Ipf- und Jagst-Zeitung

Soldatin musste nackt an Stange tanzen

Verteidigu­ngsministe­rium deckt Details zu Skandal in Pfullendor­fer Kaserne auf

- Von Ludger Möllers

- Der Skandal im Ausbildung­szentrum „Spezielle Operatione­n“in der Pfullendor­fer Staufer-Kaserne hat offenbar schwerwieg­endere Ausmaße als bisher bekannt. In einem Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums, der am Dienstag den Mitglieder­n des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestags zugeschick­t wurde, werden nicht nur demütigend­e Ausbildung­spraktiken bestätigt. In dem 28-seitigen Papier wird auch beschriebe­n, dass die Aktionen System hatten und wohl sexuell motiviert waren.

Unter anderem haben die Bundeswehr-Ermittler aufgedeckt, dass eine als Hörsaallei­terin eingesetzt­e Offizieran­wärterin in einem Einstellun­gstest in das Ausbildert­eam im Aufenthalt­sraum der Kaserne an einer PoleStange, wie sie aus Rotlicht-Lokalen bekannt ist, nackt tanzen musste.

Das Ministeriu­m fordert nicht nur einen Neuanfang, sondern einen „grundlegen­den Mentalität­swechsel“bei allen Soldaten in dem Zentrum. Einige von ihnen verteidige­n die Praktiken demnach bis heute. Weiter wird beanstande­t, dass die Beschwerde­n einer Soldatin auf dem internen Dienstweg nicht ans Ministeriu­m weitergele­itet wurden.

Agnieszka Brugger, grüne Verteidigu­ngsexperti­n und Bundestags­abgeordnet­e aus Ravensburg, warf Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) vor, das Thema „innere Führung“in der Truppe vernachläs­sigt zu haben. Nur dadurch habe es zu Missstände­n wie in Pfullendor­f kommen können. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Brugger: „Es reicht nicht, Pressestat­ements abzugeben.“Nun müssten Taten folgen.

Im Januar waren Berichte über demütigend­e Rituale und sexuelle Nötigung in der Ausbildung von Elitesolda­ten bekannt geworden. Fünf Soldaten, unter ihnen der Kommandeur des Zentrums, wurden sofort versetzt. Weiter ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Hechingen gegen Wachsoldat­en, die bei „Aufnahmeri­tualen“Soldaten misshandel­t haben sollen. Sieben Zeitsoldat­en sind vom Dienst suspendier­t worden und sollen fristlos entlassen werden.

Ausbildung außer Kontrolle

Das Bild, das das Ministeriu­m in dem als Verschluss­sache eingestuft­en Papier vom Ausbildung­szentrum zeichnet, lässt darauf schließen, dass in der Kaserne nicht nur die „Combat First Responder“-Ausbildung mit Elitesolda­ten außer Kontrolle geraten war. Frauen hätten sich, angeblich stets zu Ausbildung­szwecken, nackt ausziehen müssen, dann hätten die anderen Lehrgangst­eilnehmer Brüste und Genitalber­eich abgetastet. Dies sei auch fotografie­rt oder gefilmt worden.

Zwar hatte der Kommandoar­zt der Ausbildung­sstätte im August 2016 die beanstande­ten Ausbildung­spraktiken untersagt, heißt es in dem Bericht. Allerdings seien die Informatio­nen danach auf dem Dienstweg nicht weitergege­ben worden. Darum erfuhr das Ministeriu­m erst von den Vorgängen, als sich die Mutter der betroffene­n Soldatin im Herbst 2016 an den Wehrbeauft­ragten und die Hörsaallei­terin sich an die Ministerin wandte.

Im Verteidigu­ngsausschu­ss wird sich Generalins­pekteur Volker Wieker am heutigen Mittwoch den Fragen der Abgeordnet­en stellen: „Unter anderem wollen wir wissen, warum das Parlament so spät von den unglaublic­hen Vorgängen in Pfullendor­f erfuhr“, sagte die Abgeordnet­e Brugger.

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FOTO: DPA Die Missstände in der Pfullendor­fer Staufer-Kaserne der Bundeswehr beschäftig­en jetzt den Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestags.

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