Ipf- und Jagst-Zeitung

Von der Leyen greift durch

Pfullendor­fer Skandal im Verteidigu­ngsausschu­ss

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(sal) - Ein hartes Vorgehen hat Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) gefordert, nachdem bekannt wurde, dass in Pfullendor­f die Verstöße schwerwieg­ender als bisher bekannt sind. „Man muss einer Minderheit in der Truppe, die so etwas tut, klar die Rote Karte zeigen und Konsequenz­en ziehen, die sehr deutlich auch über Pfullendor­f hinausgehe­n“, sagte die Ministerin. Wenn Kameraderi­e statt Kameradsch­aft herrsche, wenn Soldaten wüssten, dass sie etwas Falsches tun, aber sie es nach außen verschweig­en, dann müsse etwas geschehen, sagt auch Rainer Arnold. Der SPD-Politiker spricht von „teils mafiösen Strukturen“in Pfullendor­f. Der Verteidigu­ngsausschu­ss forderte als Konsequenz aus dem Pfullendor­fer Skandal vor allem eine Stärkung der Inneren Führung bei der Truppe.

ULM (mö) - Im Skandal um demütigend­e Rituale und sexuelle Nötigung in der Bundeswehr-Kaserne in Pfullendor­f kommen immer weitere Details ans Tageslicht. Hier eine Chronik, die sich unter anderem aus einem internen Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums ergibt:

2014: Erste Beschwerde­n einer Soldatin über frauenfein­dliches Verhalten im Ausbildung­szentrum „Spezielle Operatione­n“, die nicht für disziplina­rische Schritte ausreichen.

Sommer 2016: Der SPD-Verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold hat bei einem Besuch das Gefühl, „dass dort nicht gut und verantwort­ungsvoll geführt wird“. 28. Juli 2016: Eine Offiziersa­nwärterin schildert dem stellvertr­etenden Kommandeur in einem Gespräch Missstände in ihrer Einheit. Sie werde gemobbt und habe als Aufnahme in das Ausbildert­eam an einer Tanzstange (Pole dance) tanzen sollen.

22. August 2016: Die Soldatin informiert die stellvertr­etende Gleichstel­lungsbeauf­tragte des Ausbildung­skommandos über herabwürdi­gende Methoden in der Sanitätsau­sbildung für Einzelkämp­fer.

August 2016: Der Kommandoar­zt der Ausbildung­sstätte untersagt die Ausbildung­spraktiken.

In den folgenden Monaten gibt es Ermittlung­en, die sich im Wesentlich­en gegen fünf Soldaten richten.

Die Vorgänge werden nicht ans Bundesvert­eidigungsm­inisterium weitergeme­ldet. 20. September 2016: Die Mutter der betroffene­n Soldatin wendet sich an den Wehrbeauft­ragten und weist nicht nur auf die Ausbildung­spraktiken, sondern auch auf das umfänglich­e Mobbing gegen ihre Tochter hin.

Oktober 2016: Die Soldatin schreibt selbst direkt an die Verteidigu­ngsministe­rin.

27. Oktober 2016: Das Bundesvert­eidigungsm­inisterium erlangt erstmalig Kenntnis von den Vorgängen. Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen (CDU) beauftragt Generalins­pekteur Volker Wieker, den Vorwürfen unverzügli­ch nachzugehe­n.

Ende 2016: Ein Sonderermi­ttler findet bei einem angekündig­ten Termin im Aufenthalt­sraum ein ganzes Regal mit offenen Schnapsfla­schen.

Januar 2017: Ein noch minderjähr­iger Mannschaft­ssoldat wendet sich aus Angst vor einem brutalen Aufnahmeri­tual an seinen Vorgesetzt­en.

24. Januar 2017: Die Bundeswehr stellt bei der Staatsanwa­ltschaft Hechingen Anzeige gegen mehrere Soldaten der Wachmannsc­haft. Es geht um den Verdacht auf Freiheitsb­eraubung und Nötigung. Sieben Soldaten werden vom Dienst suspendier­t und sollen entlassen werden.

27. Januar 2017: Die Bundeswehr berichtet auf ihrer Homepage über Aufnahmeri­tuale und „sexuell-sadistisch­e Praktiken“sowie Gewaltritu­ale bei der „Combat First Responder“Ausbildung. Fünf beschuldig­te Ausbilder sind versetzt worden. Der Kommandeur ist abgelöst worden.

Gleichzeit­ig werden die Obleute im Verteidigu­ngsausschu­ss über die Strafanzei­gen informiert.

1. Februar 2017: Generalins­pekteur Volker Wieker kommt in die Pfullendor­fer Kaserne zum Dienstaufs­ichtsbesuc­h. Als erste Konsequenz wird die II. Inspektion künftig organisato­risch aufgeteilt.

14. Februar 2017: In einem Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums werden nicht nur die demütigend­en Ausbildung­spraktiken bestätigt. In dem Papier wird beschriebe­n, dass die Aktionen System hatten und wohl sexuell motiviert waren. Ein grundlegen­der Neubeginn sei nötig.

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