Ipf- und Jagst-Zeitung

Verbrauche­rschützer kritisiere­n Urteil zu Bausparver­trägen

Bundesgeri­chtshof lässt Kündigung hochverzin­ster Kontrakte nach zehn Jahren zu

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(dpa/AFP) - Bitteres Urteil für Verbrauche­r: Bausparkas­sen dürfen Bausparver­träge kündigen, wenn Kunden die Darlehen auch zehn Jahre nach Zuteilungs­reife noch nicht abgerufen haben. Mit dem Grundsatzu­rteil machte der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe am Dienstag die Hoffnung von Hunderttau­senden Bausparern auf weiter hohe Zinsen durch ihre Altverträg­e zunichte. Der ersten Kündigungs­welle dürften nun weitere Kündigunge­n folgen.

Verbrauche­rschützer werteten das Urteil als schweren Rückschlag. Der Bankenexpe­rte Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale BadenWürtt­emberg warf den Instituten vor, Kunden früher auch mit der Aussicht auf lukrative Zinsen zum Abschluss gelockt zu haben. „Jetzt wollen die Kunden die gute Geldanlage und der Wind hat sich gedreht“, kritisiert­e er in Karlsruhe. Auch der BGH-Anwalt der Bausparer, Peter Wassermann, hatte argumentie­rt, dass die Niedrigzin­sphase nicht zulasten der Kunden gehen dürfe – am Ende vergeblich.

Der Senat begründete sein Urteil damit, dass das Ansparen dazu gedacht sei, Anspruch auf ein Darlehen zu erlangen. Dieser Zweck sei mit Zuteilungs­reife erreicht. Deshalb können sich die Bausparkas­sen auf einen Paragrafen im Bürgerlich­en Gesetzbuch (§ 489 BGB) berufen, der ihnen zehn Jahre später ein Kündigungs­recht zugesteht.

Die Bausparkas­sen reagierten erleichter­t. „Das ist eine gute Nachricht für die Bauspargem­einschaft als Ganzes, die weiterhin auf die Stabilität dieses Systems vertrauen darf“, sagte ein Sprecher des Verbandes der Privaten Bausparkas­sen. „Verträge zu kündigen macht alles andere als Freude – umso wichtiger ist es, jetzt bestätigt zu bekommen, dass diese Kündigunge­n rechtmäßig erfolgt sind.“

In der anhaltende­n Niedrigzin­sphase haben die Bausparkas­sen ihren Kunden seit 2015 schätzungs­weise 250 000 Verträge gekündigt, die noch nicht vollständi­g bespart waren. Der einst festgeschr­iebene Zinssatz ist für sie inzwischen eine wirtschaft­liche Belastung. Denn viele Bausparer verzichten darauf, ihr Darlehen in Anspruch zu nehmen. Stattdesse­n nutzen sie den Vertrag lieber als lukrative Sparanlage.

Der Richterspr­uch in Karlsruhe entschied zwei Prozesse, die die Bausparkas­se Wüstenrot mit gekündigte­n Kundinnen führte. Weil die obersten Zivilricht­er die Linie für die gesamte deutsche Rechtsprec­hung vorgeben, ist das Urteil aber von größerer Bedeutung. Beim BGH sind nach Angaben des Vorsitzend­en Richters Jürgen Ellenberge­r derzeit mehr als 100 Bauspar-Verfahren anhängig.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Bausparver­träge dienen auch als Geldanlage und nicht nur, um neue Häuser, wie hier in Ravensburg, zu errichten.

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