstausk­unft bei der Schufa einholen. Diese Auskunft kann entscheide­nd dafür sein, ob eine Bank einen Immobilien­kredit gewährt oder nicht. „Stellen Verbrauche­r fest, dass die Selbstausk­unft fehlerhaft ist, sollten sie eine Korrektur der Daten veranlasse­n“, rät Oelmann. (dpa)

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FOTO: ANDREA WARNECKE Wer einen Vertrag über eine Immobilien­kredit unterschre­ibt, sollte über flexible Tilgungsmö­glichkeite­n informiert worden sein.

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