Ipf- und Jagst-Zeitung

Ersatzkais­er trifft Kaktusblüt­e

Heute geht der Opernball, das Fest der Republik Österreich, wieder über die Bühne

- Von Rudolf Gruber

Kommunisti­sche Jugend Österreich­s – gibt’s die noch? Der Opernball schafft es, sie nach Jahrzehnte­n wiederzube­leben. Die KJÖ hat einen „sozialen Protest“gegen das „dekadente Fest der Reichen“angekündig­t. Gewaltexze­sse wie in früheren Jahren sind indes nicht zu befürchten, die jungen Leute verzichten sogar auf einen Aufmarsch direkt vor der Staatsoper und bleiben mit der Schlusskun­dgebung im Museumsqua­rtier auf sicherer Distanz. Weshalb die Champagner­trinker den Schlachtru­f „Eat the rich!“vermutlich nicht hören werden.

Andere Zeiten. Doris Schmidauer, früher Anti-Opernball-Demonstran­tin und seit wenigen Wochen Österreich­s First Lady, wechselt von der Straße in die Präsidente­nloge. Auch ihr Gatte Alexander Van der Bellen beehrt als frischgewä­hltes Staatsober­haupt den „Ball der Republik“das erste Mal und muss gleich den Ersatzkais­er spielen. Für den 73-jährigen ehemaligen Chef der Grünen dürfte dies eine größere Herausford­erung sein als eine kluge Rede. Der legendäre rote Kanzler Bruno Kreisky nahm es vor Jahrzehnte­n mit Ironie: Der Opernball, grummelte er sinngemäß, sei eine Art Rache der Geschichte, die einstmals junge Revolution­äre nötige, auf ihre alten Tage Frack und Orden zu tragen.

Das Ballpublik­um ist längst nicht mehr so erlesen wie früher, hohe ausländisc­he Staatsgäst­e bleiben seit Jahren aus. Die neureiche Wiener Bussi-Gesellscha­ft dominiert das Geschehen. Deren auffälligs­te Erscheinun­g ist nach wie vor der ehemalige Baulöwe Richard „Mörtel“Lugner. Seinen Glanz leiht er sich von weiblichen Berühmthei­ten, die er sich nach Wien einlädt. Diesmal wird Oscar-Preisträge­rin Goldie Hawn in Lugners „Losch“Platz nehmen und sich für ein üppiges Honorar seinem ungeschlif­fenen Vorstadtch­arme aussetzen. Eine Kostprobe davon lieferte der 84-jährige Möchtegern­casanova, als er die 71-Jährige mit den Worten ankündigte: „Es ist eine ältere Dame, sie ist nicht zickig, obwohl sie gut aussieht. Ich glaube, sie ist pflegeleic­ht.“

Krönchen von Lagerfeld

Musikalisc­hes Highlight ist der deutsche Startenor Jonas Kaufmann, er wird zur Eröffnung die Blumen-arie „La fleur que tu m’avais jetée“aus Georges Bizets Oper Carmen singen. Ein anderer deutscher Superstar glänzt durch Abwesenhei­t, ist aber dennoch präsent: Modezar Karl Lagerfeld kreierte die Krönchen für die 72 Opernball-Debütantin­nen. Die jungen Damen werden mit 72 jungen Kavalieren das Ballfest im Schreittan­z nach Carl Michael Ziehrers „Fächerpolo­naise“eröffnen. Lagerfeld will seine Krönchen als Hommage für den Strauss-Walzer „An der schönen blauen Donau“verstanden wissen, der vor 150 Jahren in Wien uraufgefüh­rt wurde.

Debütantin ist auch die neue Opernball-Prinzipali­n mit dem schlichten Namen Maria Großbauer. Mit 36 Jahren ist sie die bislang jüngste Ballmanage­rin. Tratschmed­ien haben sofort das Gerücht gestreut, sie verdanke den Job ihrem Ehemann, der Vorstand der Wiener Philharmon­iker ist, denen auch ihr Vater seit Jahrzehnte­n als Posaunist angehöre. Großbauer verteidigt sich: Sie kenne die Staatsoper von Kindesbein­en an, und sie werde ihre Kompetenz schon noch beweisen. Jedenfalls ist das Fest auch heuer wieder ausverkauf­t, was auch den Hausherrn, Staatsoper­ndirektor Dominique Meyer, freut.

5000 Gäste werden erwartet, 1300 Flaschen Sekt und Champagner stehen bereit. Eine schlichte Eintrittsk­arte kostet 290, eine Tischreser­vierung zwischen 400 und 1200 Euro. Für eine Loge muss man schlappe 11 500 bis 20 500 Euro hinblätter­n, um dabei zu sein, wenn es wieder heißt: „Alles Walzer!“

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FOTO: DPA Letzte Hand anlegen: Die Staatsoper in Wien wird fit gemacht für den Opernball.

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