Wenn der Traumberuf zu wenig ist
Kim Ekdahl Du Rietz ist im besten Handballer-Alter, spielt eine überragende Saison – nun macht er Schluss
(SID) - Kim Ekdahl Du Rietz ist einfach irgendwann die Lust vergangen. „Ich weiß, dass ich recht gut Handball spielen kann“, sagte der Rückraumspieler vom deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen dem Mannheimer Morgen: „Aber mein Talent verpflichtet mich nicht dazu, diesen Sport weiterhin auszuüben. Das ist in meinen Augen Blödsinn. Es ist für mich kein Traumberuf mehr.“Deshalb zieht der Schwede einen bemerkenswerten Schlussstrich und beendet im Sommer seine Weltkarriere – im Alter von nur 27 Jahren und in der Form seines Lebens.
Aber es „gehe ja nicht nur darum, meine Entscheidung rational nachzuvollziehen“, sagte Ekdahl Du Rietz: „Sondern es ist vor allem wichtig, was ich fühle.“Und das ist in den vergangenen Wochen mehr denn je das Verlangen nach Unabhängigkeit gewesen. „Ab dem Sommer kann ich selbst bestimmen, wann ich wo hingehen will. Ich bekomme die Kontrolle über mein Leben zurück“, sagte er.
Von der großen, weiten HandballWelt geträumt hatte der Schwede ohnehin noch nie. Als gerade so Erwachsener lebte er zufrieden im beschaulichen Lund, spielte bei seinem Heimatverein Handball auf hohem Niveau, die Familie und Kumpels wohnten um die Ecke. Ekdahl Du Rietz war damit zufrieden – andere aber nicht.
„Ich kann mich noch erinnern, wie mich Kim Andersson mal zur Seite genommen hat und stinksauer war“, sagte Ekdahl Du Rietz und berichtete von der Rüge des in Schweden und beim THW Kiel verehrten Kapitäns der schwedischen Nationalmannschaft: „Er meinte, ich vergeude mein Talent, wenn ich dieses Ziel Handball-Profi nicht verfolgen würde. Er konnte das überhaupt nicht verstehen.“
Ekdahl Du Rietz nahm sich die Worte zu Herzen („Ich habe mir gedacht: Probieren wir mal etwas Neues“) und zog nach der Heim-WM 2011 erst nach Frankreich, dann 2012 nach Deutschland und reifte zu einem der besten Handballer seiner Generation.
„Ich habe in den vergangenen Jahren nie so genau gewusst, wo ich hin will“, sagte er: „Deswegen habe ich einfach weiter Handball gespielt. Dieser Sport hat mir finanzielle Sicherheit gegeben. Und wenn ich jetzt aufhöre, weiß ich, dass ich mir erst einmal keinen Stress machen muss. Ich werde nicht am Hungertuch nagen.“
Seit ihm das wirklich bewusst ist, zählt Ekdahl Du Rietz die Tage. „Der 10. Juni, das letzte Saisonspiel gegen Melsungen, wird der krasseste Tag meines Lebens“, sagte der 27-Jährige, der mit seiner Freundin (noch) in dem gutbürgerlichen Heidelberger Stadteil Neuenheim wohnt. An diesem Tag werde sich „alles ändern“.
Die Emotionen, die der Handball geben kann, kennt Ekdahl Du Rietz fast alle. Am dunklen 24. Mai 2014, als die Löwen am letzten Spieltag in einem hochspannenden Finale noch von der Tabellenspitze verdrängt wurden, kauerte der 1,94-Mann mit Tränen in den Augen auf der Platte. Im Juni 2016 feierte er mit den Mannheimern ausgelassen die erste deutsche Meisterschaft.
„Es tut immer noch weh, wenn ich nicht gut spiele oder wir verlieren“, sagte er: „Denn ich kämpfe wie jeder andere aus unserer Mannschaft für unsere Ziele.“Aber, und es ist ein großes Aber: „Handball macht mich nicht mehr glücklich. Ich bin zufrieden, aber das reicht mir nicht. Deswegen höre ich auf.“
Was dann kommt, weiß er nicht so genau. „Ich kündige erst einmal meine Wohnung“, sagte er der Rheinpfalz: „Ja und dann – ich werde erst einmal keine Wohnung und kein Zuhause haben.“Eine ewige Weltreise, ein Leben als Paradiesvogel – all das, was dem Handballer gerne angedichtet wird, spielt in seinen Planungen aber keine Rolle. Auch darauf hat er einfach keine Lust.