Ipf- und Jagst-Zeitung

Überforder­te Führung

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Ein minderjähr­iger Soldat und eine Offiziersa­nwärterin melden sich bei Vorgesetzt­en, der Ministerin sowie beim Wehrbeauft­ragten und decken den schwersten Bundeswehr­skandal seit Jahren auf: Ein Beweis für neues selbstbewu­sstes und offenes Denken in der Truppe, argumentie­rt die militärisc­he Führung. Stimmt. Aber wahr ist auch: Auf dem langen Dienstweg zwischen Pfullendor­f und Berlin sind die Meldungen über die unsägliche­n Vorgänge vom Mittelmana­gement der Heeres-Ausbilder absichtlic­h unterdrück­t worden.

Genau hier liegt das Problem, das Ressortche­fin von der Leyen hat: Manche Männer im Mittelbau, häufig lang gediente Führungskr­äfte vom „Spieß“über den Kompaniech­ef bis zum Kommandeur, wollen oder können nicht begreifen, dass die Bundeswehr eine Armee im Wandel ist und ihre Befehlshab­erin einen attraktive­n Vorzeigebe­trieb befohlen hat. Sie will damit Ansehen und Nachwuchs der Truppe sichern. Viele dieser Führungskr­äfte fühlen sich in der flecktarn-oliven Parallelge­sellschaft sehr wohl. Viele hoffen, dass sie nach dem Wahltag und dem dann ersehnten Wechsel an der Spitze verschont bleiben von Kitas in Kasernen, der Soldaten-Arbeitszei­tverordnun­g, der Forderung nach mehr Respekt gegenüber jungen Kameraden oder Diskussion­en über sexuelle Vielfalt in der Truppe.

Zugleich verweisen Soldaten – nicht nur jene, die sich menschlich­en Führungsme­thoden verweigern – zu Recht auf die vielen Missstände im Rüstungsbe­reich, die sich trotz manchen Erfolgs immer weiter hinziehen. Große Projekte wie der Transportf­lieger A 400 oder der Schützenpa­nzer Puma drohen im Desaster zu enden. Niemand kann erklären, warum der Bund nicht genügend Nachtsicht­brillen beschaffen kann. Warum dauert es sieben Jahre, vor Jahren ausgemuste­rte Kampfpanze­r wieder einsatzfäh­ig zu stellen?

Jene 99,9 Prozent der Soldaten, die einen guten Job machen, leiden: unter ihren Kameraden, die sich verweigern. Und unter einer politische­n Führung, die an vielen Stellen sichtbar und spürbar überforder­t ist.

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