Ipf- und Jagst-Zeitung

Mögliche Vetternwir­tschaft im EU-Parlament belastet Schulz

- Von Daniela Weingärtne­r, Brüssel, und AFP

Der Haushaltsk­ontrollaus­schuss des Europaparl­aments arbeitet an einem Fragenkata­log, mit dem die Amtsführun­g des ehemaligen Präsidente­n überprüft werden soll. Martin Schulz (SPD) stand bis zu seinem Wechsel nach Berlin fünf Jahre an der Spitze des Hauses. Aus den Reihen der Grünen und der Linksparte­i wird er schon lange dafür kritisiert, enge Gefolgsleu­te mit hohen Verwaltung­sposten versorgt zu haben. Nun erhebt auch die CDU-Abgeordnet­e Inge Gräßle, Vorsitzend­e des Haushaltsk­ontrollaus­schusses, Vorwürfe.

„Das ist Vetternwir­tschaft pur – er hat genau das getan, wofür wir afrikanisc­he Politiker so gern kritisiere­n“, sagte sie kürzlich der „Times on Sunday“. Jetzt legte Gräßle nach: Sie warf Schulz vor, das Europaparl­ament mit einem Netz von Getreuen überzogen zu haben, die oft nicht qualifizie­rt genug gewesen seien.

Als Beispiel nennt Gräßle Herwig Kaiser, der vom Theaterdra­maturgen zum Chef der Personalve­rwaltung befördert wurde. Aus Überforder­ung habe sich der Mann vergangene­n Dezember das Leben genommen. Seinen Sprecher und treuen Begleiter Armin Machner habe Schulz noch kurz vor Ende seiner Amtszeit auf einen Direktoren­posten gehievt. Auch für Markus Engel, der nun Schulz’ Bundestags­wahlkampf managen soll, habe er die Regeln so gedehnt, „dass möglichst viel Manna vom Himmel fällt“. SPD-Generalsek­retärin Katarina Barley reagierte empört auf die Vorwürfe. „Wo sie nichts Neues finden, gehen sie auf den Mitarbeite­r. Das finde ich nun wirklich perfide“, sagte sie dem Deutschlan­dfunk. Aus SPD-Sicht sei alles korrekt verlaufen.

Barley wehrt sich: „Diffamieru­ng“

Barley wirft der Union „Diffamieru­ng“vor. Die Generalsek­retärin wittert in den Vorwürfen die Vorboten einer möglichen Schmutzkam­pagne. Seit der Nominierun­g von Schulz als Kanzlerkan­didat sind die Umfragewer­te der SPD gestiegen.

Ob sich Schulz in einer rechtliche­n Grauzone bewegt oder aber geltendes Recht verletzt hat, steht noch nicht fest. Gräßle fordert, dass EU-Parlaments­präsidente­n in Zukunft strenger kontrollie­rt werden. Schulz habe sich gelegentli­ch mit dem Privatflug­zeug zu Terminen bringen lassen – das habe sein Vorgänger Jerzy Buzek (CDU) nie getan. Karrieresc­hritte seien nicht nach Leistung, sondern „nach Vitamin B“erfolgt. „Da war ein totalitäre­s System am Entstehen. Es darf in Zukunft nicht mehr passieren, dass jemand fünf Jahre am Stück dieses Amt bekleidet.“

Gräßle sieht eine mangelnde Kontrolle auf europäisch­er Ebene: „Das ist Europa, da funktionie­rt die Medienland­schaft nicht, da kann vieles unter der Decke gehalten werden.“Sollten die Vorwürfe der Überprüfun­g standhalte­n, könnte der strahlende Höhenflug des Kandidaten in Berlin ein jähes Ende finden.

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