Jetzt gilt es zu handeln
Das Schwarzer-Peter-Spiel im Fall Anis Amri geht weiter und immer weiter. Bund und Länder schieben sich die Verantwortung für begangene Fehler und Versäumnisse noch immer gegenseitig zu. Die Sitzung des Innenausschusses im Deutschen Bundestag hat die Aufklärung jedenfalls nicht entscheidend vorangebracht.
Vielmehr hat der Schlagabtausch zwischen der Union und NordrheinWestfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) noch einmal klargemacht, was das Problem im Kern ist. Es hätte zahlreiche Momente und Möglichkeiten gegeben, Anis Amri rechtzeitig zu stoppen, ihn festzusetzen und so den schrecklichen Anschlag am Berliner Breitscheidplatz zu verhindern. Es hätte gereicht, die vorhandenen Informationen über den Tunesier zu bündeln und daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Der Satz von Innenminister Jäger, alle rechtlichen Möglichkeiten seien ausgeschöpft worden, muss für die Opfer und ihre Angehörigen wie blanker Hohn klingen. Und es stellt sich auch die Frage nach der Verantwortung des Bundes und seines Amts für Verfassungsschutz.
All das muss sorgfältig aufgearbeitet werden. Untersuchungsausschüsse, die immer auch öffentlichen Druck generieren, sind dafür ein geeignetes Instrument. Doch nichts hindert Gesetzgeber und Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern daran, schon jetzt notwendige Änderungen auf den Weg zu bringen. Dass selbst bei Terrorverdächtigen und führenden Salafisten die Inhalte von Telefongesprächen vielerorts nicht abgehört werden dürfen - auch in Berlin und Nordrhein-Westfalen nicht, also an den Orten, an denen sich Amri meistens aufgehalten hatte – ist angesichts der allgegenwärtigen Terror-Bedrohung nicht mehr zu verantworten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Attentäter mehr als ein Dutzend gefälschte Identitäten nutzte, in der Drogenszene aktiv war, observiert wurde und sogar kurz in Abschiebehaft war.
Sobald es um die Überwachung von Gefährdern wie Anis Amri geht, müssen in Zukunft alle Fäden beim Bund zusammenlaufen.