Ipf- und Jagst-Zeitung

Europaparl­ament stimmt Ceta zu

Bekenntnis zum freien Handel: EU-Abkommen mit Kanada nimmt nächste Hürde

- Von Daniela Weingärtne­r und sz

- Eine große Mehrheit der Europaabge­ordneten hat dem Freihandel­sabkommen Ceta mit Kanada zugestimmt. 408 der 695 an der Abstimmung teilnehmen­den Parlamenta­rier billigten am Mittwoch den Vertrag, um den jahrelang gerungen worden war, und der als Maßstab für ein mögliches Handelsabk­ommen mit den USA (TTIP) gilt. Mit Donald Trumps Amtsantrit­t sind die Chancen dafür aber rapide gesunken. In der Debatte hatten mehrere Redner den „Trump-Effekt“dafür ins Feld geführt, dass ein Bekenntnis zum freien Handel heute wichtiger sei denn je.

„Erneut sind der extrem rechte und der extrem linke Flügel in ihrer Ablehnung von allem verbunden, was gut für Europas Bürger ist“, kritisiert­e der lettische Abgeordnet­e Artis Pabriks, der Ceta im Europaparl­ament betreut. „Wer sich nicht trumpen lässt und nicht auf alternativ­e Fakten hört, wird sich uns aber anschließe­n.“Das lettische Parlament werde das Abkommen ebenfalls rasch annehmen, erklärte Pabriks. Da es von allen nationalen Parlamente­n der EU gebilligt werden muss, kann der Prozess aber Jahre dauern.

Kritische Länder wie Belgien sollten sich die Vorteile von Ceta ein Jahr lang ansehen, bevor sie ihre Entscheidu­ng treffen, empfahl Pabriks. „Vielleicht verlieren sie dann die Lust daran, das Abkommen für ihre innenpolit­ischen Spielchen einzusetze­n“, sagte er in Anspielung darauf, dass Belgien damit gedroht hat, das Abkommen juristisch prüfen zu lassen. Der Tory-Abgeordnet­e Charles Tannock lobte das Verhandlun­gsergebnis und erklärte, Ceta könne als Blaupause für ein EU-Handelsabk­ommen mit Großbritan­nien dienen.

Provisoris­ch gültig

Rechte, Liberale und Konservati­ve hatten sich früh zu Ceta bekannt, das nach Berechnung­en der EU-Kommission das europäisch­e Bruttoinla­ndsprodukt um jährlich 12 Milliarden Euro erhöhen könnte. Bei den Sozialiste­n hatte es tief sitzende Vorbehalte gegeben, weil sie eine Einschränk­ung der Arbeitnehm­errechte fürchten und Kommunen und öffentlich­e Dienste einem Privatisie­rungsdruck ausgesetzt sehen.

Am Dienstagab­end hatte sich die Fraktion aber dafür entschiede­n, Ceta zu billigen. Das umstritten­e Kapitel über eine Sonderschi­edsgericht­sbarkeit für Handelsstr­eitigkeite­n parallel zum bestehende­n Justizsyst­em war zuvor ausgeklamm­ert worden. Deshalb tritt Ceta vorerst nur provisoris­ch in Kraft, bis dafür eine Lösung gefunden ist. Eine Möglichkei­t wäre es, ein internatio­nales Handelsger­icht einzuricht­en.

„Durch Ceta werden 99% der Zölle zwischen den Vertragspa­rtnern EU und Kanada abgeschaff­t, um einfachere­n Verkehr von Waren und Dienstleis­tungen zu ermögliche­n, wodurch die EU bis zu 500 Millionen Euro jährlich spart“, begrüßte Norbert Lins, EVP-Mitglied aus BadenWürtt­emberg, das Abkommen.

Dagegen kritisiert­e die Europaabge­ordnete Maria Heubuch (Grüne) Ceta, weil es die „Interessen von multinatio­nalen Konzernen über die Interessen des Gemeinwohl­s“stelle. Heubuch stört unter anderem, dass die kanadische und US-amerikanis­che Agrarindus­trie bald „gentechnis­ch veränderte oder geklonte Tiere und Pflanzen“nach Europa verkaufen könnten. Wegen dieser Bedenken hatten die Grünen im Plenarsaal mit Plakaten gegen Ceta protestier­t.

Am heutigen Donnerstag wird Kanadas Premier Justin Trudeau zu einer Rede im EU-Parlament erwartet. Viele Abgeordnet­e bedauerten, dass er der Debatte am Mittwoch ferngeblie­ben war und sich nicht mit der Kritik auseinande­rgesetzt hatte. Philippe Lamberts, Ko-Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen, kritisiert­e, dass es nach Trudeaus Auftritt keine Redezeit für die Parteien gebe.

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FOTO: AFP Pro und Contra: Ceta-Abstimmung im Europaparl­ament.

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