„Sensibilisierung ist dringend nötig“
- Der Verteidigungsausschuss in Berlin hat sich mit den Vorfällen in der Pfullendorfer Kaserne befasst. Nachholbedarf bei der Inneren Führung, vor allem auf mittlerer Ebene, sieht der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner (Foto: oh) aus Illertissen. Mit ihm hat Sabine Lennartz gesprochen.
Herr Brunner, welchen Eindruck haben Sie gewonnen? Sind die Pfullendorfer Ereignisse auf Pfullendorf beschränkt, oder geht es in der ganzen Bundeswehr so zu?
Der Verlauf der heutigen Sitzung hat gezeigt, dass der Fall Pfullendorf akribisch genau und sehr sauber und sorgfältig aufgearbeitet wird. Ob es allerdings nur in Pfullendorf solche Vorfälle gibt oder auch an anderen Standorten, bleibt offen. Wichtig aber ist: Was die Innere Führung betrifft, herrscht insbesondere auf der mittleren Führungsebene Nachholbedarf. Hier muss die militärische Führung Schulungen überlegen, wie man mit Frauen, minderjährigen Soldaten oder Randgruppen wie Schwulen und Lesben umgeht, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden.
Jetzt gibt es ja schon Kurse über die sexuelle Orientierung. Reicht das?
Regelmäßige Kurse gibt es eben nicht, sondern nur ab und zu Workshops der Ministerin, von denen nur wenige der Soldatinnen und Soldaten etwas mitkriegen. Und Ansprechpartner für die Innere Führung fehlen ebenso. Da muss mehr passieren. Es muss vor allem eine Sensibilisierung erfolgen. Man muss das Gespür bekommen für Menschen, die von den Vorgesetzten schikaniert werden.
Hat die Bundeswehr schnell genug reagiert, sind Sie im Parlament schnell genug informiert worden?
Ich wäre am liebsten sofort im letzten Herbst informiert worden. Aber Verteidigungsministerium und Wehrbeauftragter berufen sich darauf, dass erst die faktischen Daten geprüft werden müssen, sonst könnte es Falschinformationen geben.
Und wie kann man solche Missstände in Zukunft vermeiden?
Die Organisationsstruktur muss geprüft werden, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Korpsgeist kann nur dann entstehen, wenn man bestimmte Personen zu lange an einem Standort verwachsen lässt. Da muss die richtige Mischung gefunden werden, jemanden nicht zu lange an einem Standort zu lassen, aber lang genug, dass er die Qualifikation hat.
Das heißt, nach wie vielen Jahren soll gewechselt werden?
Unter Umständen alle drei Jahre.