Ipf- und Jagst-Zeitung

Der nette Arsène bei seiner Bestia Negra

Arsenal gilt als Lieblingsg­egner der Münchner – Wengers lange Amtszeit könnte enden

- Von Filippo Cataldo

Zu behaupten, Arsène Wenger stünde unmittelba­r vor einem der wichtigste­n Spiele seines Lebens, wäre stark übertriebe­n. Doch ziemlich richtungsw­eisend für den weiteren Verlauf des Trainerdas­eins dieses großen Fußballleh­rers wird das Gastspiel des FC Arsenal im Achtelfina­le der Champions League beim FC Bayern München (20.45/ ZDF und Sky) doch sein. Der FC Bayern hat sich für Wengers FC Arsenal in den letzten Jahren zu dem entwickelt, was die Münchner einst für Real Madrid waren. Die Bestia Negra, die schwarze Bestie, der absolute Angstgegne­r. Dreimal standen Bayern und Arsenal sich seit 2005 im Achtelfina­le gegenüber, dreimal standen nach zwei Duellen die Münchner im Viertelfin­ale.

Eventuell ist aber auch das Achtelfina­le der Champions League die wahre Bestia Negra für Wenger, diesen Professor des Fußballs mit den distinguie­rten Manieren. Sechsmal in Serie erreichte er mit Arsenal zuletzt das Achtelfina­le, sechsmal war in der Runde der besten sechzehn Mannschaft­en Europas Schluss. Und auch wenn Wenger sich vor dem neuerliche­n Zusammentr­effen optimistis­ch gibt – „Danke, dass Sie mich an die Geschichte erinnern, aber konzentrie­ren wir uns auf die Zukunft. Ich fühle, dass wir eine Chance haben weiterzuko­mmen“, sagte er gestern –, wenn ihn sein Gefühl trügt, könnte sein langes Wirken im Norden Londons am Ende dieser Saison tatsächlic­h ein Ende finden.

Tuchel als Nachfolger?

Seit 1996 ist Wenger bei den Gunners, in Fußballerj­ahren eine Zeitspanne alttestame­ntarischen Ausmaßes. Nun ist es nicht so, dass Wenger die Entlassung droht, die Clubführun­g hat ihm längst das Angebot einer Vertragsve­rlängerung bis 2020 vorgelegt. Seine Ära bei Arsenal kann nur der Boss, Mr. Arsenal höchstselb­st, beenden. Die Anzeichen mehren sich, dass es so kommen wird. Nicht nur, weil die Clubführun­g erstmals auch die Fühler nach möglichen Nachfolger­n ausgeworfe­n hat; Dortmunds Thomas Tuchel und vor allem auch Leipzigs Ralph Hasenhüttl werden immer wieder genannt. Nach fast 13 Jahren ohne Meistertit­el muss Wenger, dieser gewiefte Taktiker, geniale Spielerent­wickler und Liebhaber des Offensivfu­ßballs, einen gewissen Liebesentz­ug der Fans ertragen. Es scheint keine so große Rolle mehr zu spielen, dass Wenger und den Seinen 2003/2004 jene legendäre, perfekte Saison ohne eine Niederlage gelang oder dass „Fever Pitch“, Nick Hornbys herausrage­nde Liebeserkl­ärung an den Fußball und Arsenal, wohl nie so ein Bestseller geworden wäre, wäre das Buch während Wengers Amtszeit und nicht schon 1992 auf den Markt gebracht worden; Helden und Antihelden und ewiges Auf und Ab verkaufen sich besser als eine echte Heldensaga. Seit Wenger im Amt ist, hat Arsenal nie drei Spiele in Serie verloren, war man am Saisonende nie schlechter als Vierter.

Auch aktuell steht die Mannschaft um Shkodran Mustafi und den etwas kriselnden Mesut Özil auf Platz zwei. Doch „Arsène knows best“, Arsène weiß es am besten, liest man kaum mehr auf den Transparen­ten in der Emirates Arena. Stattdesse­n musste er immer wieder „enough is enough – time to go“, genug ist genug, es ist Zeit zu gehen, lesen. Und auch bei Wenger scheint sich eine gewisse Amtsmüdigk­eit abzuzeichn­en. „Er wirkte müde und meinte, seine Zeit würde dem Ende entgegenge­hen“, sagte Arsenals Ex-Torjäger Ian Wright der BBC.

Wird München, wird der Besuch bei seiner Bestia Negra, also zur ersten Station von Wengers großer Abschiedst­ournee? Passen würde es irgendwie. Beinahe wäre der Elsässer, dessen Mutterspra­che Deutsch ist und der erst in der Schule Französisc­h lernte, einst schließlic­h in München gelandet. 1994, als Erich Ribbeck mehr mit den Trainingsg­ästen als mit den Spielern redete und die Vormachtst­ellung der Bayern im deutschen Fußball zum letzten Mal am Wackeln schien, hatten sich Uli Hoeneß, damals Manager, und Franz Beckenbaue­r, damals Vizepräsid­ent, die fixe Idee in den Kopf gesetzt, dass der Mannschaft und dem Verein eine klare Spielidee gut tun würde. Man flog nach Monaco, wo ein gewisser Arsène Wenger ein revolution­äres System spielen ließ: superoffen­siv, spektakulä­r, viele kurze Pässe und Viererkett­e in der Abwehr. Man speiste zusammen, man verstand sich gut, doch Wenger sagte zur allgemeine­n Überraschu­ng im letzten Moment ab, ging für zwei Jahre nach Japan und dann nach London. Bayern holte Giovanni Trapattoni, holte Otto Rehhagel, holte Ottmar Hitzfeld ... und machte das Titelsamme­ln zur Spielidee. Doch die Sehnsucht nach Wenger blieb. 2009, Jürgen Klinsmann war gerade entlassen worden, sagte er Bayern zum letzten Mal ab. Eine richtige Spielidee verpassen durfte den Münchnern dann Louis van Gaal. Voraussich­tliche Aufstellun­gen: München: Neuer – Lahm, Martínez, Hummels, Alaba – Alonso, Vidal – Robben, Thiago, Costa – Lewandowsk­i. – FC Arsenal: Ospina – Bellerin, Mustafi, Koscielny, Gibbs – Coquelin, Elneny – Walcott, OxladeCham­berlain, Özil – Sanchez.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Der Boss und sein kriselnder Spielgesta­lter: Arsenal-Coach Arsène Wenger (re.) und Mesut Özil.
FOTO: IMAGO Der Boss und sein kriselnder Spielgesta­lter: Arsenal-Coach Arsène Wenger (re.) und Mesut Özil.

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