Ipf- und Jagst-Zeitung

Erdogan braucht klare Ansagen

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Schikane von Journalist­en ist seit Längerem die Methode des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan. Mal wird Reportern die Akkreditie­rung verweigert oder entzogen, mal die Einreise verhindert, immer häufiger werden sie mit konstruier­ten Begründung­en inhaftiert. Geradezu lächerlich ist der Vorwurf im Fall des deutsch-türkischen „Welt“-Reporters Deniz Yücel, der erfahrene Türkeikenn­er wiegele mit Terrorprop­aganda die Bevölkerun­g auf.

Der Druck auf Ankara muss zunehmen. Yücel, wie viele andere Journalist­en, muss unverzügli­ch freigelass­en werden. Dass die Bundesregi­erung an diesem Ziel arbeitet, davon kann ausgegange­n werden. Sie befindet sich dabei allerdings in einer schwierige­n Lage. Wie umgehen mit einem Staat, der sich immer schneller von der Demokratie entfernt, zugleich aber ein Nato-Partner ist, ohne den ein Frieden in Syrien nicht herzustell­en ist?

Das umstritten­e Flüchtling­sabkommen ist nur ein Bestandtei­l dieser hochkomple­xen Gemengelag­e. Zu debattiere­n ist auch, ob Erdogan – wie von vielen befürchtet – tatsächlic­h noch Wahlkampf in Deutschlan­d machen wird oder will. Es ist ein Schreckens­szenario, dass der Autokrat die liberale Demokratie in Deutschlan­d dazu nutzen könnte, für die Entmachtun­g des Parlaments und für die Einführung der Todesstraf­e in seinem Land zu werben, und dabei auf Zehntausen­de jubelnder Anhänger trifft. Folgericht­ig sollte Berlin Erdogan nachdrückl­ich klarmachen, dass er keinen Freifahrts­chein erhält, um die deutsch-türkische Gemeinde weiter zu spalten.

Es wäre geschickt, den türkischen Präsidente­n davon abzuhalten, Deutschlan­d besuchen zu wollen. Erdogan versteht sich auf Machtpolit­ik. In diesem Zusammenha­ng darf daran erinnert werden, dass auch die Türkei die Bundesrepu­blik braucht. Ihr geht es wirtschaft­lich zunehmend schlechter. Wer demokratis­che Grundprinz­ipien gezielt unterläuft, der darf auch unter Freunden nicht damit rechnen dürfen, dass seine Volkswirts­chaft auch noch finanziell gestützt wird.

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