Großprojekt Großfamilie
Familie Pfleghar aus Weingarten komplettiert mit den Zwillingen Ida und Hanna ihr Glück
Die Familien in Deutschland, dies hatten Wissenschaftler vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden unlängst ermittelt, werden immer kleiner. Für die Pfleghars aus Weingarten (Foto: Oliver Linsenmaier) gilt das offensichtlich nicht. Wie die Eltern von sieben Kindern den Alltag organisieren, lesen Sie auf
- Es geht aufwärts mit Deutschland – jedenfalls aus demografischer Sicht: Nach jahrzehntelangem Geburtenrückgang wurde im Jahr 2015 die höchste Zahl von Neugeborenen seit 1982 erreicht. Laut statistischem Bundesamt lag die durchschnittliche Kinderzahl je Frau bei 1,5. Für eine Weingartener Familie ist das Pillepalle: Im vergangenen Herbst kamen die Zwillinge Ida und Hanna zur Welt – die Kinder Nummer 6 und 7. Das hat den beiden Mädchen unlängst die Patenschaft des soeben ausgeschiedenen Bundespräsidenten Joachim Gauck verschafft. Üblicherweise macht er das erst für das siebte Kind einer Familie, da die beiden aber Zwillinge sind, wurden sie beide zu Patenkindern. Das gibt es pro Jahr gerade einmal 30-mal in ganz Deutschland.
Hätte man Andrea und Andreas Pfleghar im Juli 2004 ihre Fruchtbarkeit vorhergesagt, hätten sie wohl nur herzhaft gelacht und mit dem Kopf geschüttelt. Damals hatten sich die beiden gerade kennengelernt – und ganz andere Pläne. „Mein Mann wollte eigentlich gar keine Kinder und auch nicht heiraten“, erinnert sich Andrea.
Doch schon zwei Jahre später, im Oktober 2006, kam das erste Kind, Sohn Jonas, auf die Welt. 2009 folgte Moritz, 2011 kamen die Zwillinge Tim und Lilly, 2014 erblickte Sohn Leo das Licht der Welt. Im Oktober 2016 komplettierten dann Ida und Hanna die Großfamilie. „Eine ganze Handballmannschaft“, meint Mutter Andrea.
Ordnung, Struktur und Planung sind da oberste Prämisse. „Ich gehe ohne meinen Taschenkalender gar nicht mehr aus dem Haus“, sagt die 35-Jährige. „Irgendwie läuft es im- mer.“Das mag auch daran liegen, dass es im Hause Pfleghar feste Regeln gibt. „Abends wird es immer wilder“, sagt die gebürtige Weingartenerin. Daher müssen die Kinder dann auch alle spätestens um 20 Uhr im Bett sein. So bewahren sich Andrea und Andreas zumindest ein bisschen Zweisamkeit. Außerdem wird abends immer der nächste Tag geplant.
Dabei ähneln sich die Abläufe. Während Zimmermann Andreas die Kinder in den Kindergarten oder die Schule bringt, kümmert sich Andrea um den Haushalt. Nicht nur die Waschmaschine ist dabei fast permanent in Betrieb. Auch in der Küche wird in anderen Dimensionen gedacht. „Für uns gibt es keine kleinen Töpfe. Wir sind eine Großküche“, sagt Andrea Pfleghar, die zweimal die Woche noch das Mutter-KindTurnen des TV Weingarten leitet.
Auch wenn die Familie das Haus verlässt, heißt es groß denken. Der Kleinbus hat neun Sitze – damit fällt man natürlich auf. „Man wird oft schräg angeschaut, wenn man mit sieben Kindern ankommt. Man fällt aus dem deutschen Raster“, sagt Vater Andreas, der sich sorgt, in eine Schublade gesteckt zu werden, in die er nicht reingehört. Im Bekanntenkreis und der Nachbarschaft sei das aber kein Thema. „Die sind verrückt genug, uns weiter einzuladen“, scherzt Mutter Andrea. „Sie wissen, dass es auch mal lauter wird.“
Genügsame Kinder
Auch die Kinder haben sich längst an die Situation gewöhnt. Es gibt kaum Streitereien, stets wird geteilt. Und bis zum sechsten Lebensjahr kein Kindergeburtstag gefeiert. „Wir haben sehr genügsame Kinder.“Die auch mal Freunde mitbringen. „Da kommt es auf ein paar mehr oder weniger auch nicht mehr an“, meint Mutter Andrea.
Jedes Kind ist in einem Sportverein. Auch bei den Spielsachen hat jedes Kind seine Vorlieben, die Menge an Lego ist aber verhältnismäßig groß. Und auch räumlich haben die Kinder stets die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Stück für Stück hat Vater Andreas das 240 Quadratmeter große Haus umgebaut. So sind sechs Kinderzimmer, das Schlafzimmer der Eltern und ein großer Wohn- und Essbereich mit offener Küche entstanden. „Der Platz ist immens wichtig“, sagt Andreas.
Daher hat das Familienoberhaupt auch einen mobilen Pool für den eigenen Garten angeschafft. Schließlich sind Ausflüge ins Freibad eine große Herausforderung. „Geh mal mit sieben Kinder ins Freibad. Da gehen einem irgendwann die Hände aus, denn da schwimmen zu viele einfach nicht“, sagt er. Ohnehin sind seine Kinder viel draußen. Der Fernseher oder andere technischen Geräte werden kaum genutzt. „Im Sommer läuft unser Fernseher gar nicht“, erklärt der achtjährige Moritz.
Er freut sich über seine Geschwister Nummer 5 und 6, auch wenn er zugibt: „Eigentlich ist es mit den Kleinen ein bisschen schwerer geworden.“Schließlich seien die Eltern nun noch stärker eingebunden. Daher müssen auch er und der älteste Sohn Jonas (10) immer wieder mit anpacken. Dennoch überwiegt auch bei Jonas die Freude, gerade weil die Zwillinge Mädchen sind. „Zwei Mädchen sind besser, sonst wären wir sechs Jungs gewesen“, sagt er.
Weitere „Korrekturen“sind nicht geplant. „Die Familienplanung ist abgeschlossen“, sagt Andreas, 38-jähriger Vater wider ursprünglichen Willens.