Im Bundestag wird es eng
1260 Wahlleute wählen am Sonntag den neuen Bundespräsidenten
- Bundesversammlung? Kaum jemand vermag auf Anhieb zu sagen, was das genau ist. Kein Wunder, denn eine Bundesversammlung findet im Normalfall nur alle fünf Jahre statt und dies ausschließlich zu einem Zweck: der Wahl des Bundespräsidenten.
In der Bundesversammlung sitzen je zur Hälfte Vertreter des Deutschen Bundestags und der Bundesländer. Da der Bundestag zurzeit 630 Mitglieder hat, senden die Länder am morgigen Sonntag ebenfalls 630 Wahlleute nach Berlin. Im Bundestag wird es also ganz schön eng, denn extra für diesen Anlass wird er mit der doppelten Anzahl von Stühlen versehen.
Überraschungen sind möglich
Genau wie im Bundestag wird die Zusammensetzung der Wahlleute genauestens nach Parteien und Regierungen ausgeklüngelt. Anders als im Bundestag aber sind es nicht nur Mandatsträger, die nach Berlin kommen, sondern auch von den Parlamenten benannte Vertreter des öffentlichen Lebens. So kommen am Sonntag auch viele Prominente in den Reichstag. Sie wählen in der Regel den Kandidaten der Partei, die sie aufgestellt hat. Doch es gibt auch Überraschungen. Als die CSU 2004 Gloria von Thurn und Taxis in die Bundesversammlung schickte, wählte diese nicht den Unionskandidaten Horst Köhler, sondern Gesine Schwan (SPD), weil sie von der so beeindruckt war.
Da die Parteien sich untereinander im Vorfeld absprechen, steht an diesem Sonntag so gut wie fest, dass Frank-Walter Steinmeier (SPD), der auch die Unterstützung der Union hat, im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit von 50 Prozent erreicht. Schließlich verfügen Union und SPD zusammen über 923 Stimmen in der Versammlung. Neben Steinmeier werden der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge als Kandidat der Linken, Albrecht Glaser als Kandidat der AfD und Alexander Hold als Kandidat der Freien Wähler antreten. Zumindest Hold kennen viele als Fernsehrichter.
Am Sonntag dürfte es schnell gehen. Es gab aber auch Bundespräsidentenwahlen, bei denen ein zweiter und dritter Wahlgang nötig wurde, bis am Ende die einfache Mehrheit gereicht hat. Ein dritter Wahlgang war etwa bei der Kür Christian Wulffs (CDU) zum neuen Bundespräsidenten im Jahr 2010 nötig. In den beiden ersten Wahlgängen hatte Wulff die absolute Mehrheit verfehlt. Im dritten war sie nicht mehr nötig, er wurde mit 625 Stimmen gewählt. Nach der Wahl hält der Bundespräsident seine Antrittsrede und der Bundestagspräsident lädt zu einem kleinen Empfang. Ist der Bundespräsident im Amt, ist seine höchste Aufgabe, Deutschland im Ausland zu repräsentieren. Außerdem muss er Gesetze gegenzeichnen, nachdem er sich vergewissert hat, dass sie nach dem Grundgesetz ordnungsgemäß zustande kamen. Er schlägt den Bundeskanzler zur Wahl vor und ernennt auf dessen Vorschlag die Minister. Auch kann er verdiente Bürger auszeichnen.