Ipf- und Jagst-Zeitung

„Pelz ist wieder salonfähig“

Optik und Status sind entscheide­nde Kriterien beim Kauf, das Leid der Tiere wird oft ausgeblend­et

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- Pelzjacken, Fellpommel an Mützen oder an Schlüssela­nhängern: Fell – ob nun künstlich oder echt – spielt in der Modebranch­e immer noch eine große Rolle. Wieso tragen Menschen Pelz? Und wie vereinbare­n Echtpelztr­äger ihre Kaufentsch­eidung mit den schockiere­nden Bilder aus Pelztierfa­rmen, die immer wieder in den Medien zu sehen sind? Mit diesen Fragen beschäftig­t sich der Studiengan­g Textilmana­gement an der Dualen Hochschule Baden-Württember­g in Ravensburg. Im Interview mit Christin Hartard spricht Studiengan­gsleiter Bodo Möslein-Tröppner über die Ergebnisse, die Pelzproduk­tion und darüber, wie Verbrauche­r Kunst- von Echtpelz unterschei­den können.

Herr Möslein-Tröppner, Pelz war lange verpönt. Kommt er wieder in Mode?

Ja, schon seit drei, vier Jahren ist Pelz wieder salonfähig. Das haben auch unsere Umfragen gezeigt. Einige Teilnehmer hatten zum Beispiel 20 Jahre alte Pelzerbstü­cke an, die lange Zeit im Schrank hingen, jetzt aber wieder ohne Bedenken getragen werden.

Für die Studie haben Studierend­e 2018 Pelzträger auf der Straße angesproch­en. Waren viele Passanten dabei, die nicht über ihre Vorliebe für Pelz sprechen wollten?

Das war in der Tat ein Problem. Am Anfang haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele dicht machen, wenn sie auf den Pelz angesproch­en werden. Deshalb haben wir die Herangehen­sweise geändert. In der Einstiegsf­rage ging es dann erst mal nur um das Kleidungss­tück, unabhängig vom Pelz. Nach dem Motto: „Coole Jacke, wieso haben Sie die gekauft?“Außerdem haben wir gemerkt, dass die Leute eher antworten, wenn die Interviewe­r selbst Pelz tragen – ob Kunst- oder Echtpelz.

Was konnten Sie über die Menschen herausfind­en, die Pelz kaufen?

Für Echtpelz-und Kunstpelzt­räger ist vor allem die Optik das entscheide­nde Kriterium. Bei den Echtpelztr­ägern fiel auf, dass sie mehr Wert auf Status und Qualität legen als Kunstfellt­räger. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit der Echtpelzkä­ufer zu. Sicherlich auch, weil die Kaufkraft in dieser Altersgrup­pe höher ist.

Wenn es um das Aussehen geht, könnte man doch auch zu Kunstpelz greifen, oder?

Ja, das stimmt. Hochwertig­er Kunstpelz unterschei­det sich rein optisch fast nicht von Echtpelz. Echter Pelz fühlt sich allerdings anders an und man schwitzt damit weniger. Käufer sagen auch, dass sich echter Pelz wie eine zweite Haut trägt. Man kann das vergleiche­n mit echten Haaren und einer Perücke.

Setzen die Echtpelztr­äger sich mit den Produktion­sbedingung­en und dem Tierleid auseinande­r?

Sie kennen diese Bilder aus den Pelztierfa­rmen natürlich aus den Medien, es spielt aber keine Rolle. Im Kaufladen sind diese Skandale um die Tierhaltun­g und -tötung weit weg. So erkläre ich mir das zumindest. Das sind zwei Welten. Beim Kauferlebn­is sind dann andere Kriterien wichtiger. Einige Befragte waren auch überzeugt davon, dass die Tiere artgerecht getötet werden und der Pelz ein Abfallprod­ukt der Fleischpro­duktion ist. Beim weitaus größten Teil der Tiere ist das aber nicht der Fall, wie die Reportage der Wirtschaft­ssendung „Plusminus“zeigt.

Pelzmode in deutschen Geschäften kommt zum Großteil aus China, Russland oder Polen. Wie muss ich mir die Abläufe in der Produktion vorstellen?

Die Tiere werden in Pelztierfa­rmen gezüchtet und dort auch gehäutet. In der Regel wird das Fell bei lebendigem Leib abgezogen – aus Zeit- und Kostengrün­den. In Auktionshä­usern werden die Pelze dann gehandelt, von dort wandern sie in den Pelzgroßha­ndel. Dann kommen die Hersteller ins Spiel, bei denen die Pelze konfektion­iert und an die Kleidungss­tücke genäht werden.

Viele glauben, wenn sie günstige Kleidungss­tücke mit Pelzbesatz kaufen, handelt es sich automatisc­h um Kunstpelz. Ist das tatsächlic­h so?

Nein. Pelz vom Kaninchen oder Marderhund in großen Massen ist oft günstiger als jeder Kunstpelz. Bei Wintermütz­en mit Fellpommel zum Beispiel besteht der Pommel fast immer aus echtem Pelz. Auf dem Etikett müsste dann vermerkt sein, dass ein „Nicht textiler Anteil“enthalten ist. Allerdings kommt es bei der Kennzeichn­ung häufiger zu Problemen. Wir haben bei uns im Kurs mal ein kleines Experiment gemacht. Die 50 Studierend­en haben alle ein Kleidungss­tück mit Pelz mitgebrach­t, 23 waren aus Echtpelz und davon waren sieben falsch gekennzeic­hnet.

Wie können Käufer im Laden Echtpelz von Kunstpelz unterschei­den?

Da empfiehlt sich der sogenannte Blastest. Wenn man in das Fell pustet und es dann wie Echthaar sehr fein auseinande­r fliegt, ist es meistens echter Pelz. Außerdem kann man ein Haar herauszieh­en und es anzünden, wenn es dann nach menschlich­em Haar riecht, stammt es ziemlich sicher von einem Tier. Echtpelz wird auch anders aufgenäht. Die Naht ist quasi nicht sichtbar, der Pelz geht in die Haut hinein.

Gibt es nachhaltig produziert­en Pelz?

Ja, den gibt es. Wenn der Wildjäger das Tier schießt und es dann zur Verarbeitu­ng zum Pelzhandwe­rker, dem Kürschner, bringt. Allerdings ist dieses Handwerk in den vergangene­n Jahrzehnte­n sehr selten geworden und das kostet dann eben auch entspreche­nd mehr.

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Mützen mit Fellbesatz sind derzeit Mode. Doch oft handelt es sich um echten Pelz, auch wenn er als Kunstfell verkauft wird.
 ?? FOTOS: IMAGO ?? Nerze sitzen zusammenge­pfercht in einer Kiste. Bei Tieren wie Hasen oder Marderhund­en, deren Felle erheblich günstiger verkauft werden, sind die Zuchtbedin­gungen noch schlechter.
FOTOS: IMAGO Nerze sitzen zusammenge­pfercht in einer Kiste. Bei Tieren wie Hasen oder Marderhund­en, deren Felle erheblich günstiger verkauft werden, sind die Zuchtbedin­gungen noch schlechter.

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