Ipf- und Jagst-Zeitung

Wirtschaft bangt um Iran-Geschäft

Zurückhalt­ung wegen härterer Gangart der USA – Probleme beim Zahlungsve­rkehr

- Von Friederike Marx und Roland Losch

(dpa) - Ein Jahr nach Aufhebung der Atom-Sanktionen nimmt der deutsche Export in den Iran allmählich Fahrt auf. Die Nachfrage nach Maschinen „Made in Germany“wächst, und mit dem steigenden Ölpreis verdienen die Iraner bald auch wieder das notwendige Geld für ihre Einkäufe. Aber jetzt kommt Donald Trump.

Der US-Präsident wettert gegen das Atom-Abkommen mit der Islamische­n Republik, diese reagiert mit einem Raketentes­t. „Die deutsche Wirtschaft blickt mit Sorge auf die verbalen Attacken zwischen den USA und Iran. Eine Verschärfu­ng der Rhetorik kann jetzt dazu führen, dass Investitio­nen nicht getätigt werden“, sagt Volker Treier, Außenwirts­chaftschef des Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK).

Waren im Wert von 1,2 Billionen Euro haben deutsche Unternehme­n im vergangene­n Jahr exportiert. Nur zwei Promille davon gingen in den Iran. Aber immerhin stiegen die Ausfuhren von 2,0 auf 2,6 Milliarden Euro, und seit dem vergangene­n Sommer legt die Nachfrage rasant zu. „Wenn es weiter so läuft, könnten dieses Jahr 3,5 Milliarden erreicht werden“, sagt Ifo-Außenhande­lsexperte Erdal Yalcin.

Nachholbed­arf bei Maschinen

Airbus hat soeben das erste von 100 bestellten Flugzeugen an Iran Air ausgeliefe­rt – die Fluggesell­schaft will dafür insgesamt 18 Milliarden Euro überweisen. Dass der Iran im Dezember auch in den USA 80 Boeing-Flugzeuge bestellt hat, macht Experten Hoffnung: „Mit dem Auftrag haben 100 000 Menschen in Seattle und bei Zulieferer­n mittelfris­tig Arbeit. Das muss Trump mit abwägen“, sagt Yalcin.

Stark angezogen hat die iranische Nachfrage nach deutschen Maschinen und Anlagen. Der Nachholbed­arf ist enorm. Siemens zum Beispiel lässt demnächst Gasturbine­n und Lokomotive­n im Iran in Lizenz bauen und hat eine Absichtser­klärung für die dringend notwendige Modernisie­rung der Bahn-Infrastruk­tur unterzeich­net – das Volumen wird auf 1,4 Milliarden Euro geschätzt. Ölraffiner­ien sind „so marode, dass der Iran sogar Benzin aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten importiere­n musste“, sagt Yalcin. Da hat sich einiges aufgestaut. Die deutschen Ausfuhren sind laut Verband der Maschinenu­nd Anlagenbau­er (VDMA) schon um etwa 30 Prozent auf rund 700 Millionen Euro gestiegen.

Allerdings ist der Iran knapp bei Kasse. „Das Land fährt seit Jahren Defizite ein“, sagt Yalcin. „Für Kunden in dem Land ist es nicht so einfach, Kredite zu bekommen“, sagt Klaus Friedrich, Außenwirts­chaftsexpe­rte des VDMA. „Nachfrage und Interesse an deutschen Maschinen sind groß, aber die Umsetzung ist auch auf iranischer Seite oft schwierig.“

Finanzieru­ng problemati­sch

Gerne würden die Iraner mehr auf Pump einkaufen. Seit das Land seine Altschulde­n endlich beglichen hat, gibt die Bundesrepu­blik auch wieder Hermes-Bürgschaft­en für Exporte – das löste im vergangene­n Sommer einen Schub aus. Aber viele Banken geben für Iran-Geschäfte keine Kredite und wickeln den Zahlungsve­rkehr nicht ab. Sie befürchten Strafen in den Vereinigte­n Staaten, wo einige Sanktionen weiter in Kraft sind. „Unternehme­n haben es daher nach wie vor schwer, Finanzieru­ngsquellen für ihr Investitio­nsgeschäft in schwierige­n Märkten aufzutreib­en“, sagt Treier.

Vor allem mittelstän­dische Betriebe könnten einen größeren Auftrag aus dem Iran jedoch kaum allein stemmen, heißt es aus Industriek­reisen. Das Ausfallris­iko ist laut OECD und Euler Hermes immer noch hoch. Und wenn Trump eine härtere Gangart einschlägt, könnten die Zahlungsst­röme abrupt abbrechen, erklärt Yalcin.

Nach dem Maschinen- und Anlagenbau hat die Chemie- und Pharmaindu­strie den größten Anteil am deutschen Iran-Export. „Im Pharmasekt­or ist eine gewisse Stagnation da“, sagt der Ifo-Forscher. Anders als bei der Infrastruk­tur habe sich beim Arzneibeda­rf keine Nachfrage aufgestaut. Und Investitio­nen in Werke im Iran stünden wegen des unsicheren Umfelds nicht im Vordergrun­d.

Deutschlan­ds Wirtschaft ist noch weit davon entfernt, wieder einer der wichtigste­n Handelspar­tner des Landes zu sein. China, Indien, die Türkei und die Vereinigte­n Arabischen Emirate haben in den Sanktions-Jahren ihre Geschäfte mit dem Iran ausgebaut. Ob sich die Hoffnung der deutschen Wirtschaft erfüllt, ihre Exporte in den nächsten Jahren auf zehn Milliarden Euro zu steigern, scheint fraglich. Theoretisc­h vielleicht, wenn sämtliche Sanktionen vom Tisch wären – „entscheide­nde Bedingung ist dann aber, dass der Ölpreis von heute 50 auf 90 US-Dollar steigt“, sagt Yalcin. „Das ist ein fundamenta­les Problem. Denn 60 Prozent des iranischen Staatshaus­halts sind vom Öl und Gas abhängig.“

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 ?? FOTO: DPA ?? Petrochemi­scher Komplex Mahshahr in der Provinz Khuzestan im Südwesten des Iran: Nach dem Inkrafttre­ten des im Sommer 2015 geschlosse­nen Atomabkomm­ens öffnete sich ein jahrelang abgeschott­eter Markt mit 80 Millionen Menschen.
FOTO: DPA Petrochemi­scher Komplex Mahshahr in der Provinz Khuzestan im Südwesten des Iran: Nach dem Inkrafttre­ten des im Sommer 2015 geschlosse­nen Atomabkomm­ens öffnete sich ein jahrelang abgeschott­eter Markt mit 80 Millionen Menschen.

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