„Ganz ohne Beitragserhöhungen wird es sicherlich nicht gehen“
Andrea Nahles (SPD) zu Erwerbsminderungsrente, Ost-West-Rentenangleichung, Solidarrente und zu den Plänen von Kanzlerkandidat Schulz
- Das Kabinett will heute die Ost-West-Rentenangleichung beschließen. In dieser Wahlperiode sei ein ganzes Bündel substanzieller Verbesserungen der Rente auf den Weg gebracht worden, meint Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Gespräch mit Rasmus Buchsteiner.
Sie wollen mehr Geld für Arbeitnehmer, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nicht mehr voll arbeiten können. Was soll sich konkret ändern?
Wir verbessern die Erwerbsminderungsrente – und zwar bereits zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode. Die Zurechnungszeiten werden verändert. Bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente wurde lange so getan, als hätte der Bezieher bis zum 60. Lebensjahr mit seinem durchschnittlich verdienten Lohn weitergearbeitet. Das haben wir zu Beginn der Legislatur schon auf 62 Jahre erhöht. In Zukunft gehen wir sogar vom 65. Lebensjahr aus.
Wie wirkt sich das aus?
Für den Einzelnen bedeutet das im Durchschnitt eine höhere Rente um bis zu sieben Prozent – bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bedeutet dies eine weitere Verbesserung in Höhe von etwa 50 Euro. Das ist eine deutlich spürbare Verbesserung. Unsere Reform stellt alle besser, die ab dem 1. Januar 2018 neu in eine Erwerbsminderungsrente gehen. Die Mehrausgaben summieren sich bis 2030 auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr: Das kommt unmittelbar bei denen an, die es am nötigsten haben.
War es das mit der Rentengesetzgebung für diese Legislaturperiode?
Wir werden am Mittwoch auch die Ost-West-Rentenangleichung im Kabinett beschließen. Damit haben wir in dieser Wahlperiode ein ganzes Bündel substanzieller Verbesserungen der Rente auf den Weg gebracht – von Rente mit 63 und Mütterrente bis zu Erwerbsminderungsrente und Renteneinheit. Das kann sich sehen lassen.
Wie viele Verlierer gibt es eigentlich bei der Renteneinheit?
Die Umstellung erfolgt in sieben Schritten bis 2025. Wer jetzt in Rente geht, erhält Bestandsschutz. Alle Rentenansprüche, die durch die Höherwertung der Löhne im Osten zustande gekommen sind, bleiben erhalten. Und für die Generation der heute unter 45-Jährigen ist wichtig, dass im Osten bald bessere Löhne gezahlt werden. Durch den Mindestlohn hat es dort eine der größten Verbesserungen seit der Wiedervereinigung gegeben. Leider setzen viele Betriebe im Osten immer noch auf eine Niedriglohn-Strategie und wollen sich nicht nach Tarifverträgen richten.
Was wird aus den Plänen für eine Solidarrente? Geringverdiener, die lange gearbeitet haben, wollten Sie ja eigentlich besserstellen ...
Wir haben im Koalitionsvertrag ganz klar vereinbart: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, soll im Alter mehr als Grundsicherung erhalten. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit: Leistung muss sich lohnen – auch für Menschen mit niedrigeren Einkommen. Hier geht es um ein Kernversprechen unseres Sozialstaats. Mein Modell der Solidarrente sieht einen Aufschlag vor, der nach 35 Jahren Arbeit zu einer Rente führt, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegt. Im letzten Koalitionsausschuss haben wir weitere Gespräche dazu verabredet. Die Gespräche laufen sehr schleppend. Ich befürchte, dass die Umsetzung der Solidarrente mit der Union in dieser Wahlperiode nicht mehr möglich ist. Wir werden das daher im nächsten Koalitionsausschuss erneut auf die Agenda setzen.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat ein Rentenkonzept angekündigt, mit dem das Rentenniveau von heute gesichert werde und das gleichzeitig eine Explosion des Beitragssatzes verhindere. Wie kann das funktionieren?
In Anbetracht der demografischen Entwicklung wird es ganz ohne Beitragserhöhungen sicherlich nicht gehen. Martin Schulz und ich werden in den nächsten Wochen weiter Gespräche führen und ein Modell erarbeiten. Die Sicherung des heutigen Rentenniveaus steht dabei im Vordergrund. Wir wollen Renten-Ehrlichkeit. Deshalb gehört auch ein konkreter Finanzierungsvorschlag dazu.