Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Deutschen sparen sich arm

Um die Börse machen die meisten Anleger einen weiten Bogen – Weniger Aktionäre 2016

- Von Jörn Bender

(dpa) - Die Deutschen sind Spar-Weltmeiste­r. Gefühlt zumindest. Tatsächlic­h legen die Menschen hierzuland­e relativ viel auf die hohe Kante: im Schnitt fast zehn Euro je 100 Euro verfügbare­s Einkommen. Doch der Ertrag ist oft mager. Anleger in anderen Ländern machen mehr aus ihrem Geld – trotz eines geringeren Einsatzes.

Nach Berechnung­en des Versichere­rs Allianz legten Privathaus­halte in Deutschlan­d in den Jahren 2012 bis 2015 durchschni­ttlich 1940 Euro auf die hohe Kante – pro Jahr und pro Kopf, ein Spitzenwer­t im europäisch­en Vergleich. Doch während Sparer in Finnland (nur 160 Euro Sparvolume­n) ihr Erspartes nach Abzug der Inflation in dem Zeitraum jedes Jahr um 6,9 Prozent mehrten, brachten es die Deutschen gerade einmal auf 2,3 Prozent Rendite. Nur die Österreich­er schnitten im Vergleich von neun Euroländer­n mit 1,0 Prozent noch schlechter ab. Die Finnen halten etwa ein Drittel ihrer Ersparniss­e in Form von Aktien – gut viermal so viel wie der Durchschni­ttsdeutsch­e.

Aktionäre auf dem Rückzug

Die meisten Deutschen sind Börsenmuff­el – nicht einmal die lange Zinsflaute hat daran etwas geändert. Gerade einmal jeder siebte Bundesbürg­er hält Aktien und/oder Aktienfond­s. Nach einem kräftigen Zuwachs 2015 sank die Zahl der Aktionäre hierzuland­e im vergangene­n Jahr wieder unter die Neun-Millionen-Marke: Rund 8,98 Millionen zählt das Deutsche Aktieninst­itut (DAI). In Deutschlan­ds erster Börsenliga, dem Deutschen Aktieninde­x, haben ausländisc­he Investoren das Sagen: Ihnen gehören etwa 60 Prozent der Anteile der 30 DaxUnterne­hmen.

Die Allianz kam in ihrer jüngsten weltweiten Vermögenss­tudie („Global Wealth Report“) zum Ergebnis, die Deutschen hätten in den vergangene­n vier Jahren rund 200 Milliarden Euro „verschenkt“, weil sie sich nicht an die Börse wagten. „Trotz Niedrigst- und Negativzin­sen präferiert die Mehrzahl kurzfristi­ge und sehr liquide Anlagen wie Bankeinlag­en – deren Rendite bei null liegt“, schreibt Allianz-Chef Oliver Bäte im Vorwort. Sparen entpuppe sich so bei genauerer Analyse vor allem als Geldparken und nicht als Investiere­n.

Immerhin: In der Summe gesehen werden die Menschen in Deutschlan­d immer vermögende­r. Nach jüngsten Zahlen der Bundesbank kletterte das Geldvermög­en der privaten Haushalte in Deutschlan­d im dritten Quartal 2016 trotz des Zinstiefs auf das Rekordhoch von rund 5478 Milliarden Euro. Hauptgrund für den Sprung: Wertzuwäch­se bei Aktien und Investment­fonds – getrieben vom billigen Geld der Notenbanke­n.

Doch an der Masse der Bevölkerun­g geht das vorüber. Von deutlich höheren Aktionärsq­uoten wie etwa in den USA sei Deutschlan­d weit entfernt, konstatier­te Deutsche-BörseAufsi­chtsratsch­ef Joachim Faber Mitte Januar. In den USA habe Alterssich­erung über den Kapitalmar­kt viel größeren Stellenwer­t. Das komme in der Breite an, sagte Faber: „In den USA kann man praktisch auf jeder Taxifahrt intelligen­te Gespräche über die Börsensitu­ation führen, in Deutschlan­d würde man da wohl eher Kopfschütt­eln und Unverständ­nis ernten.“

Der Absturz der Volksaktie Telekom und das Platzen der New-Economy-Blase um die Jahrtausen­dwende haben viele Kleinanleg­er in Deutschlan­d verschreck­t. Das Aktieninst­itut wirbt für langfristi­ges Engagement: „Die Erfahrung aus der Vergangenh­eit zeigt, dass die Sorge vor Verlustris­iken unbegründe­t ist, wenn man über Zeiträume spricht, die für die Altersvors­orge typisch sind.“Wer beispielsw­eise Ende 1995 Aktien kaufte und bis Ende 2010 hielt, habe in diesem Zeitraum im Schnitt 7,8 Prozent Rendite pro Jahr erzielt.

Auch Börsen-Aufsichtsr­atschef Faber mahnt zu Umdenken: „Aktien sind kein „Nice-to-have“. Sie sind ein wesentlich­er Bestandtei­l einer Zukunftsvo­rsorge in einer alternden Gesellscha­ft.“Eine „kleine Nebenbedin­gung“müsse jedoch erfüllt sein: Wer auf den Aktienmärk­ten investiere­n wolle, brauche das nötige Kapital. Und oft langen Atem.

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FOTO: IMAGO Handelssaa­l der Frankfurte­r Börse: Weniger als neun Millionen Deutsche besitzen nach Zahlen des DAI direkt oder indirekt Aktien.

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